Schwerpunkte des Monatsberichts Oktober 2012
Finanzkrise und Zahlungsbilanzentwicklungen in der Europäischen Währungsunion
In einigen Ländern des Euro-Raums hatten sich im Vorfeld der Finanzkrise erhebliche und persistente Leistungsbilanzdefizite aufgebaut. Infolgedessen hat die Verschuldung dieser Länder gegenüber dem Ausland kräftig zugenommen, und die Finanzierungsrisiken der Kapitalgeber sind dadurch signifikant gestiegen. Die Finanzkrise hat diese Schwachstellen und Risiken abrupt offengelegt: Zur Verschärfung der Entwicklungen trug bei, dass im Verlauf der Krise vielfach negative Rückkopplungen zwischen den Problemen im Bereich der öffentlichen Finanzen und den Risiken der nationalen Bankensysteme zum Tragen kamen, die die Tragfähigkeit der gesamten Verschuldungsposition gegenüber dem Ausland in den Augen der privaten Investoren in Zweifel zogen. Im Ergebnis stehen in jüngster Zeit den Leistungsbilanzdefiziten dieser Länder – ungeachtet der rückläufigen Positionen – keine ausreichenden privaten Kapitalzuflüsse mehr gegenüber.
Insoweit handelt es sich in den betreffenden Ländern nicht nur um einen Vertrauensverlust in die öffentlichen Haushalte, sondern um krisenhafte Zahlungsbilanzprobleme. Derartige Zahlungsbilanzschwierigkeiten wurden im Vorfeld vielfach als vernachlässigbares Risiko für den gemeinsamen Währungsraum angesehen und ihre Tragweite unterschätzt. Darüber hinaus hat die Krise gezeigt, dass die üblichen Korrekturmechanismen bei nationalen Zahlungsbilanzungleichgewichten innerhalb des Euro-Raums im Vergleich zu anderen Wechselkurssystemen verzögert wirken. Wie eigene empirische Untersuchungen bestätigen, ist dies auch darauf zurückzuführen, dass in einer Währungsunion nicht nur die Wechselkurse zwischen den Mitgliedstaaten fixiert werden, sondern dass die gemeinsame Geldpolitik über die Vereinheitlichung der kurzfristigen Zinssätze und über die liquiditätspolitischen Stützungsmaßnahmen den Anpassungsprozess abfedert und zeitlich streckt.
Damit wird in den betroffenen Ländern ein allzu abrupter gesamtwirtschaftlicher Korrekturprozess mit erheblichen Folgekosten für die Realwirtschaft und die dortigen Finanzsysteme verhindert. In dem Maß, in dem marktgetriebene Korrekturprozesse nur eingeschränkt wirken, kommt es damit jedoch entscheidend darauf an, dass über wirtschafts- und finanzpolitische Koordinierung und Konditionalitäten die notwendigen makroökonomischen Anpassungsprozesse abgesichert werden, um für die Zukunft zu nachhaltigen externen Positionen innerhalb der Währungsunion beizutragen. Außerdem dürfen die sich in den Zinsen widerspiegelnden Risikoprämien nicht weitgehend eingeebnet werden.
Dies setzt eine geeignete Regulierung und ein geschärftes Risikobewusstsein der Marktteilnehmer voraus. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie in der EWU – die nationale Eigenverantwortung das konstitutive Element des institutionellen und rechtlichen Rahmens bildet. Darüber hinaus stellt ein geschwächter Korrekturmechanismus in der EWU aber auch grundsätzlich höhere Anforderungen an die Homogenität der Mitglieder. Das neu implementierte makroökonomische Ungleichgewichtsverfahren der EU sowie der Fiskalpakt sind sicherlich Schritte in die richtige Richtung. Allerdings muss sich noch zeigen, inwieweit Fehlentwicklungen damit künftig frühzeitig identifiziert und behoben werden können.
