„Einfacher ist besser – Bankenregulierung nach dem Prinzip Marie Kondō 80. Bankwirtschaftliche Tagung des BVR in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Vielen Dank für die Einladung!

Das Drei-Säulen-Modell des deutschen Bankensektors hat sich, vor allem mit Blick auf die mittelständische Wirtschaft, immer wieder bewährt. Daher sollten wir dieses erfolgreiche Modell weiterhin als Grundpfeiler der deutschen Wirtschaft stärken – und es mit Selbstbewusstsein vertreten. Ich halte es für ein sehr dezentrales Modell, in dem Entscheidungen von vielfältigen Akteuren getroffen werden – und die Marktmacht nicht bei einigen wenigen Konglomeraten liegt.

Ich freue mich über die zarten Pflänzchen des wirtschaftlichen Aufschwungs, die wir für Deutschland aktuell sehen. Im ersten Quartal dieses Jahres ist das deutsche BIP um 0,4 Prozent gewachsen, der Inflationsdruck nimmt laut Deutschland-Prognose der Bundesbank ab, und für 2026 wird übereinstimmend von einer soliden wirtschaftlichen Expansion ausgegangen.

Doch wir alle wissen, dass die aufhellende Konjunktur kein Grund ist, sich zurückzulehnen und auszuruhen. Wenn wir in der künftigen Welt prosperieren wollen – also in einem Umfeld, zu dem Klimawandel, die digitale Revolution, der demographische Wandel und nicht zuletzt das Wanken der politischen Grundfesten von Demokratie und Frieden gehören – dann müssen wir einiges ändern und weiterentwickeln.

Mit anderen Worten: Wir müssen wirtschaftlich und politisch aufräumen. Und dies betrifft auch die Finanzmärkte und den Bankensektor: 

Es betrifft die Finanzaufsicht und die Bankenregulierung – Stichworte sind unter anderem Bürokratieabbau, Risikoorientierung und Digitalisierung.

Und es betrifft den Finanzsektor, und damit auch den Genossenschaftssektor – Stichworte sind hier unter anderem Governance, Risikomanagement, Geschäftsmodell.

Wie aber räumt man auf, ohne dass man hinterher nichts wiederfindet oder gar mehr Chaos hat als vorher? 

Als vielbeschäftigter Vater von zwei kleinen Kindern weiß ich, welche Herausforderung es ist, für Ordnung zu sorgen.

Und deshalb vertraue ich heute einmal der Aufräumexpertin Marie Kondō, die mit ihren Büchern und Fernsehserien weltberühmt wurde.

2 Wirtschaftliches Aufräumen und Bankenregulierung in Zeiten des Wandels

Keine Sorge, ein Aufräumseminar will ich heute nicht veranstalten. Ich finde aber: die Regeln der sogenannten „KonMari“-Methode sind nützlich, um die Bankenregulierung aus einer Vogelperspektive zu betrachten.

Wenden wir diese Regeln also auf die Bankenregulierung und -aufsicht an. Regel 1, die Verschreibung und Verpflichtung zur Vereinfachung, hat bereits stattgefunden. Die Bundesbank hat sich hierzu klar bekannt und arbeitet seit Monaten daran.

Anders als bei Marie Kondō muss die Bankenregulierung und -aufsicht aber nicht den Instituten Freude bereiten, sondern der Gesellschaft als Ganzes nutzen. 

Doch gleichzeitig gibt es bei unserer Verpflichtung zum Aufräumen Vorhaben, die dem Bankensektor Freude – und zwar berechtigte – bereiten dürften; welche das sind, dazu komme ich noch.

3 Finanzstabilität bereitet Freude: Eine Vision für die Bankenregulierung

Kommen wir zum zweiten Prinzip der KonMari-Methode. Es verlangt die Vorstellung eines idealen Lebensstils, welcher durch die künftige Ordnung ermöglicht und genährt werden soll.

Welche Zielbilder haben wir für die Bankenregulierung? 

Vor der Finanzkrise war Alan Greenspan der wohl geachtetste Notenbanker der Welt. Seine Haltung zu Bankenregulierung und -aufsicht war repräsentativ für die Vorkrisenzeit und lautete so: Das Handeln privater Akteure, um sich selbst zu schützen – private Regulierung – ist im Allgemeinen recht wirksam. Staatliche Regulierung läuft Gefahr, die private Regulierung und die Finanzstabilität selbst zu untergraben, indem sie Anreize durch moralisches Risiko verzerrt und eine effektivere Rolle bei der Förderung der Finanzstabilität verspricht, als sie halten kann.[1]

Das übermäßige Vertrauen in eine solche Selbstregulierung entpuppte sich leider als exorbitant teurer Trugschluss. Es zeigte sich erneut: Marktwirtschaftliche Prozesse brauchen einen gut durchdachten Rahmen, damit sich ihre segensreichen Wirkungen entfalten können. Ordnungspolitik ist aktueller denn je.

