Finanzkrisen vermeiden - die makroprudenzielle Überwachung

Der 15. September 2008 wird oft als Höhepunkt der Finanzkrise betrachtet. An diesem Tag meldete die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an – die Aktienkurse rauschten in den Keller, an den ohnehin nervösen Finanzmärkten breitete sich stellenweise Panik aus. Damit erreichte eine Entwicklung ihren Höhepunkt, die im Sommer 2007 als Krise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt stellenweise begonnen hatte und sich innerhalb eines Jahres zu einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ausweitete. Infolge der Verwerfungen auf den Märkten und des Übergreifens auf die Realwirtschaft erfuhr Deutschland im Jahr 2009 den schwersten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg.

Systemrisiken sind Ursache der Finanzkrise

Als eine wesentliche Ursache für die Finanzkrise gilt heute der zu enge Fokus auf die Stabilität von einzelnen Instituten, während die Gefahren für das System als Ganzes nicht rechtzeitig erkannt wurden. Auch wiegten sich viele Aufseher in der Sicherheit eines ruhigen makroökonomischen Umfelds mit solidem Wirtschaftswachstum und niedriger Inflation. Vor diesem Hintergrund wurde nicht früh genug registriert, dass zahlreiche Banken in den Vereinigten Staaten massiv Immobilienkredite an Schuldner mit schlechter Schuldentragfähigkeit (sogenannte Subprime-Kredite) vergaben und ihre Bücher dadurch mit erheblichen Klumpenrisiken gefüllt hatten.

Als die ersten Schuldner ihre Forderungen nicht mehr bedienen konnten, kam es aufgrund der dichten Vernetzung des globalen Finanzsystems zu einer Kettenreaktion, die schließlich zum Zusammenbruch einer Vielzahl von Instituten führte - im Jahr 2009 meldeten allein in den Vereinigten Staaten 140 Banken Insolvenz an, im darauffolgenden Jahr waren es 157.[1] Die Ansteckung der Institute untereinander war oftmals über den Weiterverkauf von zu Paketen gebündelten minderwertigen Immobilienkrediten erfolgt. Diese sogenannten Verbriefungen hielten Investoren weltweit in ihren Beständen, darunter auch viele deutsche Banken. Als der Immobilienmarkt in den Staaten einbrach, erlitten diese Institute Milliardenverluste und mussten mitunter durch staatliche Unterstützung vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Die ursprünglich auf ein Land und einen Sektor begrenzte Krise sprang auf andere Länder und Sektoren über und erfasste auch Europa.

Das Finanzsystem als Ganzes im Blick

Um solche Entwicklungen künftig zu vermeiden und Risiken für die Stabilität des Finanzsystems (sogenannte systemische Risiken) frühzeitig zu erkennen, bedarf es einer in internationaler Abstimmung entwickelten Überwachung, die nicht nur Einzelinstitute im Blick hat, sondern die, gleichsam aus einer Vogelperspektive heraus, das Finanzsystem als großes Ganzes überwacht.

… in Deutschland

Dieser neue Ansatz wird von Politik und Aufsichtsbehörden unter der Überschrift "makroprudenzielle Überwachung" verfolgt. In Deutschland ist seit dem Frühjahr 2013 der neugegründete Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) für die makroprudenzielle Überwachung zuständig. Er besteht aus jeweils drei stimmberechtigen Vertretern des Bundesfinanzministeriums, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutschen Bundesbank. Hinzu kommt die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), deren Vertreter jedoch kein Stimmrecht in dem Gremium hat.
Sieht dieser Ausschuss systemische Risiken aufkommen, spricht er Warnungen oder Empfehlungen aus und übermittelt diese an öffentliche Stellen im Inland. Je nach Gefährdung des Finanzsystems kann die makroprudenzielle Politik vor aufkommenden systemischen Gefahren im Finanzsystem warnen, Finanzinstitute gezielt auf systemische Risiken aufmerksam machen oder ihnen Instrumente zur Sicherung der Finanzstabilität empfehlen.

Eines der international diskutierten Instrumente ist die sogenannte Verschuldungsquote, welche die maximal gewährte Höhe eines Kredits vom Einkommen des Kreditnehmers abhängig macht und die Banken somit vor hohen Verlusten schützt. Ein weiteres sind Kapitalzuschläge für systemisch relevante Banken. Das Instrument zwingt diese global besonders stark vernetzten und großen Banken bestimmte Kredite mit mehr Eigenkapital zu unterlegen. Die Banken werden widerstandsfähiger gegenüber Kreditausfällen, und die von ihnen ausgehenden Ansteckungsgefahren für andere Banken werden somit herabgemindert. (Eine genaue Beschreibung aller potenziellen Instrumente finden Sie im Dokument "Makroprudenzielle Instrumente").

… weltweit

Auf europäischer Ebene übernimmt das European Systemic Risk Board (ESRB) die makroprudenzielle Überwachung. In diesem Gremium werden relevante Daten ausgetauscht und aufkommende Systemrisiken innerhalb der Europäischen Union nach Priorität eingeordnet. Es kann Warnungen und Empfehlungen gegenüber der EU, den betroffenen EU-Mitgliedstaaten oder Aufsichtsbehörden aussprechen. Außerdem kann der ESRB gezielte Empfehlungen zur Einrichtung nationaler makroprudenzieller Behörden abgeben. Ein länderübergreifender, internationaler Austausch findet zudem unter anderem in den Gremien des Financial Stability Board (FSB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) statt. In allen Gremien sitzen Vertreter der Deutschen Bundesbank.

Fußnoten:

  1. Siehe: statista.com. Die Zahlen beziehen sich auf die Insolvenzen von Banken und Sparkassen, deren Einlagen durch die FDIC gesichert sind, online unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/202752/umfrage/anzahl-der-bankenpleiten-in-den-usa-seit-2001/ (aufgerufen am 22.5.2013)