Sektorale Vermögensbildung und Finanzierung im zweiten Quartal 2010 Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung

Gemäß den aktuellen Ergebnissen der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung hat das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland im 2. Quartal 2010 zugenommen. Nach dem spürbaren Rückgang im Winterhalbjahr 2008/2009 ist es damit zum fünften Mal in Folge gewachsen. Die Verschuldung der privaten Haushalte ist im 2. Vierteljahr geringfügig gestiegen. Bei den nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften gingen die ausstehenden Verbindlichkeiten hingegen unter anderem aufgrund einer gegenüber dem Vorquartal schwächeren Außenfinanzierung zurück. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte markierte Ende Juni 2010 einen neuen Höchststand.

Private Haushalte: Geldvermögen und Verschuldung legen zu

Die Geldvermögensbildung der privaten Haushalte betrug im 2. Quartal 2010 gut 36 Mrd €. Zuwächse gab es im Wesentlichen bei den Bankeinlagen und den Ansprüchen gegenüber Versicherungen. Die Bankeinlagen (einschließlich Bargeld) nahmen netto um gut 21 Mrd € zu und trugen damit den Großteil zur aktuellen Geldvermögensbildung bei. Wegen des niedrigen Zinsniveaus erwiesen sich im Einzelnen – wie schon in den Vorquartalen – vor allem die Sichteinlagen als relativ attraktiv, denen netto gut 21 ½ Mrd € zuflossen. Bei den Spareinlagen gab es dagegen nur geringe Zuwächse. Ihr Anstieg war mit netto knapp 1 ½ Mrd € der geringste seit Beginn der Niedrigzinsphase im 4. Quartal 2008. Das niedrige Zinsniveau dürfte auch für den abermaligen und inzwischen seit 1 ½ Jahren andauernden Abbau der Termineinlagen (einschl. Sparbriefe) verantwortlich sein. Allerdings lag ihr Rückgang mit netto gut 5 Mrd € deutlich unter den Abflüssen der Vorquartale. Betroffen waren vor allem die kurzfristigen Termineinlagen, während langfristige Einlagen (mit einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren) geringfügige Zuflüsse verzeichneten. Die Bargeldhaltung hat sich schließlich mit rund 3 Mrd € im üblichen Rahmen ausgeweitet.

Spürbare Zuwächse gab es auch bei den Ansprüchen gegenüber Versicherungen. Diese stiegen netto um 14 ½ Mrd €. Die Zunahme fiel damit zwar schwächer aus als im 1. Quartal (+24 Mrd €), in denen Versicherungsnehmern traditionell die Überschussbeteiligungen gutgeschrieben werden. Das bereits hohe Niveau des Vorjahresquartals wurde hingegen noch leicht übertroffen. Zusammen mit der beobachtbaren Erweiterung der von den Versicherungen angebotenen Produktpalette – etwa in Form von Einmalbetrags-Versicherungen, die einer attraktiv verzinsten Termineinlage ähneln – könnte dies auf ein grundsätzlich geändertes Anlageverhalten der privaten Haushalte zugunsten von Versicherungsprodukten hindeuten.

Geringfügige Abflüsse gab es hingegen bei den Wertpapieren. Die diesbezüglichen Investitionen gingen im Berichtsquartal netto um rund 1 ½ Mrd € zurück. Hauptverantwortlich dafür war das abnehmende Engagement in Investmentfondsanteilen, die per saldo in Höhe von 3 ½ Mrd € verkauft wurden. Die Mittelabzüge betrafen dabei zwar verschiedene Fondstypen, konzentrierten sich aber auf Aktien- und offene Immobilienfonds. Während die Nettoverkäufe von Aktienfondsanteilen im Zusammenhang mit der erhöhten Unsicherheit und den damit verbundenen Kursschwankungen stehen dürften, könnte bei den offenen Immobilienfonds nicht zuletzt die Diskussion um deren Liquidität und die vorübergehende Schließung ausgewählter Fonds belastend gewirkt haben. Rentenwerte verzeichneten demgegenüber leichte Zuflüsse. Hier dürfte eine Rolle gespielt haben, dass vor allem Bundesanleihen zunehmend als „sicherer Hafen“ wahrgenommen wurden.