Aus dem Alptraum der großen Finanzkrise erwuchs ein neues Zielbild: die von Prosperität auf den Schultern von Finanzstabilität.

„Finanzstabilität“ – das war die Chiffre für die damalige regulatorische Aufräumaktion. 

Ich kenne die weitverbreitete Kritik an den vielen Regeln und dem neuen aufsichtlichen Wind, der seitdem weht. Und Sie können mir glauben: Ich sehe Ihre Last mit den Regeln! Ich bin weder blind noch naiv. Mir ist klar, dass die unzähligen Regeln, die aus Berlin und Brüssel kommen, sehr viel Arbeitsaufwand und Nerven fordern – und dass nicht immer auf Anhieb klar ist, wie die jeweilige neue Regel dem Glückszustand der Finanzstabilität zuträglich sein soll.

Und dass hier Aufräumpotenzial besteht, das wissen wir alle und darauf komme ich auch gleich zu sprechen.

Wenn wir aber unter der Chiffre Finanzstabilität die Auswirkungen auf alle Stakeholder der Bankenregulierung in den Blick nehmen, dann spricht die Empirie eine eindeutige Sprache:

Die schon umgesetzten Basel III-Regeln haben die Finanzstabilität gestärkt.[2] Auf dieser Basis konnten die europäischen Banken die vielen Herausforderungen gut überstehen: Denken wir nur an die Pandemie und den folgenden starke Zinsanstieg; oder die Bankenturbulenzen im Jahr 2023.

Und sie tun das, ohne Wirtschaftswachstum oder Kreditvergabe zu hemmen.[3]

Darüber hinaus zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass Banken mit höheren Kapitalniveaus tendenziell widerstandsfähiger sind; sie gewährleisten die Kreditversorgung der Realwirtschaft zuverlässiger, insbesondere in Krisenzeiten.[4]

Doch selbst bei hoher Regeldichte führt eine zu nachsichtige Aufsicht zu anfälligen Banken. Das wissen wir spätestens seit den Bankenturbulenzen des Frühjahrs 2023. Es ist vor allem der rigorosen, selbstkritischen Aufarbeitung der US-Behörden zu verdanken, dass wir die zwei zentralen Lehren ziehen konnten: Institute können ungesund wachsen, wenn ihre Governance schwach ist und wenn Aufsichtsbehörden nicht konsequent agieren.[5]

4 Auf die Reihenfolge kommt es an: „First line of defense“ bleibt das Risikomanagement

Kommen wir zu einer weiteren KonMari-Regel: Auf die Reihenfolge kommt es an. Der springende Punkt ist hier, dass man mit dem anfangen soll, was vermeintlich einfacher auszusortieren ist und damit gleich zu Beginn Erfolge erntet.

Ehrlich gesagt passt das hier nicht ganz – denn was in der Bankenaufsicht als erstes kommt, ist nicht unbedingt das einfachste: Ich spreche vom Risikomanagement und der internen Governance Ihrer Institute als „first line of defense“.

Eine solide interne Governance und insbesondere wirksame Risikokontrollen sind für die Widerstandsfähigkeit von Instituten gegenüber den dynamischen Veränderungen der Risikolandschaft zentral. Im Laufe der vergangenen Jahre gab es leider vermehrt Fälle, in denen schlechte Governance von Instituten zu Problemen geführt hat. 

Die aktuellen Problemfälle bei den Genossenschaftsbanken sind insbesondere auf Governance-Probleme, Management-Fehler sowie unzureichendes Risikomanagement zurückzuführen. In einigen Fällen wurden Institute sowohl regional als auch sachlich weit über ihr Kerngeschäft hinaus tätig und haben in diesem Zuge z. B. hohe Klumpenrisiken am Gewerbeimmobilienmarkt aufgebaut. Dass die Risiken dort besonders hoch sind, haben wir als Finanzaufsicht in der Vergangenheit mehrfach betont. Häufig haben solche Institute auch versucht, sich dem direkten Sichtfeld des BVR zu entziehen, indem sie eigenständig zu Prüfungsverbänden gewechselt sind, die externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit der Prüfung beauftragen.

