Joachim Nagel hält eine Rede bei der Luwig-Erhard-Lecture in Berlin ©Mark Bollhorst

Nagel: Digitaler Wandel muss zum Wohlstandsmotor werden

Bundesbankpräsident Joachim Nagel zufolge könnten von der Digitalisierung noch erhebliche Impulse für Wachstum und Wohlstand ausgehen. Diese Chancen gelte es zu nutzen. Der digitale Wandel muss zum Wohlstandsmotor werden, sagte er bei der Ludwig-Erhard-Lecture der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in Berlin. Gelingen kann dies, wenn die digitale Transformation mit Offenheit für neue Ideen und Raum für innovative Lösungen angegangen wird, so Nagel mit Blick auf die Chancen, die durch die Nutzung neuer digitaler Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) entstehen. Hierzu müssten innovationsfreudige Unternehmerinnen und Unternehmer und ein Staat, der ihnen den passenden Rahmen setze, zusammenkommen. Es gebe eine Reihe von Stellschrauben, an denen gedreht werden könne, um das Umfeld attraktiver zu machen. Dazu gehörten eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur und eine innovationsfreundliche Regulierung. Klare Regeln für die Nutzung von Daten und KI-Systemen sowie ein besserer Zugang zu Daten zu Forschungszwecken seien hierfür bedeutend, so Nagel. 

 Marktmacht großer Tech-Player könnte zunehmen

Joachim Nagel betonte zudem die Wichtigkeit eines geeigneten Ordnungsrahmens für funktionierenden Wettbewerb. Er muss wirtschaftliche Macht begrenzen und den Missbrauch von Marktmacht verhindern, sagte er. In der digitalen Ökonomie ergeben sich hierbei neue Herausforderungen. So gebe es einerseits zahllose kleine Start-ups und massiven Wettbewerb, andererseits aber die großen Plattformen der „BigTechs“. Durch KI könnte die Marktmacht der großen Player sogar noch zunehmen, sagte Nagel. So verfügten die etablierten Unternehmen über die notwendige Rechenleistung, um mittels KI Daten zu verarbeiten und auf neue Weise zu verknüpfen. Zudem seien sie in Besitz großer Datenbestände, mit denen sie KI-Modelle trainieren und auf ihre Kundengruppen zuschneiden könnten. Politik und Wettbewerbshüter müssen hier besonders wachsam sein, sagte Nagel. Es sei vor allem wichtig, die Barrieren zum Markteintritt niedrig zu halten. 

Digitaler Euro ist logischer Schritt

Zudem sollen Nagel zufolge die digitalen Kompetenzen der Menschen gefördert werden. Weil in vielen Berufen einzelne Tätigkeiten nun automatisiert werden könnten, dürfte KI viele Berufsbilder verändern. Damit der Wandel vor allem als Chance und nicht als Bedrohung empfunden werde, seien Bildung und Offenheit für Neues zentral. Der Staat solle die Digitalisierung aber auch nutzen, um selbst effizienter und leistungsfähiger zu werden, so Nagel weiter. Konsequent digitalisierte Verwaltungsprozesse könnten sich ihm zufolge doppelt auszahlen. Durch einfachere Kommunikation und besser vernetzte Behörden könnte der Aufwand sowohl der Verwaltung als auch der Unternehmen sinken, so Nagel. Die Bundesbank übernehme als Zentralbank ihren Part und setze sich dafür ein, dass die Chancen der Digitalisierung im Zahlungsverkehr genutzt werden können. Den digitalen Euro halte er in diesem Rahmen für einen wichtigen und logischen Schritt. 

Risiken für die Inflation

Bei seiner Rede ging der Bundesbankpräsident zudem auf die aktuelle Geldpolitik im Euroraum ein. Unsere straffe Geldpolitik wirkt, aber wir dürfen nicht zu früh nachlassen, sagte er. Vielmehr müssten die Leitzinsen nun ausreichend lange auf einem ausreichend hohen Niveau liegen. Ob die Zinsen schon ihren Hochpunkt erreicht haben, lasse sich noch nicht sagen. Der EZB-Rat werde weiterhin strikt datenabhängig entscheiden. Für die Inflation bestünden derzeit verschiedene Aufwärtsrisiken. So könnten die geopolitischen Spannungen in Nahost die Energiepreise nach oben treiben und die mittelfristigen Aussichten unsicherer machen. Unser geldpolitischer Kurs muss sicherstellen, dass die Inflation auf 2 Prozent zurückkehrt, sagte Nagel abschließend.