Mehr Datenkompetenz im Risikomanagement – Wie Banken digitale Technologien nutzen können, um mit der Pandemie und ihren Folgen fertig zu werden Gastbeitrag für die Kolumne des Fachmagazins „gi – Geldinstitute“

Die Covid-19-Pandemie hat das öffentliche Leben und die Wirtschaft in Deutschland nach wie vor fest im Griff. Was den Bankensektor angeht, haben staatliche und aufsichtliche Maßnahmen Kreditausfälle teilweise verhindert, teilweise wohl nur aufgeschoben. Risiken bestehen hier fort und dürften im weiteren Verlauf Schäden verursachen. Worauf sollten die Kreditinstitute beim Management ihrer Risiken jetzt den Fokus legen? Wie können sie sich auf künftig womöglich zunehmende Zahlungsschwierigkeiten ihrer Kreditnehmer vorbereiten? Und wie können digitale Technologien dabei helfen?

Im Risikomanagement der Institute lautet die Hauptaufgabe jetzt: Risiken transparent machen! Dies gilt umso mehr, als staatliche Stützungsmaßnahmen und Moratorien Kreditrisiken zurzeit noch verschleiern. Banken müssen intensiv in den Austausch mit ihren Kunden treten und analysieren, welche Engagements besonders von Kreditausfällen betroffen sein könnten. Nur, wenn hier Transparenz herrscht, können die Institute Risikoquellen erkennen und frühzeitig geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen.

Dabei sollten sich die Banken allerdings nicht allein auf allgemeine Kennzahlen wie etwa die Quote notleidender Kredite verlassen, denn diese bilden die Risikolage nur unvollständig ab. Je differenzierter und umfassender die Risikobetrachtung, desto besser. Aber der Bankensektor kann in wirtschaftlich turbulenten Zeiten auch helfen, die Realwirtschaft zu stabilisieren. Es sollte Banken möglich sein, ihren Kreditnehmern in Krisenzeiten zur Seite zu stehen, etwa über ein Entgegenkommen bei den Zahlungsverpflichtungen. Allerdings dürfen solche Forbearance-Maßnahmen eine verschlechterte Kreditqualität in den Büchern der Institute nicht verdecken – aus Sicht des Aufsehers macht hier also die Dosis das Gift.

Das Ziel des Kreditrisikomanagements ist es, die Auswirkungen des Ausfallrisikos eines Kreditnehmers vorausschauend und aktiv zu steuern und zu begrenzen. Innovative Technologien können den Banken hierbei wertvolle Dienste leisten, denn in ihrem Kreditrisikomanagement stützen sie sich ganz wesentlich auf die Analyse von Daten. Gerade beim Datenmanagement hat die aktuelle Krise aber Defizite offenbart: Die Kreditinstitute müssen an der Datenqualität arbeiten, ihre Fähigkeiten bei der Datenaggregation verbessern und sicherstellen, dass Daten auch kurzfristig verfügbar sind.

Dabei ist eine verbesserte Datenarbeit nicht nur für das Management von Kreditrisiken relevant, sondern kann allen Bereichen des Risikomanagements zugutekommen. Institute müssen insgesamt besser und schneller in der Lage sein, in ihrer Planung und Steuerung auf eine Krisensituation zu reagieren. Das schließt auch eine zeitgemäße, leistungsfähige IT-Landschaft für das interne Risikomanagement mit ein.

Aus Sicht des Risikomanagements sind Investitionen in innovative Technologien also trotz – oder gerade wegen – der Pandemie entscheidend! Die Kreditinstitute sollten sich Technologien wie Artificial Intelligence/Machine Learning (AI/ML) und Cloud Services zunutze machen, um ihre Datenkompetenz im Risikomanagement zu stärken. Cloud-Lösungen erlauben Banken den Zugriff auf modernste Software und enorme Rechenkapazitäten. AI/ML-Technologien können es ihnen erleichtern, Kreditrisiken schneller zu identifizieren – zum Beispiel auf Basis maschinell ausgewerteter Wirtschaftsnachrichten. Und die riesigen im Netz verfügbaren Datenmengen können für das Risikomanagement relevante Erkenntnisse bringen.

Werden digitale Technologien in das Risikomanagement integriert, so machen sie das Finanzsystem nicht nur digitaler, sondern idealerweise stabiler. Denn eine bessere Datenkompetenz erlaubt es den Banken, ihre Risiken schneller zu erkennen und in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig bergen Innovationen aus der Perspektive der Bankenaufsicht neue Risiken und Herausforderungen. AI/ML-Verfahren stellen uns zum Beispiel vor das sogenannte „Black Box-Dilemma“, also vor die Frage, inwiefern die einzelne Bank und die Aufsicht die Ergebnisse der AI/ML-Verfahren hinreichend nachvollziehen können.

Als Bankenaufseher nehmen wir hier eine Doppelrolle ein: Auf der einen Seite wollen wir Technologie-Innovationen im Finanzsektor fördern und das damit verbundene Potenzial für die Finanzstabilität heben. Deshalb begrüßen wir es, wenn Banken AI/ML & Co. nutzen. Auf der anderen Seite müssen wir unserem Mandat entsprechend natürlich auch mögliche Risiken für die Finanzstabilität im Auge behalten, die durch die digitale Transformation des Finanzsystems entstehen.

Wenn Kreditinstitute in Zukunft vermehrt digitale Anwendungen auch in risikosensitiven Bereichen wie dem Risikomanagement einsetzen, wäre mein Wunsch als Bankenaufseher, Innovation und Stabilität gemeinsam zu denken. Um das zu fördern, suchen wir den Austausch mit den Kreditinstituten. So haben wir kürzlich ein Diskussionspapier veröffentlicht, das eine Aufsichtsstrategie bei AI/ML-Verfahren umreißt. Wir wollen den Banken ausgewogene, differenzierte und praktikable Anforderungen an die Hand geben, damit sie die möglichen Vorteile dieser Technologie rechtssicher nutzen und Risiken kontrollieren können.

Darüber hinaus wollen wir uns als Institution Bundesbank stärker mit dem digitalen Finanz-Ökosystem vernetzen. Dazu haben wir Ende vergangenen Jahres die „Bundesbank Innovation Challenge“ organisiert, bei der zehn Start Ups gemeinsam mit unseren Fachleuten an innovativen Lösungen für eine bessere Risikoüberwachung getüftelt haben. Auch unser geplantes Innovationslabor InnoWerk soll im wörtlichen Sinn einen Raum für Innovation und Austausch schaffen – für die Zentralbank-Community, die Start Up-Szene und die Wissenschaft. Wir wollen voneinander lernen und digitale Innovationen im Finanzbereich besser verstehen und voranbringen. Und was die Cloud-Technologie angeht, werden wir auch selbst verstärkt Cloud-Anwendungen nutzen.

In der Pandemie sollten sich auch die Kreditinstitute noch mehr der Frage widmen, wie sie digitale Technologien einsetzen können – auch und gerade beim Management ihrer Risiken. Denn vor allem ihr Kreditrisikomanagement muss in diesem Jahr womöglich noch viel leisten. Innovative Technologien können den Instituten dabei helfen, ihre Datenqualität, Datenverfügbarkeit und Datenaggregationsfähigkeit zu verbessern und so die Risiken in ihren Büchern transparenter zu machen. Damit würde nicht nur die einzelne Bank die Pandemie und ihre Folgenbewältigen. Auch die Stabilität des gesamten Finanzsystems würde gestärkt.