Auch wenn in der jüngsten Zeit weiterhin eine Zunahme an Problemfällen zu beobachten ist – ein grundsätzliches, strukturelles Problem ist aus unserer Sicht noch nicht erkennbar.

Nichtdestotrotz müssen die Genossenschaftsbanken die aktuellen Problemfälle zum Anlass nehmen, ihr eigenes Risikomanagement unter die Lupe zu nehmen und die Governance z. B. hinsichtlich der Qualifikation und der Auswahl von Aufsichtsräten zu stärken. 

Außerdem sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Prozesse der Sicherungseinrichtung des BVR kritisch überprüft werden. Diesbezüglich wurden erste Anpassungen bereits im Rahmen der aktuellen Reform des Statutes für die Sicherungseinrichtung auf den Weg gebracht. Wir nehmen dies sehr positiv auf; aber es sollte mit Blick auf die jüngsten Problemfälle nur der Startschuss für eine tiefgreifende Weiterentwicklung der Sicherungseinrichtung ein. Wir werden diesen Prozess als Finanzaufsicht eng begleiten.

Institutssicherung – das wissen alle hier im Saal – ist aber nicht nur eine Baustelle für die Verbünde selbst, sondern auch eine regulatorische: Stichwort CMDI-Review, die Überarbeitung des Rahmens für das Krisenmanagement und die Einlagensicherung in Europa.

Es würde diese Rede sprengen, hierauf im Detail einzugehen. Nur drei Punkte sind mir wichtig: Zum ersten, dass der CMDI-Review wichtig ist, um die Finanzstabilität im europäischen Binnenmarkt weiter zu stärken; das Ergebnis muss die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes von Steuergeldern zur Rettung von Banken weiter senken.

Zum zweiten hält die Bundesbank die vorgesehene stärkere aufsichtliche Begleitung von präventiven Maßnahmen der Institutssicherung für sinnvoll. 

Zum dritten darf aber auch die Funktionsfähigkeit der Sicherungssysteme nicht beeinträchtigt werden. Daher setzen wir uns dafür ein, dass die Institutssicherung auch künftig ihre erfolgreiche Rolle in der Einlagensicherung spielen wird.

Wir begrüßen, dass bei der politischen Einigung zum CMDI-Review die Bedeutung der Institutssicherungssysteme erkannt und berücksichtigt wurde. 

Auch wenn sich Änderungen bei Funktionsweise der Institutssicherungssysteme und ein erhöhtes Abstimmungserfordernis mit der Aufsicht für die konkrete Durchführung von Stützungsmaßnahmen ergeben, bleibt die Funktionsfähigkeit des Institutssicherungssystems sichergestellt. 

Wir sehen die harmonisierten Rechtsvorschriften für Einlagensicherungssysteme sogar als Chance, dass die bewährten nationalen Systeme auch im europäischen Kontext gestärkt daraus hervorgehen.

Im Detail werden wir die nun erforderlichen Arbeiten zur Fertigstellung des konkreten Rechtstexts genau verfolgen, und insbesondere auch den Schutz der Einlagensicherungsmittel weiter im Blick behalten.

Doch zurück zur Baustelle der Verbünde: Im BVR wurde die Problematik erkannt und ich stimme Frau Kolak zu, dass die Solidargemeinschaft der Sicherungseinrichtung kein Freifahrtschein für hochriskante Geschäfte und grob fahrlässiges Handeln sein darf. Begrüßenswert sind die Bestrebungen im Verband, durch gezielte Maßnahmen die Governance zu stärken und den aktuellen Herausforderungen anzupassen. 

Aber es sind nicht nur die Beaufsichtigten, die aufräumen müssen – und damit kommen wir zu dem Teil, auf den Sie vermutlich gewartet haben: Wo müssen Gesetzgeber, wo muss Regulierung und wo muss Aufsicht aufräumen und ausmisten?

5 Sortiere aus, was keine Freude bereitet: Regulierungsvereinfachung nach KonMari

Das Ziel verlieren wir dabei aber nicht aus dem Blick. Das Ideal der Freude durch Ordnung nach KonMari können wir dabei so übertragen: Beim Ausmisten in Bankenregulierung und -aufsicht sollten wir nach dem suchen, was der Finanzstabilität wenig nützt, aber einen hohen Erfüllungsaufwand bedeutet. Diese Regeln sollten wir aussortieren – nicht aber solche, die eine wichtige Bedeutung für die Stabilität haben.

Wir untersuchen in der Bundesbank schon seit einigen Monaten, bei welchen Regeln und Verfahren wir den Erfüllungsaufwand senken können.

