Schwerpunkte des Monatsberichts Oktober 2011

Die Schuldenbremse in Deutschland – Wesentliche Inhalte und deren Umsetzung

Im Jahr 2009 wurde in Deutschland eine grundlegende Reform der staatlichen Verschuldungsregeln beschlossen. Für den Bund und die Länder wurden im Grundgesetz mit einem strukturell annähernd beziehungsweise vollständig ausgeglichenen Haushalt enge Neuverschuldungsgrenzen verankert. Die Ausnahmen wurden deutlich enger gefasst sowie an Tilgungsregelungen geknüpft. Mit der Neuregulierung soll auch die Einhaltung des Mittelfristziels für das gesamtstaatliche Defizit aus dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt abgesichert werden. Bevor die Grenzen bindend werden, ist für die Länder eine Übergangsfrist bis 2020 und für den Bund bis 2016 vorgesehen. Die Reform ist ausdrücklich zu begrüßen und stellt eine klare Verbesserung dar. Die aktuelle Staatsschuldenkrise hat die zentrale Bedeutung solider Staatsfinanzen nachdrücklich verdeutlicht. Zu deren Absicherung sind stringente nationale Regeln wichtig. Entscheidend für den Erfolg ist, dass die neuen Bestimmungen konsequent umgesetzt und befolgt werden. Hierfür ist Transparenz sowohl bezüglich der Regelungen als auch deren Anwendung besonders wichtig. Dies ermöglicht insbesondere die Kontrolle durch die Öffentlichkeit.

Derzeit entwickeln sich die Staatsfinanzen in Deutschland unerwartet günstig, und die zuvor sehr hohen Defizite gehen stark zurück. Die neuen Regeln durften den eingeschlagenen Konsolidierungskurs bisher spürbar unterstutzt haben. Allerdings hat der Bund die Defizitobergrenzen für die Übergangsphase sehr hoch festgelegt, und etliche Länder scheinen die letztlich nötigen Konsolidierungsmaßnahmen aufzuschieben. Wichtig wäre, zugig einen ausgeglichenen Haushalt auf allen Ebenen zu erreichen. Darüber hinaus ist dringend zu empfehlen, Sicherheitsabstande zur Obergrenze des Grundgesetzes einzuplanen. Damit lassen sich insbesondere bei unerwartet ungünstigen Entwicklungen Notwendigkeiten zu kurzfristigen Anpassungen vermeiden, die dann potenziell prozyklisch wirken können. Um im Sinne der neuen Haushaltsregeln eine übermäßige strukturelle Verschuldung zu verhindern, sind außerdem eine angemessene Definition der aus der Begrenzung ausgeklammerten finanziellen Transaktionen, die auch faktisch symmetrische Berücksichtigung positiver und negativer Konjunktureinflusse und der Verzicht auf eine Verschuldung über staatliche Nebenhaushalte erforderlich.

Die außenwirtschaftliche Position Deutschlands vor dem Hintergrund zunehmender wirtschaftspolitischer Überwachung

Als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise gibt es sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene Bestrebungen, die bestehende wirtschaftspolitische Koordinierung zu intensivieren. Im Rahmen der makroökonomischen Überwachung der EU („Economic Governance“), aber auch auf Ebene der G-20 („Mutual Assessment Process“: MAP) sollen zukünftig volkswirtschaftliche Entwicklungen auf ihre Tragfähigkeit hin untersucht werden. Ausgangspunkt des Überwachungsverfahrens auf europäischer Ebene wird ein Frühwarnsystem auf Basis ausgewählter Indikatoren sein. Wenn sich die Hinweise auf potenzielle oder bestehende Ungleichgewichte in einer detaillierten Länderanalyse bestätigen, sollen Empfehlungen ausgesprochen werden, die die betroffenen Volkswirtschaften zu wirtschaftspolitischen Reformen veranlassen.

Eigene empirische Untersuchungen zeigen, dass sich die „hinter der Leistungsbilanz“ stehenden Spar- beziehungsweise Investitionsentscheidungen durch marktkonforme wirtschaftspolitische Maßnahmen jedoch nur moderat beeinflussen lassen. Zusätzlich erschweren Wirkungsverzögerungen eine klare Zuordnung der Effekte auf die Leistungsbilanz. Mit Blick auf Deutschland steht mitunter der Überschuss der Leistungsbilanz in der Kritik. Diese Kritik könnte durch die Überwachungsverfahren zusätzlich verstärkt werden, wenn – wie es sich abzeichnet – auch positive Positionen der Leistungsbilanz als Hinweis auf mögliche Fehlentwicklungen angesehen werden. Dies wäre nicht zielführend, da sich aus der im internationalen Vergleich hohen deutschen Nettoersparnis – anders als im Falle von Leistungsbilanzdefiziten – keine Zahlungsverpflichtungen ergeben, deren Nichterfüllung Risiken für andere Länder oder die Stabilität der Währungsunion birgt.

Letztlich sind der Leistungsbilanzsaldo und die Auslandsposition keine eigenständigen wirtschaftspolitischen Zielgrößen, sondern das Ergebnis zahlreicher, überwiegend privatwirtschaftlicher Entscheidungen im Inland und im Ausland. Allerdings können diese in der Summe zu Fehlentwicklungen führen, die das Funktionieren der Europäischen Währungsunion beeinträchtigen und die Anfälligkeit der internationalen Kapitalmärkte erhöhen. Andererseits gilt es, angesichts der aufgezeigten Diagnoseprobleme sowie der eingeschränkten Wirksamkeit wirtschaftspolitischer Maßnahmen eine Balance zu finden zwischen berechtigten Eingriffen, um Stabilitätsrisiken für andere Volkswirtschaften oder den Euro-Raum als Ganzes abzuwenden, und einer zu vermeidenden Feinsteuerung wirtschaftlicher Entwicklungen.