Geldpolitische Zügel rechtzeitig straffen

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich für einen rechtzeitigen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgesprochen. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) äußerte er sich kritisch gegenüber der vom EZB-Rat beschlossenen Verlängerung des Anleihekaufprogramms. Die Entscheidung des EZB-Rates, das Programm bis mindestens Ende 2017 fortzuführen, sei "sehr weit reichend", so Weidmann.

Neben der Verlängerung des Programms hatte der EZB-Rat am vergangenen Donnerstag beschlossen, das Volumen der Käufe ab April 2017 von 80 auf 60 Milliarden Euro monatlich zu reduzieren. Diese Entscheidung sei ein Signal dafür, dass der EZB-Rat inzwischen ein größeres Vertrauen in die wirtschaftliche Erholung des Euro-Raums gefasst habe, sagte Weidmann. So würden auch keine deflationären Entwicklungen mehr befürchtet. Der Bundesbankpräsident verwies in diesem Zusammenhang auf die jüngste Prognose der EZB, nach der die Inflation im gemeinsamen Währungsgebiet bis zum Jahr 2019 wieder auf 1,7 Prozent steigt und damit an das Stabilitätsziel der EZB von knapp unter zwei Prozent heranrückt.

Ultraexpansive Geldpolitik kein Dauerzustand

Grundsätzlich ist die derzeitige expansive Geldpolitik angesichts der bislang gedämpften Preisaussichten aus Sicht Weidmanns angebracht. Darüber sei man sich im EZB-Rat einig. Diskutiert werde vor allem über den Grad der geldpolitischen Expansion und die einzelnen Instrumente. "Es kommt darauf an, klarzumachen, dass eine solche ultraexpansive Geldpolitik kein Dauerzustand sein darf", sagte Weidmann. Er mahnte deshalb, die geldpolitischen Zügel rechtzeitig zu straffen, wenn sich der Preisdruck wieder spürbar erhöhe. "Regierungen und Finanzmärkte müssen sich darauf einstellen, und die Notenbanken dürfen sich von dem zu erwartenden Widerstand nicht beirren lassen", so Weidmann. Er betonte zudem nochmals, dass von geldpolitischen Entscheidungen auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen ausgingen, die mit der Dauer einer ultralockeren Geldpolitik zunähmen.

Marktdisziplinierung geschwächt

Mit Blick auf die hohe Verschuldung vieler Länder im Euro-Raum sagte der Bundesbankpräsident, es genüge nicht, Regeln aufzustellen und zu glauben, alle würden sich daran halten. "In einer solchen Lage ist auch die Disziplinierung durch den Markt wichtig, also dass am Ende eine unsolide Haushaltspolitik mit höheren Zinsen belegt wird", so Weidmann. Diese Marktdisziplinierung sei durch die lockere Geldpolitik der EZB geschwächt worden. Gleichzeitig mahnte Weidmann, die Geldpolitik dürfe sich nicht in die Verantwortung für die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen drängen lassen.

Brexit-Folgen schwer abschätzbar

Im Hinblick auf die Folgen des bevorstehenden Brexits sagte Weidmann, dass bisher weder die Ausgestaltung noch die Folgen verlässlich abzuschätzen seien. Er hoffe auf eine weiterhin enge Verbindung zum Vereinigten Königreich, fügte aber hinzu, dass aus seiner Sicht die vier Grundfreiheiten in der EU nicht separierbar seien. "Der Wunsch, Teil des Binnenmarktes zu bleiben, ist nicht vereinbar mit dem Wunsch, die Personenfreizügigkeit zu beschränken", so Weidmann.

Angesichts der protektionistischen Signale des künftigen US-Präsidenten Donald Trump warnte Weidmann vor möglichen Belastungen für die Weltwirtschaft. "In einer Welt mit mehr Protektionismus verlieren letztlich alle", sagte der Bundesbankpräsident. Ein stark im internationalen Weltmarkt integriertes Land wie Deutschland würde darunter besonders leiden.