Schwerpunkte des Monatsberichts Juni

Perspektiven der deutschen Wirtschaft – Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzungen 2012 und 2013

Die Konjunktur hat in Deutschland nach einer vorübergehenden Schwächephase wieder Fahrt aufgenommen. Die Anpassungsrezession in einigen Ländern des Euro-Raums und der von der Staatsschuldenkrise ausgehende Vertrauensverlust haben zwar Spuren hinterlassen, der strukturell gute Zustand der deutschen Volkswirtschaft und die robuste globale Konjunktur haben aber die Oberhand behalten. Der hohe Beschäftigungsgrad und die kräftigen Lohnsteigerungen im Verbund mit den grundsätzlich intakten Zukunftsaussichten stützen nicht nur die Binnenkonjunktur. Sie erhöhen auch die Attraktivität Deutschlands für Zuwanderer. Verstärkt werden die Auftriebskräfte durch außergewöhnlich günstige Finanzierungsbedingungen, in denen sich die expansive Ausrichtung der europäischen Geldpolitik und „safe haven“-Effekte niederschlagen. Während der Euro-Raum als Abnehmer deutscher Produkte gegenüber Drittländern weiter an Bedeutung verliert, dürften die Einfuhren aus den EWU-Ländern schneller zunehmen. Neben direkten Nachfrage- und Angebotseffekten spielen hierbei auch Verschiebungen relativer Preise eine Rolle.

Im laufenden Jahr dürfte das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts mit 1,0% beziehungsweise kalenderbereinigt 1,2% annähernd die geschätzte Potenzialrate von 1¼% erreichen. Unter der Voraussetzung einer anhaltenden Erholung der Weltwirtschaft und bei Ausbleiben einer Eskalation der Finanz- und Staatsschuldenkrise könnte sich das reale Wachstum im Folgejahr dann auf 1,6% (kalenderbereinigt 1,7%) verstärken. Bei den Verbraucherpreisen deutet sich unter der Annahme moderat nachgebender Rohölnotierungen eine Entspannung an. Die Lebenshaltung insgesamt dürfte sich im laufenden Jahr um 2,1% und im Folgejahr um 1,6% verteuern. Ohne Energie gerechnet zeichnet sich eine Verstärkung von 1,6% auf 1,8% ab.

Die Risiken für dieses Szenario sind überwiegend externer Natur. Käme zu der bereits in der Schätzung berücksichtigten schwächeren Entwicklung im Euro-Raum ein spürbarer konjunktureller Dämpfer in Drittländern hinzu, würde dies die deutsche Volkswirtschaft angesichts ihres hohen Offenheitsgrades empfindlich treffen. Unsicherheit geht auch von der weiteren Entwicklung der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum angesichts der politischen Situation in Griechenland und den Problemen des Bankensektors in Spanien aus. Sollten sich die in der Folge erneut aufgeflammten Spannungen an den Finanzmärkten nicht als vorübergehend erweisen und die wirtschaftliche Entwicklung in den davon hauptsächlich betroffenen Ländern der Währungsunion als schwächer herausstellen als im Basisszenario bereits angenommen, würde dies Deutschland spürbar belasten. Demgegenüber könnte die binnenwirtschaftliche Expansion angesichts der außerordentlich günstigen Finanzierungsbedingungen auch noch stärker ausfallen. Insgesamt ist festzustellen, dass die vorliegende Prognose vor diesem Hintergrund einem außergewöhnlich hohen Ausmaß an Unsicherheit und Risiken unterliegt.

Der Rohölpreis und seine Bedeutung für die Konjunktur in den Industrieländern

Im historischen Vergleich wie auch in der Gegenüberstellung mit den Schwellenländern wird oftmals betont, dass sich die Fortgeschrittenen Volkswirtschaften in den vergangenen Jahren konjunkturell nur verhalten erholt haben. Regelmäßig wird dies mit dem Bemühen zunächst der privaten Haushalte und Unternehmen, dann auch der öffentlichen Hand um eine Konsolidierung ihrer Finanzen begründet. Dagegen ist die in der Öffentlichkeit wiederholt geführte Debatte um einen „double dip“ in den Industrieländern bislang kaum in Zusammenhang mit dem „double peak“ beim Rohölpreis gebracht worden. Dieser erreichte bereits im April 2011 fast wieder seinen Höchststand vom Sommer 2008 nach einer kurzen, aber ausgeprägten rezessionsbedingten Entspannung.

