Das Streben nach Stabilität und Standardisierung – Zahlungsmittel als wesentliches Element der Souveränitätsausübung deutscher Herrscher Gastbeitrag in den „Archivnachrichten – Landesarchiv Baden-Württemberg“

Geld ist ein eminent soziales Phänomen. Es erleichtert das Zusammenleben der Menschen in Gemeinschaften, indem es gegenüber der Tauschwirtschaft massiv die Transaktionskosten senkt. Diesen Zusammenhang hat erstmals bereits Aristoteles im 4. Jahrhundert vor Christus in der Nikomachischen Ethik beschrieben: Der Bäcker, der mit seinen Brötchen ein Paar Schuhe bezahlen möchte, wird selbst mit einem Schuster, der Brötchen braucht, nicht unmittelbar handelseinig, weil die Produkte einen viel zu unterschiedlichen Wert haben. Hier kommt das Geld ins Spiel. Es macht den Wert der Güter genau zähl- und messbar. Es wird nicht nur von den beiden Handelspartnern im Beispiel als Tauschmittel anerkannt. Und es vermag Werte langfristig aufzubewahren – im Gegensatz etwa zu vergänglichen Lebensmitteln.

Aus diesem Grund ist der Monetarisierungsgrad (im historischen Sinne als Ausmaß der Nutzung von Geld im Zahlungsverkehr) eine sinnvolle Dimension für die Messung des sozialen Zusammenhalts einer Gemeinschaft. Im Mittelalter erhalten neugegründete Städte deshalb das Marktrecht. Mit dem Marktrecht werden gemeinhin das Recht zur Erhebung von Zoll und die Erlaubnis zur Prägung eigener Münzen verliehen. Diese Trias erst ermöglicht, dass Stadtluft frei macht. Geschützt und abgegrenzt von den Stadtmauern entsteht ein Rechtsbezirk, der durch Zölle finanziert wird und durch die Definition einer einheitlichen Währung den Handel maßgeblich erleichtert.

Monetarisierung spielt noch in einem anderen Zusammenhang eine wichtige Rolle, nämlich bei der Staatsschuld. In diesem Zusammenhang ist der Begriff vor allem bei Ökonomen geläufig. Kauft eine Notenbank direkt Staatsanleihen an, werden Schulden monetarisiert. Das Prinzip ist alles andere als neu. Aristoteles kannte es ebenfalls bereits und erlaubte dem Herrscher ausdrücklich, den Wert des Geldes zu ändern, weil es dem Herrscher gehöre. Die biblische Entsprechung dieses Geldverständnisses lautet „gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“. Dass nicht das aufgeprägte Bildnis auf den Münzen verrät, wem diese am Ende gehören, zeigte erst im 14. Jahrhundert nach Christus der französische Gelehrte Nicolas Oresme. Ihm war bei der Übersetzung und Kommentierung der Werke des Aristoteles aufgefallen, dass sich in dessen Argumentation ein logischer Fehler eingeschlichen hatte. Sollte das Geld stabil sein, widersprach das grundlegend der Annahme, dass der Herrscher es nach Belieben in seinem Wert verändern könne. Oresme argumentierte dagegen, dass das Geld demjenigen gehöre, der es durch Tausch gegen seine Arbeit oder Dienstleistungen erworben habe. Letztlich war damit die Gesellschaft insgesamt der Besitzer des Geldes und der Herrscher gewissermaßen nur noch als Dienstleister für die Versorgung mit Geld zuständig, wofür ihm eine angemessene, jedoch nicht zu hohe finanzielle Kompensation aus dem Münzgewinn zustand.

In deutschen Landen übernahm erstmals im 15. Jahrhundert der Tübinger Theologe Gabriel Biel diese Argumentation Oresmes, stellte aber ebenfalls einen Bezug zu der geldpolitischen Realität seiner Gegenwart her. Diese unterschied sich mit ihren zahlreichen münzprägenden Einzelherrschaften ganz maßgeblich von dem bereits weitgehend zentralisierten Frankreich. Die Ausgabe eigener Münzen hatte deshalb umso größere Bedeutung für die deutschen Herrscher, die mit den Geprägen ihre eigene Macht dokumentierten – und nicht selten die Münzverschlechterung als Mittel der Herrschaftsfinanzierung nutzten, wobei der auf stabiles Geld bezogene Teil der theoretischen Überlegungen Oresmes und Biels immer wieder in Vergessenheit geriet.

