Ausgespart? Vortrag bei der Veranstaltung Politisches Forum Ruhr

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Begrüßung

Sehr geehrter Herr Dr. Holthoff-Pförtner,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich danke Ihnen sehr herzlich für die Einladung zum Politischen Forum Ruhr und ich freue mich, dass diese Veranstaltung auf so ein großes Interesse gestoßen ist.

Mervyn King, der frühere Gouverneur der Bank of England, sagte einmal zu Beginn einer Rede, dass nur wenige Menschen tapferer seien, als jene, die sich – noch dazu abends – die Rede eines Notenbankers anhören. Und ich könnte am heutigen Tag hinzufügen: Insbesondere, wenn am selben Abend ein mutmaßlich spannendes Fußballspiel im Fernsehen läuft.

Dass Sie mir heute den Vorzug gegenüber dem Pokalspiel Bayern gegen Dortmund geben, ist vermutlich den krisenhaften Zuspitzungen der jüngsten Zeit zu verdanken. Notenbanker rücken in Krisenzeiten, ob sie wollen oder nicht, in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Notenbankthemen finden sich mehr und mehr auf den Titelseiten der Tageszeitungen; nach der geldpolitischen Entscheidung im Januar hatten die deutschen Fernsehsender sogar Sondersendungen ins Programm genommen.

Denken Sie bitte nicht, dass mich das freut. Mich erfüllt diese Entwicklung mit Sorge, denn sie ist letzten Endes auch Ausdruck einer Dehnung des Notenbankmandats, einer zunehmenden Politisierung der Geldpolitik und stetig steigender Erwartungen, die die Geldpolitik zu überfordern drohen.

Dieser geschärfte Blick auf die Arbeit der Notenbanken erfordert, die Geldpolitik noch besser zu erklären. Das versuche ich in Vorträgen wie dem heutigen, aber auch in Interviews.

Letztes Jahr wurde ich unter anderem von der Bild-Zeitung interviewt. Das Besondere daran war, dass mir die Fragen von Kindern gestellt wurden.

Ein achtjähriger Junge fragte mich, warum es eigentlich Bundesbank heiße, worauf ich ihm erklärte, dass wir die Bank des Bundes seien. Nein, hakte der Jungreporter ein, er wolle wissen, warum es Bundesbank und nicht Bundestisch oder Bundesstuhl heiße.

Klar, ein Achtjähriger denkt beim Begriff Bank zunächst einmal an eine Sitzgelegenheit und nicht an ein Geldinstitut. Sprachwissenschaftler sprechen in so einem Fall von lexikalischer Mehrdeutigkeit – das habe ich dem Jungen allerdings nicht gesagt.

Andere Beispiele für Mehrdeutigkeit sind Schloss oder Steuer oder abgebrüht. Wörter, die mehrere Bedeutungen haben, im Kontext aber normalerweise richtig verstanden werden. Und der Titel, den das Politische Forum Ruhr für den heutigen Vortrag vorgeschlagen hatte, ist auch mehrdeutig. Er lautet: Ausgespart?

Heute geht es freilich weder um bauliche Aussparungen, noch soll hier ein wichtiges Thema ausgespart werden. Vielmehr – so habe ich den Titel jedenfalls verstanden – soll es um die Frage gehen, ob die Zeit des Sparens vorbei sei.

Ich assoziiere den Titel, der ja mit einem Fragezeichen versehen ist, mit drei Themen rund ums Sparen, die ich hier ansprechen möchte:

  1. Die private Ersparnisbildung im Niedrigzinsumfeld

  2. Den nachlassenden Spareifer einiger europäischer Regierungen

  3. Die Forderungen nach einer Abkehr von der sogenannten "Sparpolitik" in Deutschland.

2 Ausgespart? Private Ersparnisbildung im Niedrigzinsumfeld

Ein Thema wird derzeit gerade in Deutschland stark diskutiert: die Folgen der Niedrigzinspolitik. In der FAZ war kürzlich zu lesen: "Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nimmt den Deutschen die Lust am Sparen."