Dabei haben wir und andere Behörden eine ganze Reihe von Bereichen gefunden – und an diesen wird in den verschiedenen nationalen Gremien mit der BaFin und den europäischen Gremien mit EZB und EBA gearbeitet.

Wir sehen in diesem Prozess eine große Chance, und die Ansatzpunkte sind vielfältig: Eigenkapital Stacking Order, Stress Tests, Reporting, ESG und Omnibus-Gesetz sowie vor allem die MaRisk. Bei Vereinfachungen für signifikante Institute wird es insbesondere auf die Ergebnisse der EZB High-Level Task Force ankommen, in der die Bundesbank tatkräftig mitwirkt.

Doch heute möchte ich die Vereinfachungsbemühungen vor allem aus Sicht der kleineren Institute beleuchten. Dies folgt einer weiteren Kondo-Regel: Wir sollen lieber nach Kategorie statt nach Räumen sortieren; denn so behält man einen besseren Überblick. Also schauen wir nach der Kategorie der kleinen, nicht komplexen Banken.

Hervorheben möchte ich dabei die MaRisk und ihre künftige Vereinfachung. Die MaRisk sind ein gutes Beispiel für Proportionalität, die meisten kennen den Grundsatz der doppelten Proportionalität. Die Anforderungen der Aufsicht werden individuell an Größe und Komplexität ausgerichtet – und zusätzlich an der individuellen Risikoposition eines jeden Instituts. Bereits heute sind Erleichterungen für kleine Kreditinstitute bei Stresstests oder im Berichtswesen möglich.

Derzeit arbeiten wir zudem zusammen mit der BaFin am MaRisk Review: Die große Menge europäischer Regeln hat auch die MaRisk stark wachsen lassen. Daher ist es an der Zeit, sie auf den Prüfstand zu stellen – mit dem Ziel, sie wieder stärker prinzipien- und risikoorientiert zu gestalten. Ich bin mir sicher, dies wird auch zu mehr Proportionalität führen – und damit auch zur Vereinfachung für die kleineren Institute.

Aber könnten wir vielleicht noch weiter gehen? Die Diskussion über Proportionalität ist nicht neu und wird in Europa schon länger unter der Chiffre „Small Banking Box“ geführt – also ein eigenes, separates Regelwerk für kleine, wenig riskante Institute. Die Bundesbank setzt sich schon seit fast zehn Jahren hierfür ein. Einer meiner Vorgänger hat bereits 2017 gesagt die ‚Small Banking Box‘ [sei] die am besten geeignete Lösung für den systematischen Abbau operativer Belastungen […].[6]

Auch aus den Reihen des BVR kamen in den vergangenen Monaten wieder vermehrt Wünsche, diesen Ansatz noch konsequenter zu verfolgen.[7]

Kritisiert werden vor allem die EU-Regeln. Das ist nachvollziehbar, denn es sind viele und sehr detaillierte Regeln. Sie sind aber der Preis der europäischen Integration – wer ja zum Binnenmarkt sagt und dabei kein reines EU-Regime möchte, sondern auch nationalen Besonderheiten beibehalten will, der muss auch ja zu detaillierten europäischen Regeln sagen. 

Ich denke, die Vorteile des Binnenmarkts überwiegen klar etwaige Nachteile. Und ein neues EU-Regime, das nationale Besonderheiten außen vor lässt, ist weder realistisch noch wünschenswert. Es ist an uns, in diesem Rahmen das Regelwerk möglichst effektiv und effizient aufzustellen.

Dies schaffen wir meines Erachtens durch ein klares Bekenntnis zu Proportionalität und dem EU-Kriterium „klein, nicht komplex“, kurz SNCI. Dies sollten wir künftig unbedingt weiter stärken – dafür wird sich die Bundesbank und werde ich mich persönlich einsetzen.

Eine Stärkung des SNCI-Prinzips ist auch Teil der bereits von mir angesprochenen Wünsche des BVR. Herr Quinten hat zuletzt ein separates, deutlich weniger komplexes Regelwerk für die SNCI-Banken gefordert – mit Verweis darauf, dass so etwas in anderen Jurisdiktionen bereits umgesetzt oder in Planung sei, vor allem in den USA; der Schweiz und dem Vereinigten Königreich. 

Klar ist, Vereinfachungen dürfen nicht dazu führen, dass unser Grundprinzip „gleiche Risiken – gleiche Regeln“ verletzt wird.

Wenn wir grundsätzliche Vereinfachungen vornehmen würden, müssten wir also immer fragen: Wie schaffen wir dann noch das adäquate Maß an Finanzstabilität?

