Schranken für das Kapital Gastbeitrag im Handelsblatt

Vor kurzem hat der britische Notenbankgouverneur Mervyn King erklärt, er befürchte mehr Eingriffe von Ländern in die Wechselkurse, um ihre Währungen künstlich niedrig zu halten und um hierdurch Vorteile im Welthandel zu erzielen. Mit der deutlichen Wortwahl eines aus seiner Sicht drohenden „Währungskrieges“ griff er frühere Äußerungen des brasilianischen Finanzministers Guido Mantega auf, der die niedrigen Zinsen in den Industrieländern für stark gestiegene Kapitalzuflüsse in sein Land verantwortlich machte und sich zu Gegenmaßnahmen zur Begrenzung der Zuströme herausgefordert sah.

Mervyn King thematisiert damit die verbreitete Sorge, dass Kapitalverkehrsmaßnahmen in einigen Ländern wieder stärker in Erwägung gezogen werden. Dabei handelt es sich beispielsweise um Kapitalverkehrskontrollen oder zusätzliche Kapitalanforderungen. Um unnötige Konflikte und Maßnahmen, die der weltwirtschaftlichen Entwicklung schaden, zu vermeiden, braucht es klare Regeln.

Als Mitglied der Europäischen Union ist Deutschland dem freien Kapitalverkehr verpflichtet. Unter den richtigen Bedingungen wirkt sich freier Kapitalverkehr positiv auf die Volkswirtschaft aus, weshalb Maßnahmen zu dessen Begrenzung volkswirtschaftliche Kosten verursachen können. Für vorübergehende Ausnahmen vom Regime des freien Kapitalverkehrs muss es daher überzeugende länderspezifische Tatbestände geben. Aus diesem Grund hat Deutschland im Rahmen der G20 und des Internationalen Währungsfonds Ansätze zum Umgang mit Kapitalverkehrsmaßnahmen mitentwickelt. Der IWF hat kürzlich seine diesbezügliche Sicht veröffentlicht, die die Bundesbank im Wesentlichen teilt.

Der Grad der Kapitalverkehrsfreiheit sollte dementsprechend den jeweiligen Gegebenheiten in einem Land Rechnung tragen – nur so können Risiken beherrscht und die positiven Effekte einer Liberalisierung des Kapitalverkehrs genutzt werden. Risiken unregulierter internationaler Kapitalströme entstehen besonders dann, wenn die Rahmenbedingungen in den Empfängerländern im Allgemeinen und die Strukturen des jeweiligen Finanzsektors im Speziellen noch nicht ausreichend entwickelt sind. Ansonsten droht die Gefahr, dass es beispielsweise durch ein steigendes Angebot an günstigem Kapital zu einem Aufbau unsolider Finanzierungsstrukturen und damit zu Verwundbarkeiten im Finanzsektor und negativen Wirkungen auf die Realwirtschaft kommt.

Bei erheblichen Kapitalströmen und damit verbundenen Stabilitätsrisiken lassen sich verschiedene Maßnahmen ergreifen. Diese können unter anderem eine geringere öffentliche Kapitalaufnahme, eine Anhebung der Mindestreserve, eine Aufwertung der heimischen Währung beziehungsweise eine Flexibilisierung des Wechselkurses oder der wohldosierte Aufbau von Devisenreserven beinhalten. Sofern diese Möglichkeiten trotz eines ausreichenden politischen Willens nur schwer umzusetzen oder nicht ausreichend wirksam sind, kann eine direkte Begrenzung von Kapitalflüssen erwogen werden. Dabei sollte man sich allerdings der mit einem Eingriff verbundenen möglichen volkswirtschaftlichen Kosten sowie der Gefahr möglicher Gegenmaßnahmen anderer Länder bewusst sein.

Zusammengefasst bedeutet dies: Wenn Maßnahmen zur Begrenzung des Kapitalverkehrs in sehr begrenzten Ausnahmefällen zum Einsatz kommen, sollten sie befristet und transparent, zielgerichtet und soweit wie möglich nicht diskriminierend sein. Maßnahmen zur Steuerung von Kapitalflüssen sollten nicht als Ersatz verwendet werden, um notwendige inländische wirtschaftspolitische Anpassungen zu vermeiden oder zu verzögern. Eine solche Herangehensweise mit klaren Regeln trägt zu internationaler Finanzstabilität bei und sichert die Vorteile globaler Kapitalströme. Gleichzeitig wirkt sie dem von Gouverneur King befürchteten Entstehen eines Währungskriegs entgegen.