Tatsache ist, dass der EZB-Rat die Leitzinsen quasi auf null gesenkt hat, und dies hat auch Folgen für die Verzinsung von Sparanlagen. Kurzfristige Bankeinlagen privater Haushalte rentieren mit deutlich weniger als einem Prozent. Hin und wieder wird in der Presse sogar von negativen Einlagezinsen berichtet. Aber auch längerfristige Anlagen werden immer niedriger verzinst, wozu neben einer wenig dynamischen Wirtschaftsentwicklung im Euro-Raum ebenfalls die Geldpolitik beiträgt:

Mit der Ankündigung, die Notenbankzinsen "für einen ausgedehnten Zeitraum" auf dem niedrigen Niveau zu halten ("Forward Guidance"), und dem umfangreichen Ankauf von Staatsanleihen drückt die Geldpolitik auch die längerfristigen Zinsen immer weiter nach unten. Die sogenannte Zinsstrukturkurve wird damit flacher.

Insofern ist es verständlich, dass sich Sparer über die europäische Geldpolitik ärgern. Doch wann sind die Zinsen eigentlich zu niedrig? Und welchen Maßstab muss die Geldpolitik hier anlegen?

Die Aufgabe der Geldpolitik besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Preise stabil bleiben. Daraus leiten sich dann die angemessenen Notenbankzinsen ab. Oder um den früheren EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet zu zitieren: "Es ist nicht das Mandat der EZB, einen Zins anzustreben, der allen gefällt. Es ist das Mandat, Preisstabilität herzustellen."

Nach der Definition des EZB-Rates heißt Preisstabilität, dass die Inflationsrate im Euro-Raum auf mittlere Sicht unter, aber nahe 2 % liegen soll. Diese 2 % entspringen nicht unbedingt einer präzisen Ableitung, sie bieten aber einen Sicherheitsabstand von der Nulllinie, der aus verschiedenen Gründen sinnvoll ist.

Auch die Bundesbank ging bei der Ableitung ihrer Geldmengenziele von einem "normativen Preisanstieg von 2 %" aus, der allerdings als "in der mittleren Frist maximal zu tolerierende Inflationsrate aufzufassen" war. Aktuell liegt die Inflationsrate jedoch bei rund 0 %, und es waren zuletzt sogar leichte Rückgänge des Preisniveaus zu verzeichnen.

Um die Teuerung mittelfristig wieder in Richtung der Zielmarke zu bewegen, hat der EZB-Rat in den letzten zwölf Monaten eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Geldpolitik zu lockern. Da das konventionelle Instrument der Notenbank, also der Leitzins, bereits weitgehend ausgereizt war – sich nämlich schon nahe der Nullgrenze befand – die sinkende Inflationsrate aber die realen Zinsen anhob, wurden weitere Maßnahmen ergriffen.

So wurden und werden Banken sehr langfristige Kredite zu äußerst günstigen Konditionen angeboten, und mehrere Programme zum Ankauf von Wertpapieren wurden beschlossen – darunter auch ein Programm zum Ankauf von Staatsanleihen.

Diesem Programm stand und stehe ich bekanntermaßen skeptisch gegenüber. Zum einen habe ich die Notwendigkeit eines solchen Programms bezweifelt. Zum anderen sehe ich grundsätzlich erhebliche Risiken bei Staatsanleihekäufen.

Die Inflation ist derzeit zwar in der Tat weit von unserer Stabilitätsmarke entfernt. Da dies aber zum Gutteil auf den starken Ölpreisrückgang zurückzuführen ist, ist die aktuelle Nullinflation aller Voraussicht nach nur ein vorübergehendes Phänomen.

Mittelfristig wird die Teuerung wieder anziehen, ob mit oder ohne Staatsanleihekäufe. Denn der Ölpreisrückgang wirkt wie ein kleines Konjunkturprogramm. Die Kaufkraft der Verbraucher wird gestärkt, aber auch Unternehmen können günstiger produzieren.

Mit den Anleihekäufen wird das Ziel zwar vermutlich etwas schneller erreicht. Die Frage ist aber, ob dieser Zeitgewinn es rechtfertigt, die mit solchen Käufen verbunden Risiken einzugehen. Schließlich führt ein solches Programm zu einer noch stärkeren Vermischung von Geldpolitik und Fiskalpolitik. Die Notenbanken werden zum größten Gläubiger der Staaten.

