Schwerpunkte des Monatsberichts Januar

Anpassungsprozesse in den Ländern der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion 

Der Monatsbericht Januar beschäftigt sich mit ausgewählten Aspekten des Anpassungsprozesses in den besonders von der Krise betroffenen Ländern des Währungsraums.

In den Jahren nach der Einführung des Euro bauten sich in einigen Mitgliedstaaten des Euro-Raums erhebliche makroökonomische Ungleichgewichte auf. Mit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 fand der insgesamt nicht nachhaltige Expansionsprozess der Vorjahre in diesen Ländern ein abruptes Ende. Die Länder, die von besonders starken Vertrauensverlusten betroffen waren, sehen sich mit einer Vielzahl schwieriger, von Land zu Land unterschiedlich dringlicher Aufgaben konfrontiert: Rückführung der hohen Leistungsbilanzdefizite und der hohen Netto-Auslandsverschuldung, Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, Sanierung der Finanzsysteme sowie ein geordneter Abbau der Schulden von privaten Haushalten und nichtfinanziellen Unternehmen.

Dabei gilt es, die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften zu steigern, damit sich wieder ein nachhaltiges, ausreichend Beschäftigung schaffendes Wachstum einstellt und so auch die sehr hohe Arbeitslosigkeit zurückgedrängt werden kann. Dazu sind durchgreifende Reformen der Arbeits- und Produktmärkte sowie der öffentlichen Verwaltungen und Rechtssysteme ebenso unabdingbar.

Spürbare Fortschritte

Vergleicht man vor diesem Hintergrund die derzeitige Lage und die Entwicklungstendenzen in den betroffenen Ländern mit der Ausgangssituation bei Ausbruch der Krise, so zeigt sich, dass bereits viel erreicht worden ist, aber auch noch erhebliche weitere Anpassungen zu bewältigen sind. Positiv hervorzuheben ist zunächst, dass der makroökonomische Anpassungsprozess in einigen Ländern bereits erhebliche Fortschritte gemacht hat: Die Leistungsbilanzdefizite sind weitgehend abgebaut, wobei, neben stark rückläufigen Importen, inzwischen in den meisten Ländern auch die Exporte spürbar zulegen. Dieser Umschwung dürfte zum überwiegenden Teil nicht bloß der Schwäche von Konjunktur und Binnennachfrage geschuldet sein. In den meisten Ländern verbesserte sich die preisliche und kostenseitige Wettbewerbsfähigkeit, und die Bemühungen, neue Auslandsmärkte zu erschließen, nahmen deutlich zu. Selbst der teilweise dramatische Anstieg der Arbeitslosigkeit scheint zum Ende zu kommen, allerdings auf einem bedrückend hohen Niveau.

Während dieses Anpassungsprozesses wurde eine ganze Reihe von Strukturreformen in Angriff genommen. Vergleichsweise weitreichend waren diese am Arbeitsmarkt, vor allem in den Bereichen Kündigungsschutz, Lohnersatzzahlungen und Tarifrecht. Auch der Finanzpolitik gelang es, durch einnahme- und ausgabenseitige Konsolidierungsmaßnahmen die Neuverschuldung zurückzuführen, die bei Krisenbeginn stark ausgeweitet worden war; insbesondere die strukturellen Defizite sind deutlich zurückgegangen.

Die massiv gestiegene Staatsverschuldung zeigt aber, dass die Staaten, teilweise gestützt auf die Hilfsprogramme, einen erheblichen Stabilisierungsbeitrag geleistet und dabei unter anderem das Finanzsystem und dort aufgetretene Verluste aufgefangen haben. Belege für die Fortschritte im Anpassungsprozess sind, dass Irland zum Ende des vergangenen Jahres das Hilfsprogramm erfolgreich abgeschlossen hat und dass das auf den Finanzsektor konzentrierte Programm für Spanien im Januar 2014 ausgelaufen ist.

Im Ergebnis sind in vielen der von der Krise besonders betroffenen Länder durch die angestoßenen Prozesse und Reformen die Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges Wachstum günstiger als vor der Krise, auch wenn dies gegenwärtig noch durch die hohe Arbeitslosigkeit als Folge der schwierigen Anpassungen verdeckt wird.

Bestehende Herausforderung

Ungeachtet der Fortschritte bei der Bewältigung der Krisenursachen bleibt jedoch eine ganze Reihe von Herausforderungen.

Blickt man auf die Finanzpolitik, so blieb, trotz der unternommenen Anstrengungen und der bislang erreichten Rückführung der Defizite ab etwa dem Jahr 2010, die Konsolidierung oftmals hinter den ursprünglichen Plänen und Vorgaben zurück - zum guten Teil auch weil die grundlegenden gesamtwirtschaftlichen Probleme unterschätzt worden waren. Die staatlichen Schuldenquoten der von der Krise besonders betroffenen Länder sind weiter deutlich gestiegen und haben inzwischen sehr hohe Niveaus von teilweise weit über 100 % in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt erreicht. Insgesamt bleiben die öffentlichen Finanzen dadurch anfällig für negative Schocks.

