Jahrestagung von IWF und Weltbank und Treffen der G20-Finanzminister und -Notenbankgouverneure vom 09. bis 11. Oktober 2014 in Washington D.C.

Die Teilnehmer der Sitzungen des Internationalen Währungsfonds und der G20 im Rahmen der IWF-Jahrestagung werden ihren Fokus vor allem auf die globale Wirtschaftsentwicklung richten. Dabei werden insbesondere die Perspektiven für das weltweite Wachstum im Vordergrund stehen – vor allem angesichts der derzeitigen geopolitischen Risiken, deren Auswirkungen schwer zu quantifizieren sind.

Das G20-Trefffen steht im Zeichen der Vorbereitung des Gipfeltreffens in Brisbane im November. Der Schwerpunkt liegt darauf, das Wirtschaftswachstum zu stärken und die Finanzierung von Investitionen und Infrastruktur zu verbessern. Hierzu werden die Finanzminister und Notenbankgouverneure über die zentralen Vorhaben im Rahmen der "2 in 5"-Wachstumsinitiative sowie der Globalen Infrastruktur-Initiative beraten. Die G20-Teilnehmer werden ferner bestrebt sein, ihre bisherigen Arbeiten zur Finanzmarktregulierung so weit voranzutreiben, dass die 2008 beschlossene Reformagenda mit dem Gipfel weitgehend abgeschlossen werden kann.

I. Wirtschaftliche Entwicklung und wirtschaftspolitische Herausforderungen

Nach einem schwachen Start in das Jahr hat sich die globale Konjunktur im zweiten Quartal wieder etwas lebhafter gezeigt und dürfte nach Einschätzung der Bundesbank ihr moderates Grundtempo im Jahresverlauf in etwa halten. Im Juli 2014 übertraf die globale Industrieproduktion ihren Vorjahresstand um 3½ %; ihr Wachstum war damit spürbar stärker als im Durchschnitt des Jahres 2013 (+2½ %). Getragen wird diese Entwicklung auch durch das Wachstum in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften, vor allem den USA. So legte das reale Bruttoinlandsprodukt in den USA im zweiten Quartal 2014 binnen Jahresfrist um 2½ % zu; damit wurde die durchschnittliche Expansionsrate der US-Wirtschaft seit Beginn der zyklischen Erholung vor fünf Jahren (+2¼ %) etwas überschritten. Gleichwohl überwiegen aus Sicht der Bundesbank weiterhin die Abwärtsrisiken, wobei hier insbesondere die anhaltenden geopolitischen Spannungen die Konjunktur dämpfen könnten.

Im Euro-Raum hat sich die insgesamt schleppende konjunkturelle Erholung im zweiten Quartal noch verlangsamt und stagnierte im 2. Vierteljahr. Insbesondere die drei größten Volkswirtschaften konnten keine Wachstumsimpulse setzen. Für die kommenden Quartale rechnet die Bundesbank nur mit einer sehr verhaltenen Aufwärtsbewegung. Allerdings drohen auch hier Abwärtsrisiken die Wirtschaftsentwicklung zu belasten, vor allem die unsichere Lage in der Ukraine. Hinzu kommen für den Euro-Raum noch das zusätzliche Risiko einer drohenden Reformmüdigkeit, sowie Sorgen um ein nachlassendes Konsolidierungstempo.

Damit die IWF-Programmländer aus dem Euro-Raum, Zypern und Griechenland, wieder zu nachhaltiger wirtschaftlicher Erholung und Schuldentragfähigkeit gelangen, ist es entscheidend, dass sie den eingeschlagenen Reform- und Konsolidierungskurs konsequent fortsetzen. Die verbesserte Entwicklung in Griechenland – der IWF erwartet erstmals seit 2007 wieder ein positives Wachstum – darf nicht dazu verleiten, in den Reformbemühungen nachzulassen. Der Reformbedarf ist immer noch erheblich.

Die IWF-/EU-Programme Irlands und Portugals stehen aus Sicht der Bundesbank beispielhaft für den Erfolg konsequenter wirtschaftspolitischer Reformen. Allerdings ist mit dem Ende der Programme erst ein Etappenziel erreicht. Beide Länder müssen den bisherigen Konsolidierungskurs fortsetzen, um die Rückkehr zu tragfähigem Wachstum und den Kapitalmarktzugang dauerhaft zu sichern.