Wenn sich die Staaten an dauerhaft günstige Finanzierungsbedingungen gewöhnen und für einen Teil der Schuld die Differenzierung der Zinsen nach dem Risiko ausgeschaltet wird, kann das deren Konsolidierungs- und Reformeifer dämpfen. Solche Reformen sind aber notwendig, um die eigentlichen Ursachen der Krise im Euro-Raum, wie zu hohe Haushaltsdefizite, geringe Wettbewerbsfähigkeit und schwaches Wirtschaftswachstum in vielen Mitgliedstaaten zu überwinden.

Unterbleiben aber die benötigten Reformen, wird es für die Geldpolitik schwerer, ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen, Preisstabilität im Euro-Raum zu gewährleisten. Das ist auch der Grund, weshalb der EZB-Rat geschlossen darauf dringt, dass die Mitgliedstaaten bei den Reformen nicht nachlassen.

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Die Niedrigzinsen dürfen nicht nur aus dem Blickwinkel der Sparer gesehen werden. Es gibt auch Nutznießer der niedrigen Zinsen und zumindest indirekt profitieren viele Sparer davon:

  • Der Staat verschuldet sich so günstig wie noch nie. Für uns Steuerzahler bedeuten niedrigere Zinsausgaben des Staates tendenziell eine Entlastung.

  • Unternehmen können sich günstig finanzieren. Das sichert und schafft Arbeitsplätze.

  • Und wer zurzeit einen Baukredit benötigt oder eine Anschlussfinanzierung, freut sich ebenfalls über niedrige Zinsen.

Darüber hinaus gilt, dass der EZB-Rat Geldpolitik für den gesamten Euro-Raum macht und nicht für einzelne Länder. Wenn sich die Geldpolitik am Mittel orientiert, wird es immer Länder geben, für die sie zu restriktiv ist, und Länder, für die sie zu expansiv ist. Die Frage nach dem angemessenen Zins für Deutschland darf sich daher für den EZB-Rat nicht stellen.

Vor zehn Jahren gab es übrigens eine Zinsdebatte in Deutschland mit umgekehrten Vorzeichen. Seinerzeit beklagte der damalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, dass die EZB-Zinsen für Deutschland zu hoch seien. "Faktisch bringen wir hier in Deutschland ein Stabilitätsopfer", lautete damals die Klage.

Nicht zu bestreiten ist, dass die niedrigen Zinsen den Anreiz zu sparen mindern – und das ist ja auch Ziel der ultralockeren Geldpolitik. Das Geld soll ausgegeben werden, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dass dieser Impuls in Deutschland gar nicht notwendig ist, darf die Geldpolitik nicht daran hindern ihrem Auftrag nachzukommen.

Gleichzeitig darf die Geldpolitik aber nicht dazu missbraucht werden, Solvenzprobleme von Staaten oder Banken zu verdecken. Der Lackmustest für die Geldpolitik wird dann kommen, wenn die Preisaussichten eine Normalisierung der Zinsen nahelegen. Dann darf sich der EZB-Rat von den möglichen Auswirkungen einer geldpolitischen Straffung auf die öffentlichen Haushalte oder die Finanzstabilität nicht davon abhalten lassen, entschlossen zu handeln.

Meine Damen und Herren,

vor dem Hintergrund der alternden Gesellschaft ist die Ersparnisbildung zweifellos ein wichtiges Element der Zukunftssicherung.

Interessant ist allerdings, dass die Sparneigung bislang nicht zurückgegangen ist. Um das FAZ-Zitat noch einmal aufzugreifen: Die Niedrigzinspolitik nimmt den Deutschen zwar die Lust am Sparen. Die Deutschen sparen aber trotzdem.

Offenkundig reagiert die Ersparnisbildung nur geringfügig auf die Zinsentwicklung. Die Sparquote der privaten Haushalte in Deutschland, also der Anteil des verfügbaren Einkommens, der gespart wird, ist in den letzten Jahren nahezu konstant geblieben. Sie bewegt sich zwischen 9 und 10 %.

