Jetzt gilt es, die Weichen für die nächsten Jahre zu stellen Gastbeitrag in der Börsen-Zeitung

Die Börsen-Zeitung begleitet die finanzielle Zeitgeschichte Deutschlands nun schon seit 70 Jahren und ist damit selbst Teil dieser Geschichte. Sie stellt Transparenz auf dem deutschen Finanzmarkt her und trägt damit zu dessen Stabilität bei. Die Börsen-Zeitung fördert den hiesigen Finanzmarkt durch Qualitätsjournalismus und macht ihn damit attraktiver. Dafür bedanken wir uns heute - und gratulieren dazu!

Wie alles begann

Die 1950er Jahre waren Gründerjahre in Deutschland, in denen eine Reihe von Institutionen entstanden sind, die noch heute bestehen - unter anderem eben die Börsen-Zeitung und auch die Deutsche Bundesbank, die 1957 ihre Vorgängerinstitution Bank deutscher Länder als Hüterin für die Währungsstabilität ablöste.

Was Börsen-Zeitung und Bundesbank verbindet: Beide wirken mit an der Bereitstellung eines Rahmens für den Finanzmarkt. Der Beitrag der Bundesbank ist es, Geldwert und Finanzmarktstabilität zu sichern. Finanzberichterstatter wie die Börsen-Zeitung machen das Finanzmarktgeschehen der Öffentlichkeit transparent. Auch darin liegt ein wesentlicher Beitrag zur Funktionsfähigkeit und damit im weiteren Sinne zur Stabilität des deutschen Finanzmarktes.

Untereinander in Interaktion

Beide Institutionen treten aber auch untereinander in Interaktion: Die Börsen-Zeitung beobachtete die Zentralbank dabei unmittelbar von Beginn an und durchaus kontrovers. Schon auf der Titelseite der ersten Ausgabe 1952 schrieb sie über die Sorge der Bank deutscher Länder in Bezug auf das Kreditwachstum. Und noch im selben Monat berichtete die Börsen-Zeitung kritisch über den Umgang der Bank deutscher Länder mit potenziell inflationsfördernden Preisklauseln. Für Stabilität ist sie - genau wie die Bundesbank - bis heute immer wieder und konsequent eingetreten.

Im Editorial der ersten Ausgabe formulierte die Börsen-Zeitung ihr Gründungsanliegen: das "Börsengeschäft zu beleben und zu fördern". So forderte sie in einem Artikel desselben Monats, ebenfalls bezugnehmend auf einen Monatsbericht der Bank deutscher Länder, die "Wiederbelebung der Wertpapiermärkte" ein.

Anfang der 1950er Jahre steckte der deutsche Finanzmarkt noch in seinen Kinderschuhen. Nicht nur der Zugang zum Finanzmarkt selbst, sondern auch die Verfügbarkeit finanzmarktrelevanter Informationen waren einem kleinen Kreis von Experten vorbehalten. Als Finanzplatzzeitung übernahm die Börsen-Zeitung hier eine wichtige Funktion: relevante Informationen über den Finanzmarkt allgemein verfügbar zu machen und dadurch auch die Informationsasymmetrie zwischen professionellen und privaten Anlegern zu verringern.

In den vergangenen 70 Jahren hat sich der Finanzmarkt stark gewandelt: von der Einführung elektronischer Handelssysteme über eine Reihe von Finanzinnovationen bis hin zum globalen Zugang zu nahezu allen Handelsplätzen durch Globalisierung und Digitalisierung. Der Finanzmarkt von heute ist internationaler, integrierter und komplexer. Und mit diesen Entwicklungen verändert sich ganz grundlegend die Art und Weise, in der über das Finanzgeschehen berichtet werden muss. Der Finanzjournalismus selbst verändert sich - insbesondere in den zurückliegenden beiden Jahrzehnten mit dem Aufkommen des Online-Journalismus in Echtzeit. So musste sich auch die Börsen-Zeitung immer wieder neu erfinden - das ist ihr stets gelungen.

In ihren Anfangsjahren berichtete die Zeitung noch sehr viel über die deutschen Regionalbörsen. Die Berichterstattung wurde jedoch immer breiter, je mehr die regionalen und nationalen Märkte zusammenwuchsen und sich vernetzten. Und sie wurde analytischer. Beispielsweise ergänzte die Börsen-Zeitung den Kurs- und Tabellenteil stärker durch qualitative Bewertungen und Hintergrundberichte. Dabei trug die Börsen-Zeitung dem zunehmenden Bedarf der Leser und Leserinnen Rechnung, auch über finanzmarktrelevante politische Vorgänge informiert zu werden und diese einordnen zu können.

