Mehr als nur ein Zahlungsmittel Gastbeitrag in "Die Welt"

Bargeld ist mehr als ein bloßes Bezahlmedium. Es ist das einzige Zahlungsmittel, das Privathaushalt und Notenbank direkt miteinander verbindet, und deshalb keine Ausfallsrisiken aufweist. So bietet jede Euro-Banknote – gewissermaßen mit dem Soliditätssiegel der Zentralbank – ein besonderes Gefühl von Stabilität und Verlässlichkeit und gewinnt vor allem in unsicheren Zeiten an Bedeutung. 

Das ist auch in der Corona-Pandemie der Fall. Im März 2020 überstiegen die von der Bundesbank herausgegebenen Banknoten die Einzahlungen um einen Wert von 21 Milliarden Euro – das entspricht einem Anstieg des Banknotenumlaufs um knapp 12 % im Vergleich zum Vorjahr.

Eine ähnliche Entwicklung hatte sich im Zuge der globalen Finanzkrise im Oktober 2008 vollzogen. Auch wenn die damalige Krise mit dem Corona-Schock von heute nicht zu vergleichen ist und einen anderen Ursprung hat: es scheint Gründe zu geben, Banknoten auch außerhalb des Geldbeutels, etwa bei sich zu Hause oder in einem Schließfach, halten zu wollen.

Untersuchungen der Bundesbank legen nahe, dass das Wertaufbewahrungsmotiv eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Bargeldnachfrage spielt. So lag Ende des Jahres 2019 rund jede dritte von der Bundesbank in den Umlauf gegebene Euro-Banknote unter dem sprichwörtlichen Kopfkissen. Rund 60% der insgesamt in Deutschland emittierten Euro-Banknoten ist über den Reiseverkehr oder den internationalen Sortenhandel in das Ausland geflossen.

Darüber hinaus hat die Bundesbank im Jahr 2018 Privatpersonen in Deutschland befragt, ob und warum sie Bargeld zur Wert­aufbewahrung nutzen. Ein wichtiges Ergebnis dieser kürzlich erschienenen repräsentativen Studie: viele Menschen in Deutschland halten eine Barreserve. Denn Bargeld ist als gesetzliches Zahlungsmittel allgemein akzeptiert und kann ohne technische Hilfsmittel – auch in Krisenzeiten – genutzt werden. Jedoch fällt der Notgroschen unterschiedlich groß aus: Ältere und Besserverdienende halten im Mittel höhere Beträge als jüngere Menschen, die noch am Anfang ihres Erwerbslebens stehen. Darüber hinaus spielen individuelle Vorlieben für Bargeld und das allgemein niedrige Zinsniveau bei der gewählten Form der Wertaufbewahrung eine wichtige Rolle.

Auch wenn die Angaben aus der Studie aus der Zeit vor der Corona-Pandemie stammen, unterstreicht der Anstieg der Bargeldnachfrage im März den Stellenwert von Bargeld als gängiges Zahlungs- und vor allem Wertaufbewahrungsmittel. Schätzungen der Bundesbank zufolge dürften bis zu 60% des Auszahlungsüberschusses im März auf die erhöhte Nachfrage für Barreserven von Privatpersonen und Unternehmen außerhalb der Finanzwirtschaft entfallen sein.

Im weiteren Verlauf der Corona-Pandemie waren im Zuge der Eindämmungsmaßnahmen zunächst viele klassische Einsatzmöglichkeiten von Banknoten und Münzen im Einzelhandel oder in Restaurants stark eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. Auch gab es anfänglich Sorgen über angebliche Ansteckungsgefahren durch Bargeld. Entsprechend wurde weniger Bargeld genutzt.

Die bei der Bundesbank wertmäßig ein- und ausgezahlten Summen an Euro-Banknoten legen nahe, dass sich die Bargeldverwendung mittlerweile normalisiert. Der Auszahlungsüberschuss ähnelt in seinem Verlauf wieder dem Muster früherer Jahre. Im August 2020 hat der deutsche Banknotenumlauf einen Stand von knapp 800 Mrd. erreicht – er lag damit um rund 11% oberhalb des Niveaus aus dem Vorjahr.

Die weitere Entwicklung der Bargeldnachfrage hängt nicht zuletzt vom Verlauf der Pandemie ab. Trotz einer gewissen Normalisierung des öffentlichen Lebens ist die grenzüberschreitende Reisetätigkeit nach wie vor erheblich eingeschränkt. So war laut Statistischem Bundesamt im August dieses Jahres das Passagieraufkommen im Flugverkehr im Vergleich zum Vorjahr um gut 75 Prozent niedriger. Insgesamt dürften die üblicherweise hohen Bargeldexporte, wie sie bei vielen Reisen ins Ausland entstehen, auch im weiteren Jahresverlauf geringer ausfallen als vor dem Ausbruch der Pandemie. Die Impulse des Auslandsumlaufs fallen daher gegenwärtig schwächer aus.

Dem gegenüber stehen die besonderen Merkmale von Bargeld als Medium zur Wertaufbewahrung und für Transaktionen im Inland. Die Menschen in Deutschland schätzen Banknoten und Münzen nach wie vor als einfache und vertraute Zahlungsmittel, die sie rasch über den Stand ihrer Ausgaben informieren, wie wir aus unseren Untersuchungen wissen. Aus Sicht des Verbrauchers fallen keine Transaktionsgebühren an und es werden im Unterschied zu digitalen Bezahlverfahren auch keine weiteren Daten erfasst. Euro-Bargeld leistet somit als analoges Gegenstück zu all seinen möglichen digitalen Erscheinungsformen einen wichtigen Beitrag zu einem vielfältigen und krisensicheren Zahlungsverkehr weit über die Pandemie hinaus.