Für die Finanzpolitik bedeutet dies, nicht vom Konsolidierungskurs abzukehren und die staatlichen Defizite zügig auf die europäischen Zielwerte zurückzuführen. Der erforderliche Defizitabbau mag zwar kontraktiver wirken als in Normalzeiten, eine aufgrund kurzfristiger Wachstumseinbußen sich selbst neutralisierende Konsolidierung ist aber nicht zu erwarten. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die von der Krise besonders betroffenen Länder verlorenes Vertrauen an den Kapitalmärkten noch nicht oder gerade erst wiedergewonnen haben.

Um die preislichen und nicht preislichen Standortfaktoren weiter zu verbessern, müssen die Reformen auf Produkt- und Arbeitsmärkten fortgeführt werden, und im Hinblick auf effiziente, den wirtschaftlichen Prozess stützende Verwaltungsstrukturen und Rechtssysteme sind auch Art und Umfang der Staatstätigkeit kritisch zu prüfen.

Darüber hinaus sollte möglichst zügig Klarheit über den Umgang mit hohen privaten Schuldenständen erreicht werden. Einerseits verbietet sich ein einfacher Verzicht auf die Rückzahlung von Schulden, da dann Anreize zu künftigem Fehlverhalten zunehmen und künftige Kreditbeziehungen mit hohen Risikoprämien verbunden wären. Andererseits sollten uneinbringliche Forderungen umgehend bereinigt werden, und es ist Aufgabe der Politik, Modalitäten, die einer solchen Bereinigung entgegenstehen, anzupassen. Denn nicht tragfähige Wirtschaftsstrukturen aufrechtzuerhalten und anhaltende Unsicherheit, wo sich drohende Verluste künftig niederschlagen, zuzulassen, schwächt das Potenzialwachstum.

Eine solche Bereinigung um uneinbringliche oder gefährdete Forderungen dürfte insbesondere die Bankbilanzen belasten. Mit der Bankenunion wurde ein grundsätzlich bedeutender Integrationsschritt beschlossen, der den institutionellen Rahmen der Währungsunion gegen zukünftige Krisen stärken kann. Im Bankensektor soll die anstehende Bilanzüberprüfung der Institute, die künftig unmittelbar der gemeinsamen Aufsicht unterliegen, mehr Klarheit über die Höhe der bilanziellen Belastungen schaffen und dazu beitragen, Banken bilanziell wieder solide und überzeugend aufzustellen.

Damit dies gelingt, muss die Prüfung nach einheitlichen hohen Standards mit konservativen Wertansätzen erfolgen, und dabei ermittelte Lasten müssen zügig und nachhaltig beseitigt werden - primär indem die Eigenkapitalbasis aus eigenen oder am Kapitalmarkt aufgenommenen Mitteln gestärkt wird, hilfsweise über eine Beteiligung von Gläubigern und erst nach Ausschöpfen dieser Optionen bedarfsweise aus öffentlichen Mitteln des jeweiligen Mitgliedstaates.

Die gemeinsame Geldpolitik leistet zwar einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Krise: Sie unterstützt angesichts des geringen Preisdrucks mit ihrer expansiven Ausrichtung die Bewältigung der allgemeinen gesamtwirtschaftlichen Schwäche. Es ist allerdings nicht Aufgabe der europäischen Geldpolitik, die Solvenz nationaler Bankensysteme oder Staaten zu gewährleisten, und sie kann die notwendigen realwirtschaftlichen Anpassungen und Bilanzbereinigungen nicht ersetzen.

Letztlich geht es für die von der Krise besonders betroffenen Länder darum, sich wirtschafts- und finanzpolitisch so neu aufzustellen, dass sie den Anforderungen der Währungsunion mit ihrer gemeinsamen, stabilitätsorientierten Geldpolitik wieder aus eigener Kraft und dauerhaft gerecht werden. Dazu jeweils in der Lage zu sein, ist eine Aufgabe, der sich alle Mitgliedstaaten stellen müssen, und insofern hält der Blick auf Anpassungserfordernisse in den Krisenländern auch den übrigen Mitgliedstaaten einen Spiegel vor. Denn obwohl risikobewusstere Anleger und der Ordnungsrahmen der Währungsunion mit seinem reformierten Regelwerk der Politik wichtige Orientierungen geben können, ist es letztlich die Verantwortung und im ureigenen Interesse aller Mitgliedstaaten, durch ihr Handeln die Stabilität und den Erfolg der gemeinsamen Währung zu sichern.