Außerdem sollten wir überlegen: Wie wäre sichergestellt, dass keine Wettbewerbsverzerrungen für die unterschiedlichen Banken entstehen?

Der Blick über die EU hinaus lehrt, dass es Ansätze gibt, die Regulierung und Aufsicht vereinfachen und gleichzeitig die Finanzstabilität wahren. 

Das Kleinbankenregime der Schweiz[8] und das Rahmenwerk der Vereinigten Staaten[9] zeigen, dass eine Leverage Ratio für klassische Bankaktivitäten eine ausreichende Kapitalausstattung sicherstellen kann, ohne dass risikobasierte Anforderungen erforderlich sind. In der Schweiz ist die Leverage Ratio für Kleinbanken mit 8 Prozent deutlich über den bei uns gültigen 3 Prozent angesetzt, dafür fallen individuelle Kapitalanforderungen weg.

Wenn wir als Aufsicht weniger genau und individuell messen, dann brauchen wir konservativere Maßstäbe. 

Herr Quinten hat sich dahingehend für ein „genauso strenges“ System ausgesprochen. Der Blick ins Ausland zeigt: Bei deutlich weniger Regeln bedeutet „genauso streng“ höhere Mindestanforderungen an Kapital und Liquidität.

Ein solcher Ansatz findet auch unter renommierten Ökonomen Anklang.[10]

Der Gewinn des Ansatzes besteht darin, das risikobasierte Rahmenwerk nicht länger einhalten zu müssen. Auch die damit verbundenen Säule 2-Anforderungen könnten wegfallen. Das wäre eine deutliche Reduktion der Komplexität.

Welche Anforderungen könnte man für kleine Banken darüber hinaus aussortieren? Ich nenne drei Beispiele:

  • Die Bundesbank sieht Möglichkeiten bei Reporting-Erleichterungen – so arbeiten wir aktuell an einer Überarbeitung der Meldeanforderungen, damit nur relevante Daten und diese auch nur einmal und überlappungsfrei erhoben werden müssen.

  • Für kleine Banken, die nicht kapitalmarktorientiert agieren, könnte zweitens die Offenlegung deutlich gegenüber den großen Instituten reduziert werden und sogar zentral erfolgen. Wir arbeiten auf europäischer Ebene hier bereits an Lösungen.

  • Drittens gibt es bei der Vergütung sehr komplexe Anforderungen an die Institute – für kleine Banken sehen wir Erleichterungspotenzial.

6 Schluss

Meine Damen und Herren,

Auch die letzte Regel Marie Kondos für gelingendes Aufräumen möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Freude als Maßstab. Sie besagt, dass wir jeden Gegenstand in die Hand nehmen und uns fragen sollen: ‚Bereitet mir das Freude?‘ 

Nur das, was dir wirklich Freude bereitet oder dich glücklich macht, darf bleiben.

Vielleicht fällt uns zunächst keine Regel ein, die bleibt. Wenn wir jedoch Freude oder Glück realwirtschaftlich und gesellschaftlich definieren, sieht es wohl anders aus; denn dann reden wir von Finanzstabilität.

Doch auch mit diesem hehren Ziel gibt es genug Chancen zum Ausmisten. Das habe ich heute versucht, aufzuzeigen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Fußnoten:

  1. Remarks by Governor Donald L. Kohn.
  2. https://www.bis.org/bcbs/publ/d544.htm.
  3. https://www.bis.org/bcbs/publ/wp38.pdf.
  4. Admati, A. R., DeMarzo, P. M., Hellwig, M., & Pfleiderer, P. (2010). Fallacies, irrelevant facts, and myths in the discussion of capital regulation: Why bank equity is not expensive (No. 2010, 42). Preprints of the Max Planck Institute for Research on Collective Goods; Admati, A., & Hellwig, M. (2014). The bankers' new clothes: What's wrong with banking and what to do about it. Princeton University Press.
  5. Review of the Federal Reserve’s Supervision and Regulation of Silicon Valley Bank.
  6. Auf dem Weg zu einer Small Banking Box – welches Geschäftsmodell braucht welche Regulierung? | Deutsche Bundesbank.
  7. Europa braucht einen Ordnungsrahmen für kleine und mittlere Banken.
  8. Kleinbankenregime | FINMA.
  9. Community Bank Leverage Ratio Framework: Community Bank Compliance Guide – October 2019.
  10. Admati & Hellwig (2013) – The Bankers' New Clothes. What’s Wrong with Banking and What to Do about It; or Allan Meltzer: Banks Need More Capital, Not More Rules – WSJ.