Internationale Finanzarchitektur: Reformprojekte bis zur IWF-Frühjahrstagung 2013 Gastbeitrag von Dr. Andreas Dombret und Dr. Christian Engelen in der "Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen"
Das seit einiger Zeit dominierende Reformvorhaben auf globaler Ebene ist die Anpassung der internationalen Finanzarchitektur an die veränderten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Unter anderem konzentrieren sich die Reformbemühungen dabei aktuell auf den Internationalen Währungsfonds (IWF) als integralem Bestandteil dieser Architektur. Wichtige Reformprojekte sind hierbei die Aufstockung der IWF-Mittel und die Neuordnung der Aufsichts- und Leitungsstruktur des IWF.
Mittelaufstockung durch freiwillige Kreditvereinbarungen
Durch freiwillige Kreditvereinbarungen mit Mitgliedsländern wurde eine Mittelaufstockung von mittlerweile 461 Mrd USD zugesagt; auf der kürzlich stattgefundenen Jahrestagung in Tokio wurden die ersten zehn bilateralen Kreditverträge unterzeichnet. Für Deutschland als eines dieser zehn Länder stellt die Bundesbank dem IWF eine Kreditlinie im Umfang von 41,5 Mrd Euro (rund 54 Mrd USD) zur Verfügung. In den kommenden Monaten wird der IWF mit den 29 weiteren Mitgliedsländern, die bilaterale Mittel zugesagt haben, die entsprechenden Verträge unterzeichnen. Bis zur Frühjahrstagung 2013 sollte dieser Prozess abgeschlossen sein. Diese zusätzlichen Finanzmittel sollen dem IWF helfen, seine systemische Funktion zur Sicherung der internationalen Währungs- und Finanzstabilität wahrnehmen zu können. Die Risikofreiheit und der hohe Liquiditätsgrad der von den Mitgliedsländern eingezahlten Mittel sind wesentliche Bestandteile der Finanzkonstruktion des Fonds. Allerdings geben in jüngerer Vergangenheit erfolgte Anpassungen bei der IWF-Kreditvergabe Anlass zur Sorge um das Risikoprofil des IWF. Angesichts der deutlichen Mittelaufstockung sollte sich der IWF bei seinen Ausleihungen an die traditionellen Prinzipen der Risikobegrenzung halten: die Inanspruchnahme von Fondsmitteln in Höhe und Dauer zu begrenzen und durch strikte Konditionalität eine ambitionierte wirtschaftspolitische Anpassung zu erreichen.
Höheres Stimmengewicht der aufstrebenden Volkswirtschaften
Die Neuordnung der Aufsichts- und Leitungsstruktur wird derzeit durch die Erhöhung der Quotenmittel und die damit einhergehende Verschiebung der Quotenanteile der IWF-Mitgliedsländer sowie durch die Veränderungen bei der Aufstellung des Exekutivdirektoriums bestimmt. In beiden Vorhaben wurden im Vorfeld der IWF-Jahrestagung große Fortschritte erreicht. Letztlich hängt es an den USA, die schon im Herbst 2010 gefassten Beschlüsse zu ratifizieren. Während es aufgrund der dortigen Präsidentschaftswahlen zu Verzögerungen gekommen ist, ist davon auszugehen, dass die Ratifizierung ebenfalls bis zur Frühjahrstagung abgeschlossen sein sollte.
Eine der maßgeblichen Auswirkung dieser Reformen wird sein, dass sich das Stimmengewicht der aufstrebenden Volkswirtschaften im IWF merklich erhöhen wird. Zudem wird sich die regionale Struktur im Direktorium ändern, da die fortgeschrittenen europäischen Länder zugesagt haben, durch eine Neuordnung ihrer Stimmrechtsgruppen im Exekutivdirektorium zwei Sitze von insgesamt 24 Sitzen an andere Ländervertreter abzutreten. Insgesamt ziehen die beschriebenen Reformen deutliche Veränderungen in der Governance des Fonds nach sich: Der häufig geäußerten Kritik an einer als unfair empfundenen Verteilung der Quoten- und Stimmrechtsanteile innerhalb des IWF wird hiermit erheblich Rechnung getragen. So wird sich beispielsweise der Stimmrechtsanteil von China mehr als verdoppeln, und sich derjenige von Brasilien um mehr als die Hälfte vergrößern.