In Spanien befindet sich die Wirtschaft seit Mitte 2013 auf Erholungskurs, vor allem dank der tiefgreifenden Reformen. Auch hier besteht aber weiter Handlungsbedarf, nicht zuletzt mit Blick auf die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit.

Die deutsche Wirtschaft ist insgesamt in guter Verfassung. Dies spiegelt vor allem die anhaltend günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit steigender Beschäftigung (im Juli +0,8 % gegenüber dem Vorjahr) und spürbar anziehenden Löhnen (Effektivverdienste je Beschäftigten im 2. Vierteljahr +2,6 % gegen dem Vorjahr), so dass in Verbindung mit dem verhaltenen Verbraucherpreisanstieg (im September +0,8 % gegenüber dem Vorjahr) für 2014 ein kräftiges Reallohnplus zu erwarten ist. Allerdings hat sich die konjunkturelle Dynamik weiter abgeschwächt. Im zweiten Halbjahr zeichnet sich lediglich eine verhalten aufwärtsgerichtete Tendenz ab, nachdem die deutsche Wirtschaft im ersten Halbjahr saisonbereinigt noch mit einer Rate von ½ % gewachsen war. Die negative Wachstumsrate von -0,2 % des zweiten Vierteljahrs ist im Zusammenhang mit der witterungsbegünstigen Rate von +0,7 % im ersten Vierteljahr zu sehen.

Die Inflationsrate im Euro-Raum ist mit 0,3 % im September zwar weiterhin niedrig, die Bundesbank hält das Risiko eines breit angelegten Preisrückgangs jedoch für gering. Vor dem Hintergrund der gedämpften Inflationsaussichten, der schwachen Wirtschaftsdynamik und der verhaltenen Geldmengen- und Kreditentwicklung hat der EZB-Rat in jüngster Zeit umfangreiche geldpolitische Maßnahmen ergriffen, um den geldpolitischen Kurs weiter zu lockern. Die Maßnahmen dienen dazu, die Kreditvergabe an die Wirtschaft zu fördern und die feste Verankerung der langfristigen Inflationserwartungen zu unterstützen. Diese Maßnahmen sind jedoch nicht frei von Kosten und Risiken; insbesondere die Gefahr von Fehlentwicklungen bei Vermögenspreisen sollte nach Auffassung der Bundesbank nicht unterschätzt werden.

Auf den internationalen Finanzmärkten haben die geopolitischen Spannungen bislang nur zu einer zeitweise höheren Volatilität geführt. Die bestimmenden Faktoren für die Finanzmärkte bleiben die akkommodierende Geldpolitik der Notenbanken bzw. die realwirtschaftlichen Entwicklungen in den großen Währungsräumen. Auch die Lage auf den Finanzmärkten der Schwellenländer war zuletzt relativ entspannt. Um auf das Risiko eines abrupten Stimmungswechsels der Investoren vorbereitet zu sein, sollten die Schwellenländer ihren zum Teil bereits eingeschlagenen Reformkurs fortsetzen, Ungleichgewichte zu verringern und die Finanzstabilität zu stärken.

Die Arbeiten an der europäischen Bankenunion schreiten weiter planmäßig voran. Priorität hat nun der Abschluss des Comprehensive Assessment, durch das sichergestellt werden soll, dass der einheitliche Aufsichtsmechanismus frei von Altlasten starten kann. Am 4. November übernimmt dann die EZB die direkte Aufsicht über die 120 größten Banken des Euro-Raums und wird hierbei von den nationalen Aufsichtsbehörden unterstützt.