Vor allem die steile gesamtwirtschaftliche Aufwärtsbewegung in den Schwellenländern dürfte dafür maßgeblich gewesen sein. Seit dem Jahreswechsel 2010/2011 haben aber auch angebotsseitige Faktoren eine wichtige Rolle gespielt. Die Krisen der siebziger Jahre haben die ökonomischen Zerrüttungen vor Augen geführt, die von einer Beschneidung des Ölangebots durch Ereignisse wie Kriege, Revolutionen oder Embargos ausgehen können. Weniger offensichtlich hingegen sind die dämpfenden Einflüsse, welche eine nachfrageseitig bedingte Steigerung des Ölpreises ausübt. Global betrachtet muss die ursächliche Aktivitätszunahme mögliche retardierende Effekte dominieren. Aus Sicht eines einzelnen Landes jedoch kann der eventuell beobachtbare Saldo positiver und negativer Wirkungen ganz unterschiedlich ausfallen. Er dürfte nicht zuletzt davon abhängen, inwieweit eine Volkswirtschaft über eine eigene Ölförderung von der relativen Preisverschiebung profitiert, unmittelbar teilhat an der zugrunde liegenden Aktivitätszunahme oder indirekt an dieser über eine enge außenwirtschaftliche Verflechtung partizipiert.

Ungeachtet der größeren Zusammenhänge dürfte aber die Preissteigerung für sich betrachtet über verschiedene Kanäle die gesamtwirtschaftliche Erzeugung in Öl importierenden Ländern beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass die Ölpreisschübe der vergangenen Jahre das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern insgesamt spürbar zurückgehalten haben, die retardierenden Effekte jedoch über die nationalen Grenzen hinweg differieren. Insbesondere die dämpfenden Einflüsse auf die deutsche Wirtschaft dürften aufgrund der relativ geringen Verbrauchsintensität, enger Handelsbeziehungen zu Öl exportierenden Ländern sowie einer allgemein gestärkten Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit vergleichsweise gering ausgefallen sein. Demgegenüber legen Simulationsrechnungen – unter Vernachlässigung der eigentlichen Ursache der Ölpreissteigerung – im Fall der USA erhebliche Outputverluste nahe, die möglicherweise die amerikanische Wachstumsschwäche speziell der ersten Jahreshälfte 2011 erklären helfen. Gerade die zuletzt robuste Erholung der US-Wirtschaft verdeutlicht aber auch, dass die ökonomischen Zusammenhänge komplex sind und ein kräftiger Ölpreisschub nicht zwangsläufig zu einer Rezession führen muss.

Die Rolle des „Baseler Zinsschocks“ bei der bankaufsichtlichen Beurteilung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch

Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch stellen für viele Kreditinstitute ein wesentliches Risiko dar. Trotz ihrer Bedeutung sind diese Risiken nicht Bestandteil der Mindestkapitalanforderungen nach der ersten Säule des Baseler Rahmenwerks. Begründet wird dies vom Baseler Komitee mit den großen Unterschieden zwischen den Banken in Bezug auf die Ausprägungen der Zinsänderungsrisiken und die Verfahren zur Risikomessung.

Bei der zweiten Säule des Baseler Rahmenwerks wird die Einrichtung angemessener Risikosteuerungs- und -controllingprozesse für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch gefordert. Diese Risiken müssen zudem in die interne Risikotragfähigkeitsermittlung des Instituts einbezogen werden, sodass eine laufende Abdeckung mit Risikodeckungspotenzial sichergestellt ist.

Die Umsetzung der Anforderungen wird von der Aufsicht im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungsverfahrens überwacht. Als erster Indikator der Aufsicht zur Identifikation von Instituten mit vergleichsweise hohen Zinsänderungsrisiken wird der „Baseler Zinsschock“ herangezogen. Dieser Indikator, der für standardisierte Szenarien auf Basis der internen Methoden und Verfahren von den Instituten ermittelt wird, ermöglicht der Aufsicht eine Beobachtung der Zinsrisikonahme sowohl von einzelnen Instituten als auch über alle Institute hinweg. Die deutschen Vorgaben zur Ermittlung des Zinsschocks wurden im letzten Jahr unter anderem wegen einer weiteren Harmonisierung in der europäischen Aufsicht überarbeitet. Der Monatsberichtsbeitrag geht auf die überarbeiteten Vorgaben ein, diskutiert die Vor- und Nachteile des „Baseler Zinsschocks“ als Indikator für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch und stellt dessen Einsatz bei der laufenden Überwachung der Institute vor dem Hintergrund eines historisch niedrigen Zinsniveaus und der vergleichsweise hohen Volatilität an den Märkten dar.