Gemeinsame Bankenaufsicht vor Heraus­forderungen

Die Bankenunion, im Zuge derer Befugnisse in der Bankenaufsicht auf die europäische Ebene verlagert wurden, sei ein "zentraler Schritt" gewesen mit dem Ziel, Risiken besser zu überwachen und Notlagen im Bankensektor effizienter zu meistern. Jetzt müsse die gemeinsame Aufsicht aber mit weiteren Reformen vervollständigt werden, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch beim 32. SUERF-Kolloquium zur gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht, dem sogenannten Single Supervisory Mechanism (SSM).

Unter dem Titel "SSM at 1" waren Vertreter von Banken, Zentralbanken und aus der Wissenschaft zusammengekommen, um die Struktur und Effektivität der europäischen Bankenaufsicht ein Jahr nach ihrem Start auf den Prüfstand zu stellen. Die gemeinschaftliche europäische Aufsicht hat am 4. November 2014 die Arbeit aufgenommen. Seitdem werden die größten Banken aller 19 Euro-Länder gemeinsam durch die EZB und die jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden - in Deutschland sind das die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) und die Bundesbank - beaufsichtigt. Die Aufsicht über die kleineren, nicht-systemrelevanten Institute ist dagegen bei den nationalen Aufsichtsbehörden verblieben, auch wenn die EZB diese Aufgabe in besonderen Fällen an sich ziehen könnte.

Die Arbeit am strukturellen Rahmen der gemeinsamen Aufsicht ist nach Meinung der Vizepräsidentin aber noch lange nicht abgeschlossen. "Wir haben noch einiges auf der Agenda", betonte Buch. Dazu gehöre insbesondere, zusätzliche makroprudenzielle Instrumente in Deutschland zu schaffen, um beispielsweise systemischen Risiken auf den Märkten für Hypothekendarlehen besser entgegenwirken zu können. Eine entsprechende Empfehlung an die Bundesregierung hat der Ausschuss für Finanzstabilität im Juni beschlossen. "Wir müssen vorbereitet und handlungsfähig sein, wenn Risiken auf dem Wohnimmobilienmarkt akut werden", so die Vizepräsidentin. Eine weitere Aufgabe sei es, die regulative Vorzugsbehandlung von Staatsanleihen zu beenden. Unter den derzeitigen Aufsichtsvorschriften werden bei der Berechnung der Kapitalanforderungen, die Banken erfüllen müssen, Staatsschulden als risikofrei bewertet. Eine Begrenzung des Volumens an Staatsanleihen, das Banken halten, gibt es bislang nicht. Nach Meinung der Vizepräsidentin könne diese Regelung für Institute einen besonderen Anreiz bieten, Forderungen gegenüber Staaten zu halten - möglichweise auf Kosten der Finanzstabilität und einhergehend mit der Verringerung von Krediten an die Privatwirtschaft .

Mögliche Interessenskonflikte

Buch sprach sich zudem für eine striktere Trennung der gemeinsamen Bankenaufsicht und der Geldpolitik aus. Derzeit sind beide Aufgaben unter dem Dach der Europäischen Zentralbank angesiedelt, mit dem EZB-Rat als oberstem Entscheidungsgremium. Diese Situation könne zu Interessenskonflikten führen, so Buch, zu deren Lösung allerdings eine Änderung der Verträge notwendig sei.

Auch die Professorin Isabell Schnabel von der Universität Bonn warnte eindringlich vor dem nach wie vor bestehenden Konflikt. "Möglichweise haben wir eine zu machtvolle Institution geschaffen", so Schnabel, die auch Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland ist. Dass die Bankenaufsicht bei der EZB angesiedelt wurde, sei keine optimale Entscheidung gewesen. "Es ging damals vielmehr darum, die gemeinsame Aufsicht schnell zu starten", so Schnabel.

Auch Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret wies bei der Konferenz auf bestehende Schwachstellen der gemeinsamen Aufsicht hin. Unterschiedliche Wahlrechte im europäischen Aufsichtsrecht ermöglichten den Aufsehern bislang noch eine unterschiedliche Auslegung der Regeln für Banken auf nationaler Ebene. "Dies gilt manchmal als Hindernis, um einheitliche Regulierungsbedingungen zu schaffen", sagte Dombret.

Die Bankenunion vervollständigen

Bei der Konferenz warnten sowohl Buch als auch Dombret vor einer vorschnellen Einführung einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung als weiteren Schritt auf dem Weg in die gemeinsame europäische Bankenunion. Beide wiesen darauf hin, dass die notwendigen Voraussetzungen hierzu bislang nicht erfüllt seien. Zum einen müsse vorher die finanzielle Verflechtung von Banken und Staaten mithilfe regulativer Reformen aufgelöst werden. Erst wenn Mechanismen, die die Kontrolle über die Aufnahme von Risiken ermöglichten, auf die europäische Ebene übertragen worden wären, könnten auch Mechanismen etabliert werden, die eine weitere Teilung des Risikos zwischen den Euro-Ländern erlaubten. "Die Stabilität der europäischen Kreditinstitute wird noch maßgeblich von nationalen politischen Entscheidungen beeinflusst" , sagte Dombret. Als Beispiel nannte er die Regelungen zum Insolvenzrecht, die in den nationalen Gesetzen der EU-Mitgliedstaaten noch sehr unterschiedlich ausgestaltet seien. Bevor solche Regelungen nicht europaweit einander angeglichen würden, sei an eine gemeinsame Einlagensicherung nicht zu denken.

Die gemeinsame Einlagensicherung wäre die dritte Säule der gemeinsamen europäischen Bankenunion. Die zweite Säule ist der einheitliche Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM). In seinem Rahmen gelten seit dem 1. Januar 2015 einheitliche Regeln für die geordnete Abwicklung oder Sanierung notleidender europäischer Banken.