In Zukunft wird der Finanzmarkt mehr und mehr zu einer umfassenden digitalen Plattform werden. Eine solche Plattform kann Vernetzung und Integration weiter vorantreiben und seine ohnehin schon schwache Bindung an geografische Orte weiter auflösen. Umso wichtiger ist, dass der internationale und digitale Finanzmarkt in passende Strukturen und Regeln eingebettet ist. Es gilt jetzt, die Weichen für die kommenden Jahre und Jahrzehnte richtig zu stellen - und dabei gesamteuropäisch zu denken. Das gilt auch für die nach wie vor fragmentierte Finanzberichterstattung.

Der von der Börsen-Zeitung in ihrem Gründungsmonat formulierte Appell, der "Börse eine größere innere Kraft und dem Wertpapier erweiterte Absatzmöglichkeiten zu verschaffen", ist unverändert aktuell. Auch der aktuelle Koalitionsvertrag betont: "Wir setzen uns für einen leistungsstarken europäischen Banken- sowie Kapitalmarkt ein, der durch Wettbewerb und Vielfalt der Geschäftsmodelle geprägt ist." Kapitalmarkt- und Bankenunion sind dafür wichtige Bausteine - hier müssen wir in den nächsten Jahren weiter voranschreiten. Es gilt, die bestehenden Projekte weiter mit Leben zu füllen und damit Europa als Finanzplatz weiter zu stärken.

Die Kapitalmarktunion kann und soll die bankbasierte Finanzierung der Wirtschaft ergänzen. Insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen soll sie den Zugang zu Finanzmitteln verbessern. Auch Kleinanleger würden von einer gestärkten Kapitalmarktunion profitieren: Die EU-Kommission betont in ihrem Maßnahmenpaket, dass Privatpersonen in einem noch sichereren Umfeld als bisher langfristig sparen und investieren können sollen. Die Kapitalmarktunion verbreitert damit die Basis für europaweite Investitionen für Unternehmen und Anleger.

Auch bei der Bankenunion soll es vorwärtsgehen: Mit dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) und dem einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) stehen seit 2014 bereits die ersten beiden Säulen. Aber die Vollendung der Bankenunion steht noch aus - mit der dritten Säule, dem gemeinsamen europäischen Einlagensicherungssystem (Edis). Die Position der Bundesbank dazu ist unverändert: Edis kann die Finanzstabilität stärken, indem es die Glaubwürdigkeit der Einlagensicherung erhöht und die Gefahr von Bank-Runs verringert. Jedoch sollte für solche Risiken, die aus nationalen Politikentscheidungen resultieren, auch national gehaftet werden. Also, wenn Edis, dann als reine Rückversicherungslösung, bei der Liquiditätshilfen für nationale Einlagensicherungen bereitgestellt werden. Grundvoraussetzung für Edis ist und bleibt in jedem Fall, dass Risiken weiter substanziell reduziert werden.

Finanzplätze positionieren sich weltweit zunehmend als globale, umfassende Finanzdienstleistungszentren. Umso wichtiger ist es, das Ziel eines starken, integrierten und wettbewerbsfähigen gesamteuropäischen Finanzmarktes zu verfolgen. Die als Ziel formulierte "finanzielle Souveränität" sollte dabei nicht als Abschottung von den globalen Finanzströmen missverstanden werden. Aber Europa sollte in der Lage sein, die dazu notwendige Finanzintermediation aus eigener Kraft darzustellen und eigene Zugänge zu den internationalen Kapitalmärkten zu haben.

Dabei sollten wir die jeweiligen Stärken der europäischen Finanzplätze bündeln und europaweit verfügbar machen. Damit können wir ein vernetztes europäisches Finanzcluster schaffen, bestehend aus verschiedenen spezialisierten Finanzzentren. Hierfür bietet die grüne und digitale Transformation der EU-Wirtschaft eine günstige Gelegenheit. Aber: Ein solch finanzielles Ökosystem von kritischer Größe umfasst auch europäische Finanzmedien, die einen Gesamtblick haben und verbreiten können.

Der Finanzmarkt von heute sieht ganz anders aus als der Finanzmarkt vor 70 Jahren - und Globalisierung und Digitalisierung werden ihn weiter verändern. Und damit werden sich auch die Rollen und Funktionen der Finanzberichterstattung und der Zentralbanken verändern.

Der Stabilität verpflichtet

Aber bei allen Veränderungen bleibt die Bundesbank als unabhängige Notenbank Deutschlands der Stabilität verpflichtet - und als journalistische Institution des Finanzplatzes Frankfurt gilt das sicher auch für die Börsen-Zeitung. Ich setze darauf, mit der Börsen-Zeitung weiterhin gut informiert zu werden - künftig auch über einen womöglich wahrhaft europäischen Finanzplatz. Auf dass die Berichterstattung der "BöZ" das Börsengeschäft auch die kommenden 70 Jahre belebt und fördert - und das hoffentlich europaweit!