Zur Entwicklung der Länderfinanzen in Deutschland seit dem Jahr 2005
Die Finanzlage der Länder war in den vergangenen Jahren durch starke Schwankungen gekennzeichnet. Nachdem zwischenzeitlich für die Ländergesamtheit der Haushaltsausgleich erreicht worden war, kam es mit der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009 zu einer erheblichen Verschlechterung. Seitdem ging das Defizit insgesamt zwar wieder deutlich zurück, aber erst zum Ende des Finanzplanungszeitraums 2016 soll wieder ein annähernder Haushaltsausgleich erreicht werden.
Die aktuelle Finanzlage ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Während in einigen Ländern schon im letzten Jahr Überschüsse verzeichnet wurden, meldeten andere weiterhin sehr hohe Defizite. Aus hohen Schulden resultierende Zinsbelastungen spielten dabei zwar vielfach eine wichtige Rolle. Die übrigen Ausgaben und die Einnahmen variierten aber mitunter ebenfalls beträchtlich.
Zur Eindämmung auch der Länderschulden wurden im Jahr 2009 strenge Kreditgrenzen im Grundgesetz verankert. Ab 2020 müssen alle Länder ihre Haushalte (strukturell) ausgleichen. Die Ausgestaltung wichtiger Details der Schuldenbremse wurde allerdings den Landesgesetzgebern vorbehalten, wobei die Übergangsfrist des Grundgesetzes für die Mehrzahl der Länder sehr lang erscheint. Inzwischen liegen nach Verfassungsänderungen einiger Länder erste Ausführungsgesetze vor. Zumeist wurden allerdings (noch) keine genauen oder nur wenig ambitionierte Vorgaben für den Defizitmindestabbau in der Übergangsphase festgelegt. Ebenso wie bei den Ländern ohne Neuregelung der Verschuldungsgrenzen birgt dies die Gefahr, dass notwendige Konsolidierungsmaßnahmen aufgeschoben werden und schließlich Probleme bei der Zielerreichung auftreten. Je später die Konsolidierung erfolgt, desto höher wird auch die künftige Zinsbelastung ausfallen, womit sich die Spielräume für die übrigen Ausgaben weiter spürbar verengen werden. Länder mit hohen Ausgangsdefiziten sind hier besonders gefordert.
Grundsätzlich empfiehlt es sich, deutliche Sicherheitsabstände zu den verfassungsmäßigen Neuverschuldungsgrenzen vorzusehen, um kurzfristige und potenziell prozyklische Anpassungsanforderungen nach unerwartet ungünstigen Entwicklungen zu vermeiden.
Bei der ebenfalls bis 2020 anstehenden Reform des Länderfinanzausgleichs erscheint es auch vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ausgangslagen folgerichtig, die Flexibilität auch auf der Einnahmenseite zu erhöhen und beispielsweise länderspezifische Zu- und Abschläge bei Gemeinschaftssteuern zu ermöglichen.
Die Bedeutung von Handelskrediten für die Unternehmensfinanzierung in Deutschland – Ergebnisse der Unternehmensabschlussstatistik
Im Finanzierungsspektrum der nichtfinanziellen Unternehmen in Deutschland gehören Handelskredite zu den wichtigsten Instrumenten der Fremdfinanzierung. Dieser spezielle Unternehmenskreditmarkt stellt teils eine Alternative, teils eine Ergänzung zum kurzfristigen Bankkreditgeschäft dar.
Als Grundtypen lassen sich erhaltene Anzahlungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen unterscheiden. In der Form von Anzahlungen basieren sie auf gewachsenen Zahlungsgewohnheiten, die in Wirtschaftszweigen mit Auftragsfertigung die Vorfinanzierungslast und das erhöhte wirtschaftliche Risiko des Lieferanten bei langfristigen Fertigungsprozessen teilweise kompensieren. Insgesamt macht dieser Teil der Handelskredite mit gut 5% an der Bilanzsumme allerdings nur etwa die Hälfte dessen aus, was als Lieferantenkredite im Unternehmenssektor passiviert wird. Diese Finanzierungsquelle nutzen vor allem Unternehmen mit hohem Warenumschlag. Sie bildet damit einen wesentlichen Teil der zur Finanzierung des Umlaufvermögens erforderlichen kurzfristigen Fremdmittel. Teilweise werden aber auch die hohen Debitorenpositionen refinanziert, die der deutschen Wirtschaft im Zusammenhang mit ihrem Auslandsgeschäft entstehen.
