Stabil seit 70 Jahren Gastbeitrag in Der Tagesspiegel

Die Geburt der D-Mark am 21. Juni 1948 war ein Kraftakt. Drei Jahre nach Kriegsende war Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Die drei westlichen führten die neue Währung ein, während die östliche Zone eine gemeinsame Währungsreform ablehnte. Das „Erste Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens“, mit dem die Deutsche Mark ins Leben gerufen wurde, war erst am Vortag der D-Mark-Einführung erlassen worden. Die Bundesrepublik Deutschland gab es noch nicht. Sie entstand erst ein knappes Jahr später mit der Verkündung des Grundgesetzes. Und die Bank deutscher Länder, die die Emission der neuen Währung übernehmen sollte, war lediglich ein paar Monate zuvor am 1. März 1948 in Frankfurt am Main gegründet worden.

So überstürzt die Entstehung der Deutschen Mark auch scheint, so hatte sie doch von Beginn an gute strukturelle Grundlagen für eine Erfolgsgeschichte: Die sie emittierende Notenbank wurde als unabhängig von politischer Einflussnahme konzipiert, war der Preisstabilität verpflichtet und wurde nach amerikanischem Vorbild föderal aufgebaut.

Die D-Mark steht bis heute für das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, für Stabilität, Wachstum und das Vertrauen der Menschen, mit dieser Währung etwas kaufen zu können. Letzteres wurde 1948 zu einer zentralen ersten Erfahrung: Waren, die es vor der Währungsreform in den Geschäften schon lange nicht mehr gab, tauchten über Nacht plötzlich wieder in den Schaufenstern auf.

Die Umstellung verlief radikal: Das Altgeld musste bis zum 26. Juni 1948 abgeliefert werden. Wer diese Frist versäumte, verlor den Anspruch auf die jedem Einwohner des Währungsgebiets zustehende Kopfpauschale von 60 D-Mark. Nur dieser Betrag wurde eins zu eins getauscht, zunächst maximal 40 Mark, der Rest innerhalb von zwei Monaten. Bankguthaben wurden im Verhältnis 10:1 in D-Mark getauscht, Festgelder zu 70 Prozent gestrichen. Die ersten D-Mark-Scheine, die geheim in den USA gedruckt und im Rahmen der Operation “Bird Dog” nach Deutschland verschifft wurden, zeigten US-Merkmale: Die Ziffern ähnelten der Dollar-Note, die Gestaltungsmerkmale amerikanischen Eisenbahnaktien.

In den folgenden Jahrzehnten zeigte die D-Mark mitunter heftige Ausschläge auf der Inflationsskala, meist aufgrund externer Faktoren wie dem Korea-und Vietnam-Krieg oder den beiden Ölkrisen. Reagierten die Bank deutscher Länder und ab 1957 die Deutsche Bundesbank darauf mit einer starken Erhöhung des Diskontsatzes, um die Konjunktur zu dämpfen, so hagelte es nicht selten Kritik von Regierungsseite. Bundeskanzler Konrad Adenauer etwa griff die Autonomie der Bank deutscher Länder in seiner vielzitierten „Fallbeil-Rede“ von 1956 offen an.

Der wohl größte Meilenstein im Leben der D-Mark war die Wiedervereinigung, die den Menschen in der DDR am 1. Juli 1990 die Westwährung brachte. Die Bundesbank koordinierte den Transport von insgesamt 440 Millionen D-Mark-Banknoten und rund 102 Millionen Münzen. Die gemeinsame Währung in West- und Ost-Deutschland, die 1948 nicht zustande kam, gelang damit 42 Jahre später.

Die deutsch-deutsche Einheit bereitete den Weg zum Euro: Die Nachbarn, besonders Frankreich, drängten auf ein Vertiefung der europäischen Integration. Diese Forderungen schlugen sich zwei Jahre später im Vertrag von Maastricht nieder, mit dem der Euro beschlossen wurde.

Mit Einführung des Euro-Bargelds 2002 ging die D-Mark endgültig in den Ruhestand. Seither ist sie kein gesetzliches Zahlungsmittel mehr, behält aber ihren Wert: Bis heute können auf D-Mark lautende Banknoten und Münzen in den Filialen der Bundesbank gebührenfrei und unbegrenzt zum Umstellungskurs von 1 Euro = 1,95583 D-Mark umgetauscht werden.

In vieler Hinsicht wird die Erfolgsgeschichte der D-Mark vom Euro fortgeführt. Auch die EZB ist gegen politischen Einfluss geschützt, sie hat eine föderale Struktur und als oberstes Ziel die Preisstabilität. Die ab 1948 mit der Einführung der D-Mark entstandenen Strukturen existieren damit weiter.