Neue Bundesbank-Prognose: Deutsche Wirtschaft erhöht Expansionstempo

Die deutsche Wirtschaft hat Fahrt aufgenommen. Nachdem die Verschärfung der Staatsschuldenkrise im europäischen Währungsgebiet die Expansion unterbrochen hatte, weitet sich die gesamtwirtschaftliche Leistung wieder stärker aus. Dabei wechseln die Antriebskräfte. Während nach der Finanz- und Wirtschaftskrise außenwirtschaftliche Impulse überwogen, ist zuletzt die Binnenwirtschaft in den Vordergrund getreten. "Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich in einem guten Zustand: Die Arbeitslosenquote ist niedrig, die Beschäftigung steigt weiter, und der Lohnanstieg normalisiert sich", sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann anlässlich der neuen Halbjahresprognose. Zudem seien die Zinsen niedrig. "Diese Faktoren stützen den privaten Verbrauch und treiben den Wohnungsbau an." Demgegenüber neigte der Außenhandel zuletzt zur Schwäche. "Mit der weiteren konjunkturellen Aufhellung in den Industrieländern und der sich abzeichnenden Verbesserung im Euro-Gebiet sollten aber die Ausfuhren und in deren Folge Unternehmensinvestitionen und Einfuhren anziehen", erklärte Weidmann. 

Gesamtwirtschaftliche Produktion 

Unter diesen Bedingungen wird die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung der Bundesbank-Ökonomen im Jahr 2014 um 1,7 % und im Jahr 2015 um 2,0 % (kalenderbereinigt 1,8 %) wachsen, nach einem Anstieg von lediglich 0,5 % (kalenderbereinigt 0,6 %) in diesem Jahr. Bei einem Potenzialwachstum von jeweils 1,4 % in den beiden kommenden Jahren würde sich der gesamtwirtschaftliche Auslastungsgrad ausgehend von einem Normalniveau moderat erhöhen. Die Beschäftigung würde weiter zulegen; vor allem zugewanderte Personen dürften eine Anstellung finden. Der Leistungsbilanzüberschuss könnte sich auf das Niveau vor der Zuspitzung der Staatsschuldenkrise verringern. Der deutsche Staatshaushalt würde sich ohne die Auswirkungen der Koalitionsvereinbarung, die in der Prognose noch nicht berücksichtigt wurden, etwas verbessern und im Jahr 2015 einen Überschuss von knapp ½ % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen. Die hohe Schuldenquote dürfte deutlich sinken. 

Preisentwicklung 

Die im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt nachhaltig verbesserte Arbeitsmarktlage schlägt sich in höheren Lohnsteigerungen nieder, was als Normalisierung zu sehen ist. Der Anstieg der Verbraucherpreise könnte sich gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) zwar zunächst von 1,6 % in diesem Jahr auf 1,3 % im kommenden Jahr abschwächen, sich dann aber wieder auf 1,5 % im Jahr 2015 verstärken. Die Inflationsrate ohne Berücksichtigung der Energiepreise sollte sich infolge der vermehrt steigenden Löhne bis zum Jahr 2015 auf 1,9 % erhöhen. 

Risikobeurteilung 

Die Risiken für die Prognose sind zum einen im außenwirtschaftlichen Umfeld zu sehen. Die Auswirkungen der Staatsschuldenkrise im Euro-Gebiet wurden zwar eingedämmt und wichtige Reformen eingeleitet. Die hohe Verschuldung und die fortbestehenden Strukturprobleme werden jedoch die Krisenanfälligkeit der europäischen und der globalen Wirtschaft hoch halten. Zum anderen bestehen binnenwirtschaftliche Risiken. "Einige der in der Koalitionsvereinbarung in Aussicht gestellten Maßnahmen wie der Mindestlohn drohen die Leistungsfähigkeit der Arbeits- und Gütermärkte zu beschädigen, und der fiskalische Kurs soll gelockert werden", warnte Bundesbankpräsident Weidmann. Als konjunkturelle Chance ist anzusehen, dass sich die wirtschaftliche Grunddynamik stärker als hier beschrieben darstellen könnte.