Blickt man auf die realen Zinsen, also die inflationsbereinigten Zinssätze, sind die aktuell übrigens auch bei Sparanlagen gar nicht so außergewöhnlich niedrig, wie die nominalen Sätze nahelegen. Wie der Blick auf die letzten fünf Jahrzehnte zeigt, war die reale Verzinsung von Spareinlagen in Deutschland über viele Jahre hinweg, insbesondere in 1970er Jahren, aber auch in der ersten Hälfte der 1990er Jahre im negativen Bereich.

Wenn der Realzins negativ ist, frisst die Inflation die Zinserträge gewissermaßen auf. So bekam man 1974 auf Spareinlagen respektable 5½ % Zinsen. Da die Geldentwertung seinerzeit aber über 7 % betrug, verlor das Ersparte dennoch an Kaufkraft.

Derzeit ist die Teuerung dagegen so niedrig, dass der Realzins trotz niedriger Nominalzinsen leicht über null liegt.

Dass davon offenbar wenig Trost ausgeht, liegt an einem Phänomen, das Ökonomen als "Geldillusion" bezeichnen und kurz gesagt darin besteht, dass Menschen eher in nominalen als in realen Größen denken. Das lässt sich sogar neurologisch nachweisen:

Der Bonner Experimentalökonom Armin Falk hat dazu 24 Probanden in einen Magnetresonanztomographen geschoben und diese Menschen – wohlgemerkt Freiwillige – mit einem Hirnscanner untersucht. Die Probanden sollten darin eine Aufgabe lösen, wofür sie einen Lohn bekamen, von dem sie sich etwas kaufen konnten.

Das Verblüffende daran: Wenn der Lohn und die Preise der Waren, die man sich davon kaufen durfte, verdoppelt wurden, stieg die Durchblutung in einem bestimmten Hirnareal an. Und dieses Hirnareal ist für unsere Stimmung verantwortlich. Kurzum: Die Probanden hatten bei konstantem Reallohn aber höherem Nominallohn eine bessere Laune.

So gesehen ist es kein Wunder, dass die niedrigen Nominalzinsen für schlechte Laune sorgen.

Unabhängig davon werden immer wieder Berechnungen angestellt, wieviel Geld den deutschen Sparern durch die Niedrigzinspolitik wohl schon verloren gegangen ist. Je nachdem, welchen Zins man dabei als hypothetischen Vergleichsmaßstab anlegt, kommen hier sehr unterschiedliche Summen heraus.

Fakt ist, dass solche Berechnungen in die Irre führen, weil sie zum Beispiel nicht in den Blick nehmen, dass die wirtschaftliche Lage ohne die Niedrigzinspolitik schlechter wäre. Sie blenden allerdings auch aus, dass von der ultra-lockeren Geldpolitik Risiken und Nebenwirkungen ausgehen können, nicht zuletzt für die Finanzstabilität.

Fakt ist aber auch, dass diese eng definierten Verluste geringer wären, wenn die deutschen Sparer ein breiteres Spektrum an Anlagemöglichkeiten nutzen würden.

Die Niedrigzinspolitik, so notwendig sie im Augenblick sein mag, darf nicht länger als erforderlich dauern. Das ist aber nur dann gesichert, wenn die Geldpolitik in der Zwischenzeit nicht ins Schlepptau der Politik gerät.

3  Ausgespart? Nachlassender Konsolidierungs- und Reformeifer

Als Geldpolitiker sind wir der Preisstabilität verpflichtet. Es besteht aber immer wieder die Gefahr, dass andere Politikbereiche unangenehme Maßnahmen scheuen und dabei darauf setzen, dass die Geldpolitik es schon richten werde.

Wir müssen darauf Acht geben, dass wir hier nicht in die Ausputzerrolle gedrängt werden. Denn dann könnten zum einen wichtige Reformen unterbleiben und zum anderen die Preisstabilität im weiteren Verlauf unter Druck geraten.

Die Krise und der damit verbundene starke Anstieg der Staatsschulden haben viele Mitgliedstaaten unter anderem dazu gebracht, ihre Haushaltsdefizite in den letzten Jahren zu reduzieren. Daneben hat das Eurosystem mit seinen Krisenmaßnahmen, der Niedrigzinspolitik und den Anleihekäufen dazu beigetragen, die Finanzierungskosten der Staaten auf historisch niedrige Niveaus zu senken.

