Eine Lanze für die CoCo-Bonds Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeine Zeitung

Ein zentrales Ergebnis der im Jahr 2008 begonnenen Reform der Bankenregulierung ist ein steigender Eigenkapitalbedarf der Banken. So schreibt der neue Regulierungsrahmen Basel III den Kreditinstituten vor, deutlich mehr und qualitativ besseres Eigenkapital zu halten als bisher. Zudem müssen die global systemrelevanten Banken ihre Kapitalbasis zusätzlich stärken, um mögliche Verluste aus eigener Kraft bewältigen zu können.

Damit soll die Widerstandsfähigkeit von Banken erhöht und ausgeschlossen werden, dass bei künftigen Krisen wieder die Steuerzahler für die Verluste von Banken haften müssen. Diese Reformen sind gut, werfen aber die Frage auf, wie die Banken den steigenden Eigenkapitalbedarf decken können.

Vor diesem Hintergrund verdienen die CoCo-Bonds als Kapitalinstrument Aufmerksamkeit. Sie stehen abgekürzt für "Contingent Convertible Bonds" und sind Schuldverschreibungen, die im Falle vorher festgelegter Ereignisse automatisch von Fremd- in Eigenkapital gewandelt werden – zum Beispiel, wenn einem Institut die Insolvenz droht oder die festgelegte Kernkapitalquote unterschritten wird. CoCo-Bonds erhöhen in solchen Fällen das Eigenkapitalpolster der Bank.

Für die Kreditinstitute sind diese neuen Schuldverschreibungen interessant: Denn die Aufsicht erkennt CoCo-Bonds als bankaufsichtliches Eigenkapital an, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt werden. Die Voraussetzungen hängen von der Klasse ab, der das Kapital zugerechnet werden soll, und richten sich beispielsweise nach der Nachrangigkeit und der Dauerhaftigkeit der Kapitalüberlassung. Eine weitere Voraussetzung ist das Ermessen der emittierenden Bank, ob Ausschüttungen an die Investoren erfolgen oder nicht. Und CoCo-Bonds sind für Banken auch attraktiv, weil die Zinszahlungen auf die Anleihe steuerlich absetzbar sind.

Auch für institutionelle Anleger können CoCo-Bonds attraktiv sein. So versprechen sie im Vergleich zu normalen Anleihen aufgrund ihres besonderen Risikos höhere Renditen – was sie insbesondere in der aktuellen Niedrigzinsphase für Investoren interessant macht.

Sind CoCo-Bonds also das perfekte neue Kapitalinstrument für Banken? Zumindest in Deutschland war deren Bedeutung bisher gering. Bis Ende vergangenen Jahres wurden sie vor allem von großen Banken in Großbritannien, Spanien und der Schweiz ausgegeben. Das Gesamtvolumen betrug dabei rund 50 Milliarden Euro. In Deutschland haben 2014 lediglich zwei deutsche Institute CoCo-Bonds emittiert.

Ein Grund für die Zurückhaltung deutscher Banken waren steuerliche Unsicherheiten, die inzwischen jedoch geklärt wurden. Zudem sieht das deutsche Aktienrecht bislang keine expliziten Regelungen für Pflichtwandelanleihen vor, bei denen das Wandlungsrecht beim Emittenten liegt. Die Aktienrechtsnovelle 2014, die derzeit noch im Gesetzgebungsverfahren ist, schafft die Möglichkeiten, dass auch hierzulande CoCo-Bonds ausgegeben werden können, die dann in Eigenkapitalanteile gewandelt werden. Gerade vor dem Hintergrund des steigenden Kapitalbedarfs der Banken könnte die Bedeutung von CoCo-Bonds also auch in Deutschland zunehmen –ein Grund mehr, genau hinzuschauen.

Denn bei aller Attraktivität für Banken und Anleger darf nicht übersehen werden, dass es sich dabei um sehr komplexe Kapitalinstrumente handelt. Dazu trägt vor allem die Verquickung von Gesellschafts-, Schuld-, Steuer- und Aufsichtsrecht bei. Es besteht die Gefahr, dass vor allem Kleinanleger ausschließlich auf die vergleichsweise hohe Rendite von CoCo-Bonds schauen und dabei die Risiken aus dem Blick verlieren. Dieser Gefahr sind sich die Banken bewusst. So stellte etwa die Deutsche Bank bei ihrer Ausgabe von CoCo-Bonds durch eine Stückelung von 100000 Euro sicher, dass nur institutionelle und professionelle Anleger in das Geschäft mit CoCo-Bonds einsteigen konnten. In Großbritannien sind die Vermarktung und der Vertrieb von CoCo-Bonds an Kleinanleger sogar verboten.

Für die Bankenaufsicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um eine optimale Vorgehensweise für die Ausgabe von CoCo-Bonds zu etablieren. Wir Aufseher müssen dabei unter Berücksichtigung der nationalen Rechtssysteme so weit wie möglich auf eine Standardisierung hinwirken, um Konvergenz in der EU herbeizuführen. Wichtig dabei ist, dass CoCo-Bonds auch tatsächlich an eventuellen Verlusten der ausgebenden Bank beteiligt werden.

Der EU-Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörden haben diese Herausforderung erkannt. Die zentrale Herausforderung für die Aufsicht liegt nun darin, die Marktentwicklung genau zu beobachten und die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für CoCo-Bonds voranzutreiben. Sobald diese Herausforderung gemeistert wird, können CoCo-Bonds die Kapitalstruktur von Banken sinnvoll ergänzen. Damit leisten sie einen weiteren Beitrag dazu, dass die Banken durch eine gestärkte Kapitalbasis widerstandsfähiger gegenüber künftigen Krisen sein werden.