Bargeld in Deutschland: Gegenwart und Zukunft Gastbeitrag in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen

Wer am 24. Mai 2022 Bargeld mit sich führte, konnte sich glücklich schätzen. Der Ausfall vieler Kartenzahlungsterminals im deutschen Einzelhandel lies auch Bürgerinnen und Bürger, die üblicherweise mit Karte zahlen, Banknoten und Münzen zücken oder den nächsten Geldausgabeautomaten aufsuchen. Auch die betroffenen Händler dürften froh gewesen sein, wenn sie ausreichend Wechselgeld in der Kasse hatten. Solche Störungen demonstrieren eindrücklich, dass Bargeld nach wie vor nicht aus dem Zahlungsverkehr wegzudenken ist.

Zahlungsverhalten in Deutschland 2021

Das zeigt auch der Blick in die Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger, den die Bundesbank schon zum sechsten Mal mit ihrer Zahlungsverhaltensstudie geworfen hat.[1] Für die Studie gaben im Herbst 2021 beinahe 6 000 Befragte telefonisch Auskunft über Ihre Einstellungen und Verhaltensweisen zu Bargeld und anderen Zahlungsmitteln. Mehr als 4 100 Befragte haben daraufhin in Zahlungstagebüchern festgehalten, wo sie eingekauft, wieviel sie dabei gezahlt und welches Zahlungsmittel sie genutzt haben.

Den Ergebnissen zufolge bleibt Bargeld ein fester Bestandteil im Zahlungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger: Durchschnittlich haben sie 100 Euro im Portemonnaie sowie weitaus höhere Beträge als Reserve zu Hause. Seit vielen Jahren ist die durchschnittliche Höhe der Geldbestände in den Portemonnaies nahezu gleichgeblieben. Auch diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die nach eigenen Aussagen für Zahlungen bevorzugt zur Karte greifen, haben durchschnittlich noch 77 Euro im Portemonnaie. Eine durchaus sinnvolle Gewohnheit, wie sich Ende Mai zeigte.

Bargeld war zudem im Jahr 2021 nach wie vor das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel der Deutschen. 58 Prozent der im Tagebuch der Befragten notierten Transaktionen und rund 30 Prozent der aufgezeichneten Umsätze entfielen auf Bargeld. Bargeld hat somit weiterhin einen festen Platz im Wirtschaftsleben in Deutschland.

Pandemiebedingte Einbußen

Die Nutzung von Bargeld im Vergleich zu anderen Zahlungsmitteln ist jedoch rückläufig, ein Trend der sich in der Pandemie zumindest vorübergehend noch verstärkt hat. Im Vergleich zur Vorgängerstudie aus dem Jahr 2017 ist der Barzahlungsanteil gemessen an der Anzahl der Transaktionen in den vergangenen vier Jahren um 16 Prozentpunkte zurückgegangen; gemessen am Umsatz beträgt der Rückgang 18 Prozentpunkte. Ein großer Teil dieses Rückgangs dürfte auf die beiden Pandemiejahre 2020 und 2021 entfallen.

Die zunehmende Zahl an Internetkäufen, die pandemiebedingten Aufforderungen der Händler zur Nutzung unbarer Zahlungsmittel und die vereinfachte Nutzung kontaktloser Zahlungen sind mitverantwortlich.

Auch wenn weiterhin der größte Teil der in der Studie erfassten Ausgaben auf den Einzelhandel für den täglichen Bedarf entfällt – also auf Supermärkte und Drogerien, haben Onlinekäufe seit 2017 stark zugenommen. Den Aufzeichnungen der Befragten folgend stieg der Umsatz im Onlinehandel um 18 Prozentpunkte, sodass mittlerweile 24 Prozent des in der Studie erfassten Gesamtumsatzes auf den E-Commerce entfällt. Durch diese Entwicklung sinkt der Barzahlungsanteil natürlich zwangsläufig, denn bis auf wenige Ausnahmen ist die Barzahlung im Internet nicht möglich.

Doch auch im stationären Handel zeigen sich die Auswirkungen der Pandemie. Fast 39 Prozent der Befragten gaben an, seit Beginn der Pandemie seltener Bargeld zu nutzen. Gefragt nach den Gründen werden hier vor allem die Aufforderungen der Händler genannt, auf unbare und kontaktlose Zahlungsmittel zurückzugreifen.

Diesen Wünschen sind nach eigenen Angaben 76 Prozent der Bürgerinnen und Bürger mit geändertem Verhalten nachgekommen. Der als Grund für diese Aufforderung oft herangezogene Verweis auf eine Infektionsgefahr lässt sich dabei als gegenstandslos zurückweisen.