Wir müssen aber auch immer im Auge behalten, dass die ultra-expansive Geldpolitik auch Risiken und Nebenwirkungen hat. Unter anderem wird die Disziplinierung der Finanzpolitik durch die Finanzmärkte erheblich geschwächt. Die Budgets werden durch die sinkenden Zinskosten stark entlastet.

Dementsprechend ist es kaum verwunderlich, dass der Konsolidierungs- und Reformeifer in einigen europäischen Hauptstädten seit dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise nachgelassen hat. Und so stellt sich zum zweiten Mal die Frage "Ausgespart?" – diesmal bezogen auf die Regierungen der Länder mit Anpassungsbedarf.

Die Krise im Euro-Raum ist ein Cocktail aus verschiedenen Krisen: Sie ist nicht nur Staatsschuldenkrise, sondern auch Bankenkrise und Zahlungsbilanzkrise. Die tieferliegenden Ursachen liegen in Fehlentwicklungen, die zum Teil lange vor der Krise begannen: Denken Sie an den überdimensionierten Staatsapparat in Griechenland, übertriebene Bautätigkeit, exzessive Kreditvergabe und Verluste an preislicher Wettbewerbsfähigkeit in Irland und Spanien, das hohe Leistungsbilanzdefizit in Portugal, schwaches Produktivitätswachstum in Italien und laxe Bankenregulierung allenthalben usw.

Zum Ausbruch der Krise kam es, als an den Finanzmärkten die Zweifel an den gesamtwirtschaftlichen Perspektiven und der Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen dieser Länder wuchsen. Oder anders formuliert: als die Anleger zunehmend Angst bekamen, ob sie das Geld, das sie diesen Ländern geliehen hatten, in voller Höhe wiedersehen werden.

Infolgedessen schossen die Risikozuschläge auf Staatsanleihen dieser Länder so in die Höhe, dass sie sich kaum noch am Kapitalmarkt finanzieren konnten.

In dieser Situation sprangen die Mitgliedstaaten des Euro-Raums, die EU und der IWF mit Fiskalhilfen ein, um den Finanzierungsbedarf der betroffenen Länder zu decken, und das Eurosystem kaufte Staatsanleihen dieser Staaten. Insgesamt fünf Länder erhielten Hilfskredite, die mit Auflagen vergeben wurden: Griechenland war vor genau fünf Jahren das erste Land, es folgten Irland, Portugal, Spanien und Zypern.

Die Auflagen, die mit den Programmländern im Gegenzug ausgehandelt wurden, sahen und sehen Konsolidierungs- und Reformmaßnahmen in den Ländern vor, die gewährleisten sollen, dass sie zu nachhaltigem Wachstum und soliden Staatsfinanzen zurückkehren.

Ohne die Anpassungsprogramme und die damit verbundenen Finanzhilfen hätten die Krisenländer einen deutlich schnelleren und abrupten Anpassungsprozess vollziehen müssen. Den Ländern wurde also Zeit gekauft, nachdem die Finanzmärkte das Vertrauen in sie verloren hatten. Das sollten diejenigen bedenken, die die vereinbarten Programmbedingungen als "deutsches Spardiktat" oder als "Austeritätspolitik" verunglimpfen.

Die Krisenländer mussten ihre außerordentlich hohen strukturellen, also konjunkturbereinigten Haushaltsdefizite zügig abbauen, was sie auch in beachtlichem Umfang getan haben: Portugal und Spanien haben ihre strukturellen Haushaltssalden seit 2009 um etwa sieben Prozentpunkte verbessert, Griechenland sogar um 16 Prozentpunkte. Das sind beachtliche Konsolidierungsleistungen, die Respekt verdienen.

In Griechenland ist die Lage allerdings weiterhin prekär. Die griechische Schuldenquote, also das Verhältnis von Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), war schon vor der Krise hoch, und ist inzwischen auf über 170 % gestiegen. Der Schuldenschnitt privater Gläubiger im Jahr 2012 hatte den Aufwärtstrend nur kurz unterbrochen.