Neben diesen beschlossenen Reformen haben die großen IWF-Anteilseigner im Rahmen der G20 im Jahr 2010 zusätzlich eine Überprüfung der Berechnungsmethode für die einzelnen Quotenanteile der IWF-Mitgliedsländer, die sogenannte Quotenformel, angestoßen. Eine Einigung darüber soll bis Januar 2013 erfolgen. Auf der jüngsten Jahrestagung in Tokio näherten sich allerdings die unterschiedlichen Positionen nicht an. Es bedarf daher noch erheblicher Anstrengungen, um die ursprüngliche Planung einzuhalten und damit eine Einigung noch vor der Frühjahrstagung 2013 zu erreichen. Derzeit besteht die Quotenformel im Wesentlichen aus vier unterschiedlich gewichteten ökonomischen Komponenten, wobei das Bruttoinlandsprodukt und der Offenheitsgrad der Volkswirtschaften die höchsten relativen Gewichte aufweisen. Die Schwellen- und Entwicklungsländer pochen auf eine noch stärkere Gewichtung des Bruttoinlandsprodukts als Bestimmungsfaktor. Besonders europäische Mitgliedsländer verweisen demgegenüber auf die Bedeutung einer ausgewogeneren Berücksichtigung mehrerer Faktoren, was dem vielfältigen Aufgabenspektrum des IWF und seinem speziellen institutionellen Aufbau besser entspricht.
Drei Anliegen der europäischen Länder
Aus Sicht der europäischen Länder müssen für eine Neufassung der Quotenformel drei Aspekte berücksichtigt werden. Zum einen sollte ein enger Zusammenhang zwischen den maßgeblichen Elementen der Quotenformel und dem Mandat des IWF bestehen. Letzteres bezieht sich im Wesentlichen auf die außenwirtschaftlichen Verflechtungen der Mitgliedsländer, also die Zahlungsbilanz, weshalb der Offenheitsgrad der jeweiligen Volkswirtschaften nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zu den anderen ökonomischen Komponenten der Formel eine wesentliche Bedeutung spielen sollte. Zweitens besteht grundsätzlich Einigkeit darüber, dass die wirtschaftliche Stärke einer Volkswirtschaft, also das Bruttoinlandsprodukt, eine ebenfalls wesentliche Bedeutung spielen sollte. Gleichwohl sind aber erhebliche Zweifel an der ökonomischen Aussagekraft und der statistischen Verifizierbarkeit von Kenngrößen anzumelden, die versuchen, Unterschiede in der Kaufkraft zwischen Volkswirtschaften zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund sollte auch weiterhin die Kenngröße für das Bruttoinlandsprodukt primär zu Marktpreisen berechnet werden und von einer stärkeren Verwendung einer auf Kaufkraftparitäten basierten Berechnung Abstand genommen werden. Und drittens ist der IWF eine Institution, in der die aus der IWF-Mitgliedschaft erwachsenden Rechte und Pflichten individuell länderbezogen sind. Daher ist es nicht angemessen, die IWF-Mitgliedsländer zu Ländergruppen zusammenzufassen und mit Forderungen nach einem wie auch immer gesetzten Gruppenproporz zu konfrontieren. Jegliche Gruppenbetrachtung würde den institutionellen Aufbau des Fonds unterminieren.
Grosser Einfluss auf die Mitspracherechte
Zugegebenermaßen mag die Neufassung der IWF-Quotenformel als eine eher fachlich-technische Diskussion anmuten. Änderungen in der Quotenformel haben aber einen großen Einfluss auf die relativen Mitspracherechte innerhalb des IWF. Die europäischen Länder, darunter Deutschland im besonderen, haben ein großes Interesse daran, dass die Verteilung der Stimmengewichte innerhalb des IWF nach klaren und ökonomisch gut begründeten Kriterien verteilt sind. Letztlich wird sich nur so eine ausreichende Akzeptanz unter den 188 Mitgliedsländern des IWF für eine veränderte Verteilung der Stimmengewichte erreichen lassen. Angesichts des jüngsten Bedeutungszuwachses des IWF in der makroprudenziellen Überwachung des internationalen Währungs- und Finanzsystems sowie durch die Erhöhung seiner verfügbaren Mittel sind eine hinreichende Kongruenz zwischen dem Kernmandat des Fonds, den Rechten und Pflichten einer IWF-Mitgliedschaft sowie der Leitungs- und Aufsichtsstruktur des Fonds mehr als eine Nebensächlichkeit.