Weidmann: Ausufern der Staatsschulden begrenzen

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat für Reformschritte im Euro-Raum geworben, mit denen die Währungsunion stabiler werden soll. Dringend notwendig seien wirksame Grenzen für die Staatsverschuldung, sagte er beim Institut Ökonomie der Zukunft in Karlsruhe. Nötig seien nachvollziehbare Haushaltsregeln, die konsequent angewendet werden müssten. Die Bindungswirkung von Haushaltsregeln sei jedoch "so schwach wie nie zuvor", sagte Weidmann.

"Die Defizitquoten der Länder werden in den nächsten Jahren zwar leicht sinken, dabei überdecken aber die sich allmählich verbessernde Wirtschaftslage und die sehr günstigen Finanzierungsbedingungen eine fiskalische Lockerung in den Euro-Ländern", so Weidmann. Auch im Jahr 2018 würden drei Viertel aller Euro-Raum-Länder voraussichtlich noch weit entfernt sein von einer soliden Haushaltsposition. "Fiskalische Konsolidierung sieht anders aus", sagte der Bundesbankpräsident.

Gemeinsame Kontrolle

Auch die Neigung der Mitgliedstaaten, Souveränitätsrechte an die europäische Ebene abzutreten, bleibt nach Weidmanns Einschätzung gering. So sei beim informellen Treffen der EU-Finanzminister und Notenbankgouverneure in Bratislava beispielsweise eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung und ein europäischer Investitionsfonds erörtert worden. Zu einer echten gemeinsamen Kontrolle hätten die Vorschläge jedoch nur wenig Konkretes enthalten.

Ohne eine weitere politische Integration bleibt Weidmann zufolge nur der dezentrale Ansatz des Maastricht-Rahmens, um die Währungsunion weiterzuentwickeln. In seiner Rede erläuterte er Reformschritte, die aus seiner Sicht nötig sind, damit Fehlentwicklungen in einem Teil der Währungsunion nicht die Stabilität des Ganzen in Gefahr bringen können.

Staatsinsolvenz als letztes Mittel

"Als Ultima Ratio muss es künftig möglich sein, dass überschuldete Staaten zahlungsunfähig werden können, ohne dass das Finanzsystem dadurch in die Knie geht und die Staatengemeinschaft deshalb einspringen muss", so Weidmann. Er rechnet damit, dass so die Kapitalmärkte in Zukunft ihre disziplinierende Funktion für die Fiskalpolitik besser wahrnehmen könnten.

Damit eine Restrukturierung von Staatsschulden nicht stabilitätsgefährdend wirkt, müssen Weidmann zufolge Banken ausreichend Kapital vorhalten, um etwaige Verluste aus Staatsanleihen zu verkraften. Zudem sollten sie künftig nicht mehr unbegrenzt Staatsanleihen kaufen dürften.

Darüber hinaus erläuterte Weidmann den Vorschlag der Bundesbank, die Laufzeit von Staatsanleihen von Euro-Mitgliedstaaten künftig automatisch um drei Jahre verlängern, wenn der Mitgliedstaat einen Hilfsantrag beim Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM beantragt. Ein Programmland tilge mit Mitteln des ESM auch fällige Anleihen. Wenn sich nach einem Hilfsprogramm herausstelle, dass die Schulden immer noch zu hoch seien, ginge ein dann notwendiger Schuldenschnitt nicht auf Kosten der ursprünglichen Gläubiger, sondern auf Kosten der europäischen Steuerzahler. Das fördert nicht gerade die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, einer Schuldenrestrukturierung zuzustimmen, wie Weidmann erläuterte. "Anstelle einer wirklich tragfähigen Lösung siegt im Zweifel die Strategie des sich Durchwurstelns", sagte er. Eine automatische Verlängerung der Laufzeiten würde gewährleisten, dass die Gläubiger in der Haftung blieben.

Eurosystem nicht in die Bredouille bringen

Weidmann ging in seiner Rede auch auf den aktuellen geldpolitischen Kurs des Eurosystems ein. Die neuesten EZB-Projektionen zeigten, dass sich die wirtschaftliche Erholung im Euro-Raum trotz der Brexit-Entscheidung weiter fortsetzen werde. Das Wachstum werde zwar nur vergleichsweise gedämpft sein, der Preisdruck werde jedoch allmählich zunehmen, sagte Weidmann. "Dazu trägt zweifellos auch die expansive Geldpolitik bei", sagte er weiter. Während die Wirkung dieser Politik jedoch abnehme, je länger sie anhalte, nähmen Risiken und Nebenwirkungen zu.

Besonders problematisch sind Weidmann zufolge die Nebenwirkungen der Staatsanleihekäufe, da mit ihnen die Grenze zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik verwischt werde. Dies gelte insbesondere für Maßnahmen, die gezielt die Situation in einzelnen Mitgliedstaaten zu verbessern versuchen. Dies könne zu einer Umverteilung fiskalischer Risiken über die Notenbankbilanzen führen, für die Notenbanken nicht legitimiert seien, erläuterte er.

Das gegenwärtige Staatsanleihekaufprogramm sehe keinen gezielten Ankauf von Anleihen einzelner Krisenstaaten vor. Alle Notenbanken kauften entsprechend der Größe ihres Landes ausschließlich Papiere ihres Staates. "Bei diesen Eckwerten des bestehenden Programms sollten wir auch bleiben, um das Eurosystem nicht in die Bredouille zu bringen", unterstrich der Bundesbankpräsident.

Weidmann sprach sich zudem dagegen aus, das Inflationsziel des EZB-Rats von unter, aber nahe 2 % zu verändern. "Es gibt gute Gründe dafür, Forderungen nach einer Erhöhung der angestrebten Inflationsrate nicht nachzugeben", sagte er. Die wissenschaftliche Literatur zur Frage der optimalen Höhe der Inflationsrate zeige aus seiner Sicht vor allem den hohen Grad an Unsicherheit, der mit solchen Schätzungen verbunden sei. Die angestrebte Inflationsrate müsse auch nicht jederzeit, sondern ausdrücklich auf mittlere Frist erreicht werden. Mittelfristig heiße in diesem Zusammenhang nicht "irgendwann in ferner Zukunft", es heiße aber auch nicht "so schnell wie möglich und um jeden Preis", so Weidmann.