Happy Birthday Pfandbrief: Altgedient - ausgedient? Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeine Zeitung

Das Jahr 1769 war ein Jahr der Entdecker und Erfinder: James Cook entdeckte mit der Endeavour Neuseeland, Wolfgang Amadeus Mozart zog mit seinen Kompositionen Italien in seinen Bann und Friedrich der Große erfand mit dem Pfandbrief eines der heute wichtigsten Schuldinstrumente. 250 Jahre ist das heute auf den Tag genau her. Anlass genug für eine Würdigung.

Hat solch ein finanzielles Traditionsprodukt in der Generation von Zeiten von Bitcoin, Blockchain, Crowdfunding und Co noch einen Platz? Aber ja! Die Zuverlässigkeit und die langfristige Orientierung des Pfandbriefs sind gerade in Zeiten fundamentaler Umbrüche von unschätzbarem Wert. Im Übrigen findet man auch Mozarts Kompositionen bis heute prominent bei Spotify und der Inselstaat Neuseeland prosperiert mittlerweile unter Königin Elisabeth II.

Die Erfolgsfaktoren des Pfandbriefs offenbaren sich schon bei einem kurzen Blick auf seine Entstehungsgeschichte: In Folge des Siebenjährigen Krieges waren viele Adlige und Großgrundbesitzer hochverschuldet; eine regelrechte Kreditklemme war entstanden. Mit seiner ‚Cabinets Ordre‘ vom 29. August 1769 schuf Friedrich der Große einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen dafür, dass vermögende Personen oder Städte ihren Besitz als Kreditsicherheit verpfänden konnten, um Kredit zu erhalten. Im Austausch erhielten Gläubiger eine doppelte Sicherheit: So haftete nicht nur der Schuldner ihnen gegenüber persönlich, sondern auch die Gesamtheit einer großen Zahl von unterschiedlichen Grundstücken und Immobilien. Das erhoffte Ergebnis trat ein: Die Kreditklemme wurde überwunden, die Wirtschaft dank langfristiger Investitionen wieder angekurbelt.

So begann der weltweite Siegeszug des Pfandbriefs. Er breitete sich aus in Deutschland, in Europa und darüber hinaus. Gesetzliche Grundlagen wurden geschaffen, Aufsichtssysteme installiert, Spezialinstitute gegründet. Das Instrumentarium wurde stetig verfeinert und der Kreis der Sicherheiten ausgeweitet. Pfandbriefe sind seitdem zu einem der wichtigsten Refinanzierungsinstrumente der Banken aufgestiegen. Ende 2017 betrug das globale Volumen an Covered Bonds (dem internationalen Überbegriff, zu dem auch Pfandbriefe zählen) 2,5 Billionen Euro. Der deutsche Anteil hieran betrug allein 15 Prozent.

Marktteilnehmer, Gesetzgeber und Regulatoren haben den Pfandbrief im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder modernisiert. Aber sie haben der Versuchung widerstanden, seine Grundprinzipien zu verwässern, etwa durch Ausweitung des Anwendungsbereichs auf weniger stabile Sicherheiten oder durch Aufweichungen der Deckungsmasse. Bei der Harmonisierung des rechtlichen Rahmens für Covered Bonds in der EU wurden die Regelungen und Erfahrungen des deutschen Pfandbriefs zum Vorbild genommen.

So hat der Pfandbrief stets sein markantes Gesicht behalten: Gläubiger erhalten eine erstklassige Sicherheit. Kreditnehmern hingegen, ob privat oder gewerblich, ermöglicht das Darlehen eine verlässliche Finanzierung ihrer langfristigen Investitionen zu einem vergleichsweise günstigen Preis. Besonders stabil erwies dich der Pfandbrief in Deutschland: Soweit bekannt ist hierzulande noch nie ein Pfandbrief ausgefallen, trotz diverser Finanz- und Währungskrisen in den vergangenen zweieinhalb Jahrhunderten.

Trotzdem: Brauchen wir in einem digitalen Zeitalter von globalen Märkten und hochkomplexen Finanzinstrumenten den archaischen Pfandbrief noch? Meine Antwort ist ein klares Ja. Auch mit 250 Jahren gehört der Pfandbrief längst nicht zum alten Eisen, auch nicht angesichts neuer Entwicklungen auf den Märkten wie Kryptotoken, Hochgeschwindigkeitshandel und andere neue Finanztechnologien. Vielmehr bieten die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft - vor allem die Digitalisierung, der Brexit und die Zukunft des EU-Finanzmarktes sowie die ökologische Transformation - neue Chancen für den Pfandbrief:

So sehr digitale Finanzinnovation auch den Pfandbrief zur Anpassung zwingt, so sehr kann sie seine Verbreitung stützen. Beispielsweise würde eine Digitalisierung des Pfandbriefs in einen elektronisch übertragbaren Token seine Handelbarkeit auf eine völlig neue Stufe heben. Ein Meilenstein könnte auch die Einführung einer elektronischen Schuldverschreibung werden, die der Gesetzgeber gerade auf den Weg bringt.

Bei einem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU - so bedauerlich es auch wäre - könnte der Pfandbrief Gutes bewirken. Denn nach dem Brexit müssen die Kapitalmärkte auf dem Kontinent noch enger zusammenwachsen, um die europäische Volkswirtschaft ohne die City of London selbstständig finanzieren zu können. Die EU bräuchte zudem eine stärkere Diversifizierung der Risiken über Landesgrenzen hinweg. Und: Überschüssige Spareinlagen aus Deutschland müssten woandershin abfließen können.

Der EU-Rahmen für Covered Bonds stellt somit nicht nur einen wichtigen Baustein zur Vollendung der Kapitalmarktunion dar, sondern ist auch ein ausgezeichnetes Sprungbrett für grenzüberschreitende Investitionen in Pfandbriefe.

Schließlich fordern der Klimawandel und die ökologische Transformation der Volkswirtschaften den gesamten Finanzmarkt heraus, nachhaltige Transformation zu finanzieren. Dies eröffnet dem Pfandbrief ein ganz neues Potenzial. Alleine der deutsche, erst recht aber der weltweite Investitionsbedarf zur Begrenzung des Klimawandels ist riesig. Der Pfandbrief kann helfen, die erforderlichen Mittel zu mobilisieren. Erste „grüne Pfandbriefe“ wurden in Deutschland bereits emittiert. Zwar ist das Volumen noch gering; umso größer sind aber die Wachstumschancen.

Angesichts dieser Herausforderungen ist es die Aufgabe der Banken- und Finanzaufsicht, die passenden Rahmenbedingungen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Wir müssen in der internationalen Regulierung  darauf achten, dass die Besonderheiten des Pfandbriefes ausreichend berücksichtigt werden. Wir müssen die Einhaltung der hohen Standards des Pfandbriefes kompromisslos einfordern. Und wir müssen zugleich die Innovationen ermöglichen, die für die Zukunftsfähigkeit erforderlich sind.

Fakt ist: Der Pfandbrief hat schon mehrere Generationen überdauert. Ob er deshalb ewig leben wird, ist noch nicht ausgemacht – 250 Jahre Historie eröffnen dem Jubilar jedenfalls mindestens so vielversprechende Perspektiven wie sie für die Windsors in Neuseeland und Mozart jenseits der Alpen bestehen.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Pfandbrief, ad multos annos!