Schäuble: Euro bleibt Kern der europäischen Finanz­architektur

Wolfgang Schäuble bei der CFS Presidential Lecture ©Center for Financial Studies
Dr. Wolfgang Schäuble bei der CFS Presidential Lecture
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat bei einer Rede an der Goethe-Universität Frankfurt seine Sicht auf die Zukunft von Europas Finanzarchitektur dargestellt. "Der Kern der europäischen Finanzarchitektur ist und bleibt die gemeinsame Währung", sagte Schäuble vor mehreren hundert Gästen des Center for Financial Studies (CFS). Sie werde sich weiterentwickeln, stabil bleiben und Krisen immer wieder überwinden. 

Die Finanzmarktkrise hat laut Schäuble für die EU und insbesondere den Euro-Raum einen gewaltigen Integrationsschub mit sich gebracht. Das Ziel vielfältiger struktureller Veränderungen sei gewesen, die Finanzmärkte stabiler und krisenfester zu machen, den Teufelskreis zwischen Bankschulden und Staatsschulden zu durchbrechen sowie Risiko und Haftung stärker zusammenzuführen. Die zahlreichen Richtlinien und Verordnungen, mit denen vor allem Vereinbarungen des Baseler Ausschusses umgesetzt worden seien, könne man quasi als "Grundgesetzbuch der Banken" ansehen, so Schäuble. 

Auch die neu geschaffene europäische Bankenunion sei ein Beispiel der stärkeren Integration. Aus seiner Sicht sei es richtig gewesen, nicht nur die gemeinsame Bankenaufsicht, sondern auch den einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus mitsamt dem Abwicklungsfonds unabhängig zu gestalten und nicht der Europäischen Kommission zu unterstellen. 

Skeptisch äußerte sich der Bundesfinanzminister zu einer Risikoteilung durch eine gemeinschaftliche Einlagensicherung. Es wäre "völlig falsch, jetzt den nächsten Schritt mit der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung zu machen", sagte er. Bevor die Haftung vergemeinschaftet würde, müssten zunächst die Risiken reduziert werden, so Schäuble. 

Staatsanleihen risikogewichten

Das Ziel der Bankenunion sei eine schwächere Verknüpfung von Risiken aus der öffentlichen Verschuldung und des Finanzsektors, erläuterte Schäuble. Staatsanleihen in den Bankenbilanzen sollten daher nach seiner Auffassung künftig risikogewichtet werden. Bisher gelten Staatsanleihen bei der Bilanzierung als risikofrei, weshalb Banken sie nicht zur Absicherung mit entsprechendem Eigenkapital unterlegen müssen. Die Bundesbank hatte wiederholt gefordert, diese Praxis zu beenden. Schäuble sprach sich in seiner Rede außerdem dafür aus, sogenannte Klumpenrisiken durch Staatsanleihen in Bankbilanzen zu reduzieren. Diese Risiken entstehen durch oftmals hohe Bestände an einzelnen Staatsanleihen, vor allem des eigenen Heimatlandes. 

Schäuble ging in seiner Rede auch auf das richtige Maß von Regulierung ein. So sieht er die Finanzmarktregulierung im Dilemma, Unbekanntes nicht vorwegnehmen zu können und daher der Wirklichkeit hinterherzueilen. "Für jede Regulierung ist die Lücke zum Umgehen schon gefunden, bevor wir die Regulierung auch nur im Entwurf formuliert haben", sagte Schäuble. Wichtig sei es, aus Erfahrungen zu lernen: "Wir haben in der Finanzmarktkrise gelernt, dass Märkte ohne Regulierung nicht funktionieren." 

Konkret äußerte sich Schäuble zur Regulierung kleinerer Institute, vor allem von Sparkassen und Raiffeisenbanken. "In Europa wächst die Einsicht, dass wir nicht alle Banken über den gleichen Leisten scheren müssen", so der Bundesfinanzminister. Kleinere Banken müssten nicht mit der vollen Regulierungslast überzogen werden. 

Zweitbeste Lösung

Geringe Chancen räumte Schäuble einer Änderung der europäischen Verträge ein, um damit die Finanzmarktarchitektur gemeinschaftlich in allen 28 EU-Staaten weiterzuentwickeln. Die Bereitschaft dazu sei sehr gering. Die Anforderungen an Vertragsänderungen, die nur durch Einstimmigkeit und nationale Ratifizierung in vielen Ländern mit Referenden ist, seien unglaublich hoch. "Wir können die Lösung dringender Probleme nicht auf die lange Bank schieben, bis wir diese Vertragsänderung haben", stellte Schäuble fest. Die jetzige Praxis insbesondere im Bereich der Bankenunion, in hohem Maße mit Vereinbarungen zwischen einzelnen Staaten zu arbeiten, sei laut Schäuble für alle gelernten und überzeugten Europapolitiker eigentlich Teufelszeug, weil es nicht institutionell und gemeinschaftlich ist.  "Das ist 'second-best', aber 'second-best' ist manchmal 'better than nothing'", so der Bundesfinanzminister. 

"Ganz neue Anforderungen" 

Kritisch äußerte sich Schäuble zur ultralockeren Geldpolitik im Euro-Raum, die nach seinen Worten "ganz neue Anforderungen an Bankenaufsicht und Bankenregulierung stellt". Angesichts langfristiger Niedrigzinserwartungen sei klar, dass Banken in stärkerem Maße in risikoaffine Geschäftsfelder gingen, sagte Schäuble. Dies werde in zunehmendem Maße auch bei Versicherungen ein Thema, so der Bundesfinanzminister. Die Europäische Zentralbank (EZB) trägt aus seiner Sicht "zu sehr die Last dieser Komplexität einer Währungsunion ohne eine Finanz- und Wirtschaftsunion". Um diese Last zu verringern, sollten die Regierungen in Europa mehr tun, so Schäuble.