Entscheidend ist in Griechenland, dass an einer funktionsfähigen Verwaltung gearbeitet wird, die Wirtschaft und die Staatsfinanzen perspektivisch auf einen tragfähigen Kurs einschwenken und vor allem, dass Vertrauen in einen verlässlichen Reformkurs entsteht.

Die neue griechische Regierung hat hier erste Hoffnungen wieder zunichte gemacht. Das griechische BIP war im letzten Jahr erstmals seit Krisenbeginn wieder gewachsen und auch für dieses Jahr sahen die Prognosen internationaler Institutionen günstig aus. Es ist jedoch zunehmend offensichtlich, dass die wirtschaftliche Entwicklung deutlich schlechter verläuft als bislang vorhergesagt.

Nun sagen auch hierzulande nicht wenige, die Sparpolitik sei für die wirtschaftliche Misere des Landes verantwortlich. So wird die These vertreten, dass die Austeritätspolitik die Hauptschuld am wirtschaftlichen Einbruch trage. Wäre die Konsolidierung auf bessere Zeiten verschoben worden, hätte der wirtschaftliche Niedergang weitgehend verhindert werden können.

Auch ich würde nicht bestreiten, dass in Griechenland manches hätte besser gemacht werden können. Das betrifft aber nicht den zügigen Abbau der staatlichen Defizite, sondern vielmehr das bei weitem zu zögerliche Herangehen an Strukturreformen in den verschiedenen Bereichen. Bei der Eintreibung von Steuern, der Korruptionsbekämpfung und beim Vorhaben die Arbeit der öffentlichen Verwaltung zu verbessern, hätten innerhalb von fünf Jahren doch merklichere Fortschritte möglich sein sollen.

Ich sehe keine erfolgversprechende Alternative zur gleichzeitigen und zügigen Verbesserung der wirtschaftlichen und fiskalischen Rahmenbedingungen.

Griechenland wies Leistungsbilanzdefizite von bis zu 14 % des BIP aus, d.h. der Konsum und der Staat wurden zum guten Teil vom Ausland finanziert. Hier auf eine Fortsetzung der Verschuldungspolitik zu bauen, wäre schlicht fahrlässig gewesen, zumal der Vertrauensentzug der Kapitalmärkte ja nicht zu leugnen war und die europäischen Partner die Haushaltslücke hätten finanzieren müssen.

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dies die notwendigen Reformen an anderer Stelle beschleunigt hätte – es wäre wohl eher das Gegenteil der Fall gewesen.

Auch wäre die Gewährung von Hilfskrediten – mit der vagen Aussicht auf Konsolidierung irgendwann in der Zukunft – den Steuerzahlern in den Hilfe leistenden Ländern, die zum Teil selbst erhebliche Lasten zu tragen haben und teilweise über deutlich geringere Pro-Kopf-Einkommen verfügen, nicht zu vermitteln gewesen.

Dabei zeigt sich in anderen Krisenländern, dass sich die Spar- und Reformmaßnahmen auszahlen. So sagt der spanische Finanzminister Cristóbal Montoro: "Spanien ist ein Beispiel dafür, dass die Austeritätspolitik funktioniert."

Die spanische Wirtschaft hat die Rezession längst hinter sich gelassen und wird Prognosen zufolge kräftig wachsen. Auch die bedrückend hohe Arbeitslosigkeit geht allmählich zurück.

Nachlassender Sparwille zeigt sich indes nicht nur in Griechenland.

Auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise versprachen die Mitgliedstaaten hoch und heilig, solide Staatsfinanzen wiederherstellen zu wollen, und das war auch richtig, denn: Solide Staatsfinanzen sind für die Stabilität der gemeinsamen Währung eine zentrale Voraussetzung.

Solide Staatsfinanzen stehen auch nicht im Gegensatz zu Wachstum. Im Gegenteil: Auf einem Berg von Schulden kann kein nachhaltiges Wachstum entstehen.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde geändert. Zusätzlich wurde noch der Fiskalpakt von den Euro-Staaten beschlossen. Doch wie sagte schon Ruhrpottlegende Adi Preißler: "Grau ist alle Theorie – entscheidend is auf’m Platz".

Regeln helfen nicht, wenn nicht der Wille da ist, sie strikt umzusetzen.

Dabei hatten die Regeländerungen teilweise durchaus auