Gipfel-Nachlese: Schattenbanken und mehr Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung

Die G20 haben sich auf ihrem Gipfel in Sankt Petersburg auf einen Aktionsplan für eine bessere Überwachung und Regulierung des Schattenbankensystems verständigt. Das ist sehr erfreulich, denn so wird man den Risiken aus diesem Bereich des Finanzsystems künftig besser begegnen können. Das so genannte Schattenbankengeschäft ist – anders als der etwas unglückliche Begriff suggeriert – für sich genommen weder illegal noch gänzlich unreguliert. Es handelt sich schlicht um bankähnliches Geschäft, das keiner Bankenregulierung unterliegt.  In den USA ist das Schattenbankensystem allerdings fast doppelt so groß wie das reguläre Bankensystem. Die Aktiva des Schattenbankensystems belaufen sich dort auf rund 175%, in Deutschland hingegen nur auf rund 25% derjenigen des regulären Bankensystems.

Typische Akteure im Schattenbankensystem sind Geldmarkt- und Hedgefonds. Diese Nichtbanken können bankähnliche Geschäfte betreiben, also zum Beispiel Kredit gewähren. So kann ein Geldmarktfonds in kurzfristige Schuldverschreibungen von Unternehmen investieren. Ein anderes Beispiel: Wenn ein Unternehmen Wertpapiere aus seinem Bestand verkauft und im gleichen Zug auf Termin zurückkauft, erhält es für die Laufzeit dieses Repogeschäfts faktisch einen besicherten Kredit. Solche Transaktionen erweitern die Finanzierungsmöglichkeiten und stellen somit ebenfalls einen Weg dar, die Abhängigkeit der Unternehmen von Banken zu reduzieren.

Es können durch diese Transaktionen allerdings auch Risiken für das Finanzsystem entstehen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn Finanzmarktteilnehmer ihren Verschuldungshebel so stark erhöhen, dass ein systemisches Risiko entstehen kann. Außerdem ist es möglich, dass die Kreditintermediation der Nichtbanken zyklische Bewegungen im Finanzsystem verstärkt. Schließlich kann mit dem Schattenbankgeschäft auch die Bankenregulierung umgangen werden.

Um diese systemischen Risiken besser zu kontrollieren, brauchen wir zunächst Transparenz. Das heißt, die Aktivitäten im Schattenbankensystem müssen laufend beobachtet werden. Der internationale Finanzstabilitätsrat FSB führt zu diesem Zweck eine jährliche Erhebung durch, zu der inzwischen 25 Länder einschließlich aller wichtigen Finanzplätze beitragen und zunehmend detaillierte Daten liefern.

Die Datenlage zu den Aktivitäten von Hedgefonds ist bisher allerdings unbefriedigend. Umso wichtiger ist es, dass die G20 auf Betreiben Deutschlands nun vereinbart haben, dass die internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden, IOSCO, ihre bisher nicht offengelegte Analyse der globalen Hedgefondsbranche in die Erhebung des FSB einspeist. Damit haben die jahrelangen Bemühungen Deutschlands um mehr Transparenz bei Hedgefonds einen ersten und wichtigen Erfolg erzielt.

Beobachten alleine reicht natürlich nicht aus. Um die Risiken so gut wie möglich zu beherrschen, brauchen wir an allen wichtigen Finanzplätzen eine Regulierung, die internationalen Standards entspricht. Es darf keine Regulierungslücken oder Umgehungsmöglichkeiten geben. Auch hier sind wir nach dem Gipfel einen Schritt weiter: Alle G20-länder haben sich verpflichtet, die Regulierungsempfehlungen des FSB umzusetzen.

Der FSB hat zum Beispiel Empfehlungen zur Regulierung von Schattenbankenakteuren vorgelegt, darunter – ähnlich wie für Banken – Anforderungen an die Liquiditäts- und Kapitalausstattung sowie Grenzen für den Verschuldungshebel. Über deren nationale Umsetzung wollen sich die G20-Länder ab dem kommenden Jahr gegenseitig auf dem Laufenden halten. Außerdem soll die IOSCO nächstes Jahr die Anwendung ihrer Regulierungsstandards für Geldmarktfonds überprüfen. Diese Selbstverpflichtung, die Einhaltung zu überprüfen, verleiht den vereinbarten Regeln den notwendigen Biss, zumal die Ergebnisse dieser Überprüfungen öffentlich zugänglich sein werden.

Doch es ist noch weit mehr nötig, um das globale Rahmenwerk für das Finanzsystem zu stärken. Was das alles ist, sagt uns der gerade veröffentlichte Fortschrittsbericht des FSB. Und die G20 haben sich verpflichtet, die nötigen Schritte zu gehen. Zentral ist die Lösung des so genannten Too-big-to-fail-Problems. Es darf künftig nicht mehr passieren, dass die Insolvenz einer einzelnen Bank das ganze System ins Wanken bringt. Damit die Insolvenz eines größeren grenzüberschreitend tätigen Finanzinstituts keine gravierenden Verwerfungen im Finanzsystem auslöst, brauchen wir funktionsfähige Abwicklungsregime. Die Konzepte liegen vor; sie müssen jetzt in konkrete Gesetze gegossen werden.

Ein widerstandsfähiges Finanzsystem braucht nicht zuletzt eine robuste Infrastruktur. Ein möglichst großer Teil des außerbörslichen Handels soll daher auf Handelsplattformen verlagert werden. Dies sowie die Verrechnung der außerbörslich gehandelten Derivate über zentrale Kontrahenten soll die Risiken begrenzen und zusammen mit einer Meldepflicht an zentrale Transaktionsregister die Transparenz erhöhen. Auch diese internationalen Vereinbarungen müssen jetzt noch in nationales Recht überführt werden.

Ein stabiles Finanzsystem ist unerlässlich für ein stabiles Wirtschaftswachstum. Daher ist es gut, dass die Staaten der G20 gemeinsam daran arbeiten, Risiken für das Finanzsystem besser zu kontrollieren – unabhängig davon, in welchem Bereich des Finanzsystems diese Risiken entstehen und von welchen Akteuren sie ausgehen.