Nagel: „Aus geldpolitischer Sicht ist noch eine Wegstrecke zu gehen“

Bundesbankpräsident Joachim Nagel zufolge sollte die Europäische Zentralbank angesichts hoher Inflationsraten ihren Kurs der Zinserhöhungen fortsetzen. Aus geldpolitischer Sicht ist hier noch eine Wegstrecke zu gehen, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Christian Lindner im Rahmen der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington D.C. 

„Wir sehen ganz deutlich, dass die Kerninflationsrate, also bereinigt um Nahrungsmittel und Energiepreise, weiterhin sehr hoch ist”, so Nagel. Auf eine Größenordnung des Zinsschritts werde er sich aber nicht festlegen, sagte er. „Die Diskussion um Größenordnungen ist an der Stelle nicht hilfreich, weil die Informationslage noch ein wenig dünn ist.“ sagte Nagel. „Wir werden in Abhängigkeit der Daten in der Mai-Sitzung entscheiden.“ 

Die nächste EZB-Ratssitzung mit Zinsentscheid findet am 4. Mai statt. Die Inflation im Euroraum hatte im März bei 6,9 Prozent gelegen, hierzulande bei 7,4 Prozent. Nach Auffassung des EZB-Rats, dem auch der Bundesbankpräsident angehört, kann Preisstabilität aber am besten gewährleistet werden, wenn mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent angestrebt wird.

Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft sieht Nagel positiv. „Wir werden das Jahr 2023 insgesamt in Deutschland voraussichtlich mit einem leichten Wachstum abschließen“, sagte er.

Die Rolle der Bundesbank im IWF

IWF und Weltbank kommen turnusmäßig zu ihrer Frühjahrstagung in der US-Hauptstadt zusammen, um über weltwirtschaftliche Themen zu beraten. In diesem Jahr stehen unter anderem die weltweit hohen Inflationsraten, die Folgen des Klimawandels und die Turbulenzen im Bankensektor im Fokus. Übergeordnetes Ziel des IWF ist die Förderung der internationalen wirtschafts- und währungspolitischen Zusammenarbeit und der Stabilität des internationalen Währungssystems. Das Bundesministerium der Finanzen und die Bundesbank nehmen die Rechte und Pflichten Deutschlands im IWF gemeinsam wahr. Die Zuständigkeiten sind im deutschen IWF-Gesetz festgelegt.

Die Grundlagen für die Errichtung des IWF und der Weltbank wurden übrigens im Jahr 1944 auf einer UNO-Konferenz in Bretton Woods beschlossen. Deutschland ist dem Fonds 1952 beigetreten. Derzeit sind 190 Länder Mitglied.