Risiken der Zentralbanken in der Krise Gastbeitrag in der Börsen-Zeitung

Zentralbanken verhalten sich normalerweise konservativ. Ihr öffentlicher Auftrag, die Gewährleistung von Preisstabilität, erfordert keine Ertragsmaximierung unter Inkaufnahme von Risiken. Im Gegenteil, Risiken können Zentralbanken nicht nur finanziell, sondern auch in ihrer Reputation schaden. In geldpolitischen Geschäften vergeben Zentralbanken deswegen Kredite gegen möglichst hochwertige Sicherheiten. Auch andere Vermögenswerte, etwa Währungsreserven, müssen eine Mindestbonität erfüllen. Zudem erfolgen die Transaktionen auf Märkten, die tief und liquide genug sind, um Preisreaktionen zu vermeiden.

In der Krise verhalten sich Zentralbanken anders. Die Steuerung der kurzfristigen Geldmarktsätze ist nicht mehr ausreichend, zumal ein Zinsniveau bei nahe Null kaum noch Spielraum nach unten bietet. Zentralbanken kaufen stattdessen im großen Umfang Wertpapiere oder vergeben längerfristige Refinanzierungsgeschäfte und sammeln damit bewusst Risiken an, die andere Marktteilnehmer nicht mehr auf sich nehmen wollen. Die Marktkurse sollen sich in Reaktion auf die Käufe der Zentralbanken ändern, weil beispielsweise zu hohe Risikoaufschläge sonst den geldpolitischen Transmissionsprozess behindern können.

Während der aktuellen Krise ist der Anteil der geldpolitischen Aktiva am Bruttoinlandsprodukt im Euroraum auf über 15%, in den USA auf rund 17% und in Großbritannien sogar auf etwa 25% gestiegen. Die Risikozunahme ist aber auch an der qualitativen Veränderung der Aktiva erkennbar. Gemessen an Rating-Unterschieden ist dabei das Eurosystem einem vergleichsweise hohen Kreditrisiko ausgesetzt. Denn die Aktiva in den geldpolitischen Portfolios des Federal Reserve Systems und der Bank of England sind überwiegend eigene Staatspapiere oder staatlich garantierte Wertpapiere, und die Bonität des Staates wird erstklassig bewertet. Ratingagenturen erteilen dagegen auf einen deutlich geringeren Anteil der geldpolitischen Aktiva im Eurosystem Bestnoten.

Doppeltes Netz gegen Ausfall

Risikounterschiede entstehen jedoch auch durch die Art des geldpolitischen Krisenmanagements. Im Eurosystem handelt es sich vornehmlich um besicherte Kreditvergaben. Die geldpolitischen Wertpapierportfolios aufgrund der Programme zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (Covered Bond Purchase Programmes) und des Programms für die Wertpapiermärkte (Securities Markets Programme) besitzen derzeit lediglich einen Anteil von knapp über 3% des Bruttoinlandsprodukts. Das gibt dem Eurosystem einen zusätzlichen Schutz gegen Kreditrisiken, denn Verluste entstehen erst bei einem sogenannten Doppelausfall, wenn es also gleichzeitig sowohl zu einem Ausfall des Geschäftspartners als auch zu einem Zahlungsausfall für die hinterlegten Sicherheiten kommt. Zur Einschätzung von Risiken aus einem Doppelausfall ist jedoch die Korrelation zwischen Geschäftspartnern und Sicherheiten von entscheidender Bedeutung. Sie kann in Krisen stark steigen, nicht zuletzt, weil ein Staatsbankrott auch zu einer nationalen Bankenkrise führen kann. Damit ist der Schutz gegen Zahlungsausfälle in diesen extremen Situationen möglicherweise geringer als erhofft.

Die umfangreichen geldpolitischen Wertpapierportfolios im Federal Reserve System und bei der Bank of England besitzen zwar kein doppeltes Netz zum Schutz gegen Kreditausfälle. Ihre endgültig angekauften Aktiva erhalten aber Bestnoten von den Ratingagenturen, weil der Staat Spitzenbonität besitzt. Im Federal Reserve System besteht das geldpolitische Portfolio zu etwa zwei Drittel aus US Treasury Securities, das restliche Drittel umfasst überwiegend hypothekenbesicherte Wertpapiere, die von Federal Agencies garantiert sind und des weiteren Schuldverschreibungen dieser Agenturen. Das geldpolitische Portfolio der Bank of England besteht fast nur aus Gilts, dem britischen Äquivalent zu US Treasury Securities. Zudem ist die Bank of England nur indirekt für das Krisenportfolio verantwortlich. Sie richtete Anfang 2009 im Auftrag des Schatzkanzlers den sogenannten Asset Purchase Facility Fund ein. Der Fonds wird für Verluste durch den Staat entschädigt, und die Rechnungsabschlüsse werden nicht mit denen der Bank of England konsolidiert. Allerdings finanziert die Bank of England diesen Fonds mit Krediten, die in ihrer Bilanz verbucht werden.

Rating-Paradox

Zwischen dem Länderrating und der Art des Krisenmanagements besteht ein Zusammenhang. Denn neben realwirtschaftlichen und anderen Faktoren berücksichtigt die Bewertung von Ratingagenturen indirekt auch Unterschiede im geldpolitischen Krisenmanagement der Zentralbanken. Die Bereitschaft der Zentralbank, für liquide und tiefe Märkte in staatlichen Schuldtiteln zu sorgen, wird mit besseren Noten belohnt. Aus dieser Perspektive kann also paradoxerweise eine Zentralbank, die weitgehend bedingungslos Staatsschulden aufkauft, das Länderrating kurzfristig verbessern. Doch sollte es nicht im langfristigen Interesse von Investoren sein, wenn dieses Kriterium die Höhe der Renditen dominieren würde.

Zentralbanken bewegen sich, insbesondere in Krisensituationen, in einem Spannungsbogen zwischen geldpolitischer Verantwortung und fiskalpolitischen Begehrlichkeiten. Das Mandat einer Zentralbank ist der eigentliche Kompass für die geldpolitischen Maßnahmen. Eine Überschreitung des Mandats gefährdet ihre Unabhängigkeit. Im Grundsatz sollte unstrittig sein, dass fiskalpolitische Entscheidungen von demokratisch gewählten Vertretern und nicht von Zentralbanken getroffen werden sollten.

Unter Mitwirkung von Dr. Franziska Schobert