Der sächsische Verfassungsrechtler Samuel von Pufendorf beschrieb im 17. Jahrhundert deshalb in seinem zunächst unter Pseudonym veröffentlichen Werk De statu imperii Germanici schlechtes Geld als offenkundiges Symptom eines gebrechlichen Staatswesens. Die vielfältigen Gegensätze, von denen das Reich zerrissen wurde, sah Pufendorf unter anderem in dem „Wohlstand der durch den Handel reich gewordenen Städte“ begründet, die den „Neid der Fürsten“ erregten, „zumal er teilweise aus ihren Ländern den Städten zugeflossen ist“. Auch die gegensätzlichen Lebensformen trugen zu der Zerrissenheit bei: „Der Adel verachtet die Bürger, die oft nicht weniger stolz auf ihr Geld sind als jener auf seine Ahnen oder verarmten Besitzungen.“ Die Münzen selbst reflektierten in Pufendorfs Sicht die zwei Übel einer „schlecht eingerichteten Monarchie“ und eines „ungeordneten Staatenbundes“: „Nicht weniger Unannehmlichkeit bereitet dem Handel und der Verwaltung privaten Vermögens die Vielfalt des Geldes in Deutschland“. Sarkastisch fügt er hinzu, dass „die Bescheidenheit der Münzen selbst Anerkennung verdient; denn die Scham vor ihrer Dünnheit zeigen sie offen an ihrer Farbe.“ Tatsächlich versuchte man seinerzeit, durch Weißsieden das wenige Silber in den Münzen an deren Oberfläche anzureichern, doch durch Abnutzung verloren die Stücke diese Farbe schnell.

Die Problematik der vielen verschiedenen Währungen verschlimmerte sich in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts sogar noch. Der Staatsrechtler Johann Ludwig Klüber fasste in seiner 1828 erschienenen Schrift über „Das Münzwesen in Teutschland“ die Probleme in folgende Worte: „Der durch die Auflösung der Reichsverbindung erlangten vollen Souverainität sich bewußt, kann jetzt auch der kleinste teutsche Staat seine Münzunabhängigkeit, ganz nach eigener Einsicht und Willkühr, in ihrem vollen Umfang geltend machen.“ Die Entscheidung über die Prägung unterschiedlicher Münzsorten, die Wahl des Prägemetalls, den Anteil der Kleinmünzen, das Münzbild und den Münzgewinn hingen somit „von der freiesten Willkühr“ der souveränen Herrscher ab.

Nachdem zuletzt Karl der Große Ende des 8. Jahrhunderts mit seinen Münzreformen ein einheitliches Münzwesen im Fränkischen Reich etabliert hatte, kam es nach langem Streben nach Stabilität und Standardisierung – vornehmlich im Rahmen der Reichsmünzordnungen des 16. Jahrhunderts, den Vereinbarungen von Zinna 1667 und Leipzig 1687, die 1750 durch den Graumannschen 14-Taler-Fuß ersetzt wurden, sowie den Münzverträgen von München (1837), Dresden (1838) und Wien (1857) – erst 1871 mit der Einführung der Mark zur langersehnten Währungseinheit. Baden und Württemberg behielten damals allerdings weiterhin ihre jeweiligen Münzstätten in Stuttgart und in Karlsruhe, die nunmehr zur Prägung des gemeinschaftlichen Geldes beitrugen. Das ist bis heute so geblieben und zeugt auf diese Weise noch immer von der historischen Währungszersplitterung.

Uneinheitliches Geld von bisweilen schlechtem Wert hatte für die Menschen handgreifliche Folgen im Alltagsleben. Reproba pecunia non liberat solventem, hieß es bereits in den Digesten Kaiser Justinians aus dem 6. nachchristlichen Jahrhundert. Schlechtes Geld befreit den Zahlenden also nicht von seiner Zahlungsverpflichtung. Doch woher sollte man wissen, welches Geld nun umlauffähig war, möglicherweise aber auch schlecht? Heutzutage regelt § 14 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, dass „auf Euro lautende Banknoten […] das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel“ sind, was dem Bürger den Umgang mit Geld im Vergleich zu früheren Zeiten unglaublich erleichtert. Früher hingegen bedurfte es ausgewiesener Fachleute, der Geldwechsler, die den Feingehalt und damit den Wert der Münzen kannten oder zumindest ermitteln konnten. Dass sie dieses Wissen in einem Umfeld zahlreicher kleiner und komplexer Währungsräume gewinnbringend einzusetzen vermochten, verwundert daher wenig.

Wer sich heute mit dem Geld vergangener Zeiten befassen will, ist daher sowohl auf dessen physische Überlieferung in Münzkabinetten angewiesen als auch auf das eingehende Studium der Archivalien zum Münzwesen. Sie sind nicht nur Zeugnisse eines wesentlichen Elements der Souveränitätsausübung der einzelnen Herrschaftsräume, sondern sie ermöglichen tiefe Einblicke in den historischen Umgang mit Geld, dessen Gestaltung, Herstellung und nicht zuletzt dessen Wertentwicklung. Zudem ist der ökonomische Entwicklungsstand der jeweiligen Gegenden an diesen Zeugnissen exemplarisch ablesbar. Deshalb ist die fortlaufende Übernahme von entsprechendem Archivgut auch heute von zentraler Bedeutung für die Überlieferung unserer Gegenwart.

Literaturhinweise

Hendrik Mäkeler: Nicolas Oresme und Gabriel Biel. Zur Geldtheorie im späten Mittelalter, in: Scripta Mercaturae. Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 37, 2003, Nr. 1, S. 56–94

Samuel von Pufendorf: Die Verfassung des Deutschen Reiches, hrsg. von Horst Denzer (Bibliothek des deutschen Staatsdenkens 4), Frankfurt am Main und Leipzig 1994

Bernd Sprenger: Das Geld der Deutschen. Geldgeschichte Deutschlands von den Anfängen bis zur Gegenwart, 3. Aufl., Paderborn u.a. 2002