Finanzstabilitätsbericht 2010 Stabilitätslage des deutschen Finanzsystems verbessert – Europäische Schuldenkrise und mittelfristige Gefahren aus anhaltenden Niedrigzinsen im Fokus

Mehr als drei Jahre nach ihrem Ausbruch ist die Finanzkrise keineswegs überwunden. Das Aufkommen der europäischen Schuldenkrise im Mai dieses Jahres war das schwerwiegendste Ereignis für die Finanzstabilität 2010. Um die Krise zu überwinden, muss es gelingen, das Vertrauen in nachhaltig tragfähige Staatsfinanzen in allen Staaten der Europäischen Währungsunion zurückzugewinnen und langfristig bestmöglich abzusichern. Daneben geraten aber auch die mittelfristigen Risiken aus einer möglicherweise lang anhaltenden Niedrigzinsphase zunehmend in den Fokus.

In diesem Umfeld zeichnet sich laut Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank das deutsche Bankensystem gegenwärtig durch eine verbesserte Konstitution aus. „Die Stabilitätslage des deutschen Bankensystems hat sich verbessert, die Banken erhalten derzeit Rückenwind durch die gute konjunkturelle Entwicklung in Deutschland“, sagte Vorstandsmitglied Dr. Andreas Dombret bei der heutigen Vorstellung des diesjährigen Finanzstabilitätsberichts der Deutschen Bundesbank. „Verwundbarkeiten und strukturelle Schwächen im deutschen Bankensystem bestehen weiterhin. Deshalb gilt es, Überkapazitäten im deutschen Bankenmarkt abzubauen und, wo nötig, zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.“

Die Risikolage im deutschen Finanzsystem hat sich dem Bundesbank-Bericht zufolge etwas entspannt. Anfällige Segmente im Forderungsbestand gegenüber dem Ausland bleiben vor allem die Finanzierung von Gewerbeimmobilien und strukturierte Wertpapiere. Die Wertberichtigungen im deutschen Bankensystem werden von rund 37 Mrd. EUR im Jahr 2009 auf geschätzt 23 Mrd. EUR im Jahr 2010 sinken. Für das Jahr 2011 erwartet die Bundesbank einen Wertberichtigungsbedarf von ebenfalls 23 Mrd. EUR. Gleichzeitig hat die Risikotragfähigkeit zugenommen. Die großen, international tätigen deutschen Banken haben ihre Kernkapitalquote (Tier I) vom ersten Quartal 2008 bis zum zweiten Quartal 2010 im Durchschnitt um 2,4 Prozentpunkte auf 10,4 % erhöht. Prof. Franz-Christoph Zeitler, Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, fasste zusammen: „Es gibt keine Hinweise, dass das deutsche Bankensystem nicht in der Lage wäre, den deutschen Konjunkturaufschwung kreditgebend zu begleiten.“

Die Weiterentwicklung des Regel- und Rahmenwerks wird nach Einschätzung der Bundesbank maßgeblich zu einem widerstandsfähigen Finanzsystem beitragen. Die durch Basel III erhöhten Mindesteigenkapitalquoten und die engere, strikter auf Verlustabsorptionsfähigkeit ausgelegte Definition des Kapitalbegriffs werden für robustere Banken sorgen. „Basel III bedeutet für alle Banken, auch für die deutschen, einen signifikanten Mehrbedarf an Kapital; neben Gewinnthesaurierungen und Portfoliooptimierungen werden auch Kapitalaufnahmen nötig sein“, sagte Zeitler. Letztlich werde durch die Umsetzung von Basel III aber das Marktvertrauen in die Kreditwirtschaft gefestigt.

Der Umgang mit systemrelevanten Finanzinstituten stellt nach Auffassung der Bundesbank besondere Herausforderungen an die Regulierung. Neue, strengere Vorschriften für den traditionellen Bankensektor dürfen dem Bericht zufolge jedoch nicht dazu führen, dass Geschäfte in wenig oder nicht regulierte Segmente des Finanzsystems verlagert werden. „Wir müssen das Schattenbankensystem angemessen ausleuchten und aufsichtlich erfassen, um Risiken in den volumenmäßig bedeutenden Randbereichen des Finanzsystems frühzeitig zu erkennen“, so Vorstandsmitglied Dombret. International besteht Konsens, zur Wahrung der Finanzstabilität die Überwachung auf das System als Ganzes, auf Interaktionen und auf Ansteckungseffekte zu richten. Derzeit wird in verschiedenen internationalen Foren unter aktiver Beteiligung der Bundesbank über die Auswahl und den möglichen Einsatz systemorientierter Instrumente diskutiert.