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Gute Statistiken von entscheidender Bedeutung Third IMF Statistical Forum – Official Statistics to Support Evidence-based Economic Policymaking

Third IMF Statistical Forum in Frankfurt am Main, Germany, on 19 and 20 November 2015 ©Frank Rumpenhorst
Min Zhu
"Ohne Daten kann sich die Politik nicht vorwärts bewegen", sagte Min Zhu, stellvertretender Geschäftsführer des Internationalen Währungsfonds (IWF), bei der Eröffnung des dritten IWF-Statistikforums in Frankfurt am Main. Rund 150 Datenproduzenten, politische Entscheidungsträger, Wissenschaftler und andere Datennutzer diskutierten bei dem zwei-tätigen Forum, wie das Angebot an Statistiken weiter verbessert werden kann. Die Bundesbank war in diesem Jahr Gastgeber des hochkarätig besetzten Forums, das zum ersten Mal außerhalb Washingtons stattfand. Auch für die Zentralbanken sind Daten von entscheidender Bedeutung: "Die Geldpolitik hängt von der Verfügbarkeit guter Statistiken ab", sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann in seiner Begrüßungsrede. Ohne sie sei die makro- und mikroökonomische Analyse nicht möglich. Dies sei auch ein Grund, warum die Bundesbank seit dem vergangenen Jahr ein Forschungsdaten- und Servicezentrum aufbaue, in dem Mikrodaten, also Einzeldaten, datenschutzkonform und auswertungsgerecht internen Analytikern und externen Forschern zur Verfügung gestellt werden.

Finanzkrise größter Wendepunkt

Große Fortschritte in der Statistik seien meist durch eine neue Nachfrage der Nutzer entstanden, sagte Weidmann. In der jüngeren Vergangenheit habe die Finanzkrise dazu geführt, dass Nutzer neue Anforderungen an die Statistik gestellt haben. "Eine Lehre der Finanzkrise ist, dass stabile Verbraucherpreise nicht automatisch Finanzstabilität garantieren", sagte der Bundesbankpräsident. "Außerdem haben wir gelernt, dass nur weil einzelne Banken gut aufgestellt sind, wir nicht davon ausgehen können, dass das gesamte Bankensystem stabil ist." Risiken für die Stabilität des Systems könnten beispielsweise entstehen, wenn Banken zu groß oder zu verflochten sind, um zu scheitern. Kritisch könne es auch werden, wenn viele kleine Institutionen den gleichen Risiken ausgesetzt seien, sagte Weidmann.

Neben Mikrodaten, die sich auf Individuen beziehen, und Makrodaten, die aggregierte Daten von Gruppen beinhalten, seien in einer globalisierten Welt nun vor allem Statistiken nötig, die aufzeigen, welche Netzwerke zwischen Individuen, Institutionen und Sektoren bestehen, sagte Otmar Issing. Nach Ansicht des früheren Chefvolkswirts und Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB) stellt die Finanzkrise angesichts dieser neuen Anforderungen den größten Wendepunkt in der Geschichte der Statistik dar. In den Jahren danach haben die Zentralbanken und Aufsichtsbehörden neue Mandate und Instrumente erhalten, für die ein breiteres Set an Daten benötigt werde, sagte Issing. Über Nacht sei die Nachfrage nach granularen, also speziellen kleinteiligen Daten entstanden. Um finanzielle Verflechtungen beschreiben und aufdecken zu können, müssten beide Seiten einer finanziellen Beziehung beschrieben werden - "from-whom-to-whom". "Die Welt verändert sich rasend schnell und Statistiken sollen diese Veränderungen reflektieren", so Issing. 

Offizielle Statistik unersetzbar

In verschiedenen Panels diskutierten die Vertreter der Wissenschaft, der Statistik und der Politik, welche Datenquellen künftig genutzt werden können, um die steigende Nachfrage zu bedienen. Julia Lane von der New York University stellte am Beispiel der Stadt New York vor, wie man sogenannte "Big Data"-Anwendungen für die Forschung nutzbar machen kann. "Big Data" sind großvolumige Daten, die oft sehr zeitnah im Rahmen von Transaktionen oder webbasierter Kommunikation anfallen. Kritisch diskutierte das Publikum mit den Panelteilnehmern, inwiefern diese Datenquellen künftig die offizielle Statistik als Datenproduzent ergänzen könne. "Big Data" werde zunehmend auch für die Statistik interessant, sagte Stefan Bender, Leiter der Forschungsdaten- und Servicezentrums der Bundesbank. Allerdings seien diese Daten oftmals selektiv, unvollständig und fehlerbehaftet, warnte er. Sie könnten als zusätzliche Quelle genutzt werden, aber nicht offizielle Statistiken ersetzen. 