II. G20-Themen

Das weltweite Wirtschaftswachstum zu stärken ist das zentrale Thema der australischen G20-Präsidentschaft. Die gemeinsame Ambition der G20 im Rahmen ihrer "2 in 5"-Wachstumsinitiative ist die Steigerung der globalen Wirtschaftsleistung über einen Zeitraum von fünf Jahren um mindestens 2% über das vom IWF bis 2018 prognostizierte Niveau. Mit Blick auf dieses ehrgeizige Ziel werden die Mitglieder bis zum Gipfeltreffen in Brisbane umfassende länderspezifische Wachstumsstrategien erstellen, die insbesondere auf Strukturreformen beruhen sollen. Eine stärkere Fokussierung auf strukturelle Maßnahmen ist aus Sicht der Bundesbank die richtige Stoßrichtung, da hierdurch am besten nachhaltige Ergebnisse erzielt werden können. Weit weniger erfolgversprechend in diesem Zusammenhang erscheinen hingegen einseitige, auf kurzfristige Nachfragestimulierung zielende Aktionen – nicht zuletzt wegen ihrer tendenziell fragwürdigen fiskalischen Auswirkungen. Die Bundesbank merkt zur Initiative der G20 überdies an, dass es hier nicht um ein punktgenaues, quantitatives Wachstumsziel gehen kann. Vielmehr sollte das gemeinsame Bekenntnis der G20-Staaten im Vordergrund stehen, einen stabilen Trend zu einem tragfähigen Wachstum auf höherem Niveau zu begründen.

Flankiert werden die Bestrebungen zur Stärkung des Wachstums durch die Arbeiten der G20 zur langfristigen Investitions- und Infrastrukturfinanzierung. Bei ihrem Treffen im September in Cairns haben die Finanzminister und Notenbankgouverneure sich auf eine Globale Infrastruktur-Initiative geeinigt, die eine mehrjährige Investitionsagenda vorsieht. Die Bundesbank steht dieser Initiative grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, deren Schwerpunkt auf der Mobilisierung von langfristigem privatem Kapital sowie auf einer stärkeren Einbeziehung von Kapitalmärkten liegt. Bei der weiteren Ausgestaltung der Initiative sollte aus Sicht der Bundesbank bei Bedarf auf bestehende Institutionen wie z.B. die Weltbank zurückgegriffen werden. Die Gründung einer neuen internationalen Organisation ist in diesem Zusammenhang nicht geboten.

Die wichtigsten Bausteine der Finanzmarktregulierung im G20-Rahmen sind aus Sicht der Bundesbank nach wie vor die Schaffung widerstandsfähiger Finanzinstitute, die Lösung des "too-big-to-fail"-Problems, die Überwachung und Regulierung des Schattenbankensystems sowie die Etablierung sicherer Derivatemärkte. Diese zentralen Elemente der G20-Reformagenda sollen bis zum Gipfeltreffen in Brisbane im Großen und Ganzen abgeschlossen sein. So werden künftig geeignete Anforderungen an die Kapitalstruktur von global systemrelevanten Banken gelten. Insbesondere müssen diese Institute über eine ausreichende Masse an verlustabsorbierendem Kapital verfügen. Dadurch gewinnen die Sanierungs- und Abwicklungspläne für diese Institute Glaubwürdigkeit. Zudem hat der Baseler Ausschuss in Bezug auf die Regulierung von Liquiditätsrisiken Einigkeit erzielt. Mit Wirkung ab Januar 2018 werden mit der Net Stable Funding Ratio Mindestanforderungen an die mittelfristige Refinanzierungsstruktur der Institute gelten. Das Hauptaugenmerk bei den weiteren Arbeiten muss dann vor allem auf der Implementierung der Maßnahmen und auf der Vertrauensbildung in den Märkten liegen. Die zentrale Herausforderung bei der Umsetzung der Regulierungsmaßnahmen ist es, die grenzüberschreitende Kooperation zu gewährleisten, damit Marktfragmentierung vermieden wird und die Aufsicht effizient arbeiten kann.

III. Themen der IWF-Geschäftspolitik

IWF-geschäftspolitische Themen stehen bei dieser Jahresversammlung nicht auf der Agenda. Da die Quoten- und Governance-Reformen von 2010 wegen der noch nicht erfolgten Ratifizierung durch die USA nach wie vor nicht in Kraft getreten sind, wurden die Diskussionen zur anstehenden 15. Allgemeinen Quotenüberprüfung ausgesetzt, die gemäß Beschluss des IWF-Gouverneursrats bis Ende Januar 2015 abgeschlossen sein soll. Falls die Reformen bis zum Jahresende nicht ratifiziert sein sollten, ist vereinbart, dass der IWF Optionen für das weitere Vorgehen entwickeln soll.