Mittlerweile ist bekannt, dass eine Corona-Ansteckung über Oberflächenkontakte mit Banknoten und Münzen sehr unwahrscheinlich ist.[2] Doch noch immer bitten Händler an vielen Kassen um bargeldloses Zahlen.

Zudem finden 69 Prozent der Befragten, dass elektronische Bezahlverfahren einfacher geworden sind. Gerade die inzwischen überall verfügbare Kontaktlosfunktion beim Bezahlen mit Karte erleichtert bei sonst häufig mit Bargeld bezahlten kleinen Beträgen die Kartenzahlung.

Auch an dieser Entwicklung ist die Corona-Pandemie nicht ganz unschuldig: Zum einen haben gerade kleinere Händler entsprechend die Infrastruktur für (kontaktlose) Kartenzahlungen aufgebaut und zum anderen haben die Anbieter das Limit, bis zu welchem Kontaktloszahlungen möglich sind, erhöht.

Belebte Bargeldnachfrage durch „New normal“

Wie entwickelt sich die Bargeldnachfrage nach der Pandemie? Noch ist es für eine abschließende Antwort auf diese Frage zu früh. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass sich der drastische pandemiebedingte Wandel in den Zahlungsgewohnheiten nicht fortsetzt.

Restaurants, Bars und Clubs waren in den vergangenen zwei Jahren über längere Zeiträume hinweg immer wieder geschlossen und viele Freizeitaktivitäten waren nicht möglich. Gerade dort wurde aber in Vorpandemiezeiten vor allem mit Bargeld gezahlt. Wenn mit Abebben der Pandemie die Jahrmärkte und Volksfeste, Restaurants und Freizeitparks wieder ihre Tore und Türen öffnen, erwartet die Bundesbank wieder häufigere Barzahlungen.

Und auch die Rückkehr in die Geschäfte vor Ort, die während der Lockdowns teilweise schließen mussten, wird den Barzahlungsanteil wieder steigen lassen. Immerhin will laut Zahlungsverhaltensstudie die Hälfte derjenigen, die seit der Corona-Pandemie vermehrt im Internet einkaufen, nach Ende der Pandemie wieder häufiger den stationären Handel aufsuchen. Dort gibt es dann auch wieder die Option bar zu bezahlen.

Erste Anzeichen für eine Erholung der Bargeldnachfrage gibt es bereits. So lassen Analysen erkennen, dass die Ein- und Auszahlungen von Bargeld bei der Bundesbank für das Jahr 2022 nach den deutlichen Rückgängen während der Corona-Pandemie wieder anziehen. Auch im Zusammenhang mit den Störungen bei Kartenzahlungen kam es zu einer Belebung der Bargeldnachfrage. Diese Entwicklung unterstreicht erneut die Bedeutung des Bargelds als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel auch in Not- und Krisenfällen.

Bargeld: zukunftsfähig durch viele Vorteile

Bürgerinnen und Bürger in Deutschland benutzen in der Gegenwart Bargeld ganz selbstverständlich neben anderen Zahlungsmitteln – und das gilt sicher auch in Zukunft. In der Zahlungsverhaltensstudie gibt dementsprechend die Mehrheit der Befragten (69 Prozent) an, dass die Möglichkeit, Bargeld zu nutzen, für sie (sehr) wichtig ist.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Bargeld bietet viele Vorteile, die andere Zahlungsmittel nicht in vollem Umfang auf sich vereinen können.

Bargeld ermöglicht als einziges Zahlungsmittel die wirtschaftliche Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger unabhängig davon, ob sie ein Bankkonto besitzen oder nicht. Dazu zählen unter anderem auch Kinder, für die Bargeld meist der erste und zeitweise auch einzige Weg ist, am Wirtschaftsleben teilzunehmen und den Umgang mit Geld zu erlernen. Mit Bargeld sind alle Personengruppen zahlungsfähig und können somit am gesellschaftlichen Leben teilhaben.

Bargeld wahrt die Privatsphäre seiner Nutzer. Daten werden als das neue Gold angepriesen, doch dies trifft unter Umständen hauptsächlich für die Empfänger dieser Daten zu. Zugegebenermaßen kann die digitale Nachverfolgung von Transaktionen illegale Geldwäsche-, Betrugs- oder Steuerhinterziehungsaktivitäten erschweren, wenngleich nicht gänzlich verhindern.