Um die gestiegenen Nutzeranforderungen bedienen zu können, werde es künftig immer wichtiger, Daten zu teilen, sagte Patrick McGuire von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Beispielsweise sei es wichtig, dass Aufsichtsbehörden, die die Aufsicht über einzelne Institute haben, Daten an Zentralbanken weitergeben, die Risiken für das gesamte Finanzsystem im Blick haben. Außerdem sollten beispielsweise internationale Organisationen eingeschränkten Zugriff auf Daten erhalten. Dies sei aber oftmals rechtlich schwierig.

Daten von Behörden nutzen

"Die Zeiten sind vorbei, in der Daten für eine Sache erhoben und nur für eine genutzt werden", sagte Walter Radermacher vom europäischen Statistikamt Eurostat. Für die sozialwissenschaftliche und ökonomische Forschung rief Luigi Guiso, Professor am Einaudi Institute for Economics and Finance in Italien, sogar ein neues Zeitalter aus - das Zeitalter der administrativen Daten. Er zeigte erfolgreiche Beispiele für mehrfache, gemeinsame Datennutzung, etwa in der Nutzung amtlicher Daten durch Statistik und Forschung in Skandinavien. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sei dies in anderen Ländern, wie Deutschland etwa, zum Teil recht schwierig. 

Die Panelteilnehmer waren sich darin einig, dass es mehr gemeinsame Standards für die Arbeit mit und an Statistiken geben müsse. Die internationale Gemeinschaft müsse gemeinsam eine standardisierte Vorgehensweise festlegen, wie Mikrodaten gesammelt werden sollen, sagte Patrick McGuire.

Als ein Modell für wissenschaftlich nutzbare Mikrodatensätze neuen Typs verwies Bundesbankpräsident Weidmann auf das deutsche Panel of Household Finance (PHF), ein Survey zum Vermögen privater Haushalte, das bruchlos in den europäischen Household Finance and Consumption Survey des Eurosystems eingebettet ist. Dieser Datensatz legt die in den Ländern der Eurozone sehr unterschiedliche Vermögensverteilung offen. Die detaillierten Informationen zu Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten legen Risiken für die finanzielle Stabilität und mögliche Liquiditätsbeschränkungen offen, ermöglichen ein besseres Verständnis der Kanäle für die monetäre Transmission und ermöglichen das Studium von Verteilungseffekten der Geldpolitik.

Radermacher unterstrich die Notwendigkeit, Statistiken international vergleichbar zu machen: "Jedes einzelne statistische Produkt muss einen internationalen Barcode erhalten - wie ein Produkt im Supermarkt." Für europäische Daten sei dies nun zum ersten Mal festgelegt worden, aber es sei ein langer Weg gewesen, sagte Radermacher.

Zugang für externe Wissenschaftler

Nicht nur das Teilen von Daten, auch eine gemeinsame Analyse sei aus Kosten-Nutzen-Sicht wichtig, sagte Claudia Buch, Vizepräsidentin der Bundesbank. Dadurch könne vermieden werden, die Befragten noch mehr zu belasten. Außerdem sei dies angesichts limitierter Kapazitäten der offiziellen Statistik notwendig. Sie ermunterte die Wissenschaft und externe Analysten, mehr mit den offiziellen Statistikproduzenten zusammenzuarbeiten. Genau hier setze das Forschungsdatenzentrum der Bundesbank an. Es gewähre externen Wissenschaftlern Zugang zu umfangreichen Mikrodaten, wie Stefan Bender aufzeigte.

"Wir müssen uns öffnen und erklären, was wir machen", forderte Buch die Teilnehmer auf. Die Bevölkerung sei oftmals skeptisch, wenn es um die Erhebung von Einzeldaten gehe. Wichtig sei, der Bevölkerung zu erklären, was man mit den Mikrodaten vorhabe, sagte Buch. Es gehe nicht darum, Informationen über eine einzelne Person zu erhalten. Vielmehr benötigten die Zentralbanken und Politiker anonymisierte Einzeldaten, um sie verdichten zu können und Aussagen über bestimmte Gruppen treffen zu können. Dies helfe, Risiken für die Finanzstabilität insgesamt besser identifizieren zu können, so Buch.