Eigene Sonderauswertungen der Unternehmensabschlussstatistik der Bundesbank zeigen, dass die Nutzung des kurzfristigen Finanzierungsinstruments Handelskredit vor allem mit branchenspezifischen Faktoren beziehungsweise Finanzierungserfordernissen zusammenhängt, die aus dem Geschäftsmodell der betreffenden Firmen resultieren. Durch den Liquiditätsausgleich innerhalb des Unternehmenssektors liefern die dabei entstehenden Handelskreditketten einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Flexibilität und Stabilität der Unternehmensfinanzierung.
Aufgrund der güterwirtschaftlichen Unterlegung sind Handelskredite eng mit dem Konjunkturzyklus verbunden. Sie erleichtern nicht zuletzt die kurzfristige Anschubfinanzierung für Betriebsmittel am Anfang einer konjunkturellen Erholungsphase. Mit Blick auf den gewährten Umfang von Handelskreditforderungen ist mit ihnen in bestimmten Branchen jedoch auch jenseits der zyklischen Komponente ein langfristiges Kreditengagement verbunden, das erhebliche Größenordnungen erreichen kann. Die systematische Kontrolle der damit einhergehenden Risiken erfordert ein professionelles Kredit- und Liquiditätsmanagementsystem aufseiten der Gläubiger.
Die Verwendung von Bargeld und unbaren Zahlungsinstrumenten: eine mikroökonomische Analyse
Für die Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen stehen Verbrauchern unterschiedliche Zahlungsinstrumente zur Verfügung. Sie können zwischen Bargeld und unbaren Zahlungsmitteln wählen. Um detaillierte Informationen über das Zahlungsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher zu erhalten, führt die Bundesbank regelmäßig Erhebungen zu diesem Thema durch. In diesem Monatsbericht werden die Ergebnisse einer kürzlich abgeschlossenen Studie vorgestellt und mit den entsprechenden Resultaten aus dem Jahr 2008 verglichen.
Die aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Privatpersonen Bargeld für 53% aller Gesamtausgaben – ohne wiederkehrende Zahlungen wie beispielsweise Miete – verwenden. Damit ist es weiterhin das meistgenutzte Zahlungsinstrument in Deutschland, bei einem Rückgang gegenüber 2008 um fast 5 Prozentpunkte. Die „girocard“ (ehemals „ec-Karte“) ist mit einem Nutzungsanteil von 28% das wichtigste unbare Zahlungsinstrument, deren Anteil um fast 3 Prozentpunkte gestiegen ist. Mit deutlichem Abstand folgen die Überweisung und die Kreditkarte.
Grundsätzlich hat die Bedeutung unbarer Zahlungsinstrumente in den letzten Jahren zugenommen, während die Nutzungsintensität von Bargeld zurückging. Hierbei handelt es sich um einen langsamen aber kontinuierlichen Prozess, der schon seit einigen Jahren zu beobachten ist. Kurz bis mittelfristig ist deshalb mit einer weiteren Substitution von Bargeld durch unbare Zahlungsinstrumente zu rechnen.
Die vermehrte Nutzung des Internets zum Einkaufen wirkt sich ebenso auf das Zahlungsverhalten aus. Werden Produkte, die sonst im stationären Handel gekauft und bar bezahlt wurden, jetzt im Internet eingekauft, ist die Verwendung unbarer Zahlungsinstrumente fast unumgänglich. Von dieser Entwicklung profitieren die Internetbezahlverfahren. Zudem könnte die Substitution von Bargeld durch Innovationen bei den Zahlungsinstrumenten – insbesondere kontaktloses Bezahlen mit der Zahlungskarte oder dem Mobiltelefon – beschleunigt werden.