Die zuvor beschriebene Zunahme des Geldvermögens im Zusammenhang mit Transaktionen wurde zwar durch Kursverluste bei den bereits gehaltenen Wertpapieren im Umfang von 21 Mrd € gedämpft. Nichtsdestotrotz setzte das Geldvermögen die seit fünf Quartalen andauernde Erholung fort und liegt im Berichtsquartal gut 350 Mrd € über dem krisenbedingten Tiefpunkt vom 1. Quartal 2009. Im Ergebnis führte dies zum Ende des zweiten Quartals 2010 zu einem Geldvermögensbestand der privaten Haushalte von 4 768 Mrd €, dem höchsten Wert seit der Wiedervereinigung.

Die Verschuldung der privaten Haushalte nahm im Berichtszeitraum nur geringfügig zu. Per saldo wurden Kredite (einschl. sonstiger Verbindlichkeiten) in Höhe von knapp 6 Mrd € aufgenommen. Am Quartalsende summierten sich die Schulden bei Banken und Versicherungen auf insgesamt 1 530 Mrd € und blieben gegenüber dem Vorjahresquartal nahezu unverändert. Das Nettogeldvermögen stieg auf 3 237 Mrd €.

Nichtfinanzielle Unternehmen: geringe Geldvermögensbildung und abnehmende Außenfinanzierung

Die Geldvermögensbildung der Produktionsunternehmen fiel mit 5 ½ Mrd € wie schon im Vorquartal relativ schwach aus. Derart geringe Zuflüsse waren zuletzt während der wirtschaftlichen Schwächephase zu Beginn des Jahrzehnts zu verzeichnen. Mitverantwortlich dafür dürfte die gegenüber den Vorquartalen gestiegene Verwendung der Mittel für reale Investitionen sein.

In der Außenfinanzierung (ohne Berücksichtigung von Krediten zwischen Unternehmen) kam es nach der Zunahme im 1. Quartal wieder zu einem Rückgang von per saldo 14 Mrd €. Maßgeblich dafür war die Entwicklung bei den Krediten, die netto um insgesamt 7 Mrd € getilgt wurden. Dabei sind vor allem die im Konzernverbund aufgenommenen Auslandskredite zurückgegangen, die in erster Linie von größeren und international agierenden Unternehmen in Anspruch genommen werden (9 Mrd €), und die Kredite bei Banken im In- und Ausland (5 Mrd €). Kaum Veränderungen gab es hingegen bei der marktbasierten Finanzierung: Schuldverschreibungen (einschl. Geldmarktpapiere) wurden netto um knapp ½ Mrd € zurückgeführt und die eigenkapitalbasierte Finanzierung, die noch im Vorquartal deutlich zulegen konnte, spielte kaum eine Rolle.

Staat: deutliche Zunahme der Verschuldung

Der Kreditbedarf des Staates ist weiterhin hoch, und die Verbindlichkeiten sind per saldo um rund 42 Mrd € gewachsen. Im drittstärksten Anstieg seit Einführung des Euro im Jahr 1999 schlug sich auch ein Schuldenanstieg aufgrund von Stützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise nieder. Zur Finanzierung wurde einerseits auf die Emission neuer Schuldtitel zurückgegriffen, die netto um 18 ½ Mrd € zunahmen. Andererseits wurden per saldo neue Kredite im Umfang von 23 ½ Mrd € aufgenommen. Die Verschuldung des Staates (die in der Finanzierungsrechnung zu aktuellen Kursen berechnet wird) belief sich Ende Juni 2010 auf 1 940 Mrd € und war damit um 150 Mrd € höher als ein Jahr zuvor.