Doch erst einmal hat die redliche Mehrheit der Bargeldnutzer ein berechtigtes Interesse daran, im persönlichen Lebensbereich privat bezahlen zu können und nicht immer gläserner zu werden. In der Zahlungsverhaltensstudie bezeichnen 55 Prozent der Befragten den Schutz der Privatsphäre als wichtigen Vorteil von Bargeld. Und insbesondere Personengruppen, die eigentlich eine höhere Affinität gegenüber digitalen Lösungen aufweisen – jüngere Personen zwischen 18 und 44 Jahren und Personen mit hohem Einkommen – nennen den Schutz der Privatsphäre überdurchschnittlich häufig als wesentlichen Vorteil von Bargeld gegenüber unbaren Zahlungsmitteln. Mit zunehmender Nutzung datengetriebener digitaler Anwendungen wird dieser Aspekt in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen.

Gerade Personen mit eher geringem Einkommen und laut Selbstauskunft eher schlechter finanzieller Situation sehen im Bargeld einen weiteren wichtigen Vorteil: Es bietet ihnen einen guten Ausgabenüberblick.

Bei Einkäufen kann nur so viel ausgegeben werden, wie Bargeld im Portemonnaie vorhanden ist.

Und nicht zuletzt ist Bargeld als einziges physisches Zahlungsmittel unabhängig von zwischengeschalteten Akteuren und technischer Infrastruktur. Wie zuletzt die Störungen der Kartenterminals zeigten, ist es somit auch in Notfall- und Krisensituationen einsetzbar. Es vermittelt die Sicherheit unabhängig der infrastrukturellen Gegebenheiten jederzeit zahlungsfähig und somit auch handlungsfähig zu sein.

Erhalt des Bargelds als gesamtgesellschaftliche Aufgabe Es gibt also gute Gründe, als Gesellschaft auch zukünftig auf das Bargeld zu setzen.

Damit Bargeld seine Vorteile auch weiterhin ausspielen kann, muss jedoch eine entsprechende Infrastruktur nicht nur vorhanden sein, sondern auch gepflegt und zukunftsfähig gehalten werden.

Deutschland besitzt eine sehr gute Bargeldinfrastruktur und der nächste Bargeldbezugspunkt für die Bürgerinnen und Bürger ist durchschnittlich in nur etwa 10 Minuten zu erreichen. Das ist aber kein Grund sich zurückzulehnen.

Sollten sich Geschäftsbanken immer mehr aus dem Bargeldkreislauf zurückziehen und Filialen schließen, ist die flächendeckende Bargeldversorgung gefährdet. Hier ist es wichtig, zumindest über Geldausgabeautomaten weiterhin die Möglichkeit zum Bargeldbezug vor Ort zu erhalten.

Die Bundesbank setzt sich dafür ein, dass jede Bürgerin und jeder Bürger frei wählen kann, welches Zahlungsmittel bei welchem Zweck genutzt wird. Die Bundesbank bevorzugt kein Zahlungsmittel gegenüber einem anderen. Doch nur die Verfügbarkeit von Bargeld durch eine angemessene Bargeldinfrastruktur sichert diese Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger.

Mit der Bereitstellung und Bearbeitung von Bargeld in den eigenen Filialen ist die Bundesbank als staatliche Institution ein wichtiger Teil dieser Bargeldinfrastruktur. Außerdem beobachtet die Bundesbank fortlaufend und aktiv, welche Maßnahmen jetzt und zukünftig nötig sind, um Bargeld als allgemein anerkanntes und akzeptiertes, attraktives, wettbewerbsfähiges und verlässliches Zahlungsmittel zu bewahren.

Doch nicht nur die Bundesbank ist gefragt, wenn es um die Zukunft des Bargelds geht. Auch privatwirtschaftliche Akteure wie Geschäftsbanken und Wertdienstleister müssen dafür sorgen, dass das Bargeld bei Handel und Verbrauchern ankommt und verwendet werden kann. Von deren Entscheidungen und Präferenzen hängt es dann am Ende ab, wie häufig die verschiedenen Zahlungsmittel genutzt werden. Somit kommt letztendlich jeder und jedem Einzelnen in der Gesellschaft ein Stück Verantwortung zu, Bargeld als gesellschaftliches Gut auch zukünftig zu erhalten.

Fußnoten:

  1. Seit 2008 führt die Deutsche Bundesbank detaillierte Studien zum Zahlungsverhalten in Deutschland durch. Die Studien können auf der Homepage der Bundesbank abgerufen werden: https://bundesbank.de/zahlungsverhalten
  2. Tamele et al., 2021: Catch me (if you can): assessing the risk of SARSCoV2 transmission via euro cash. ECB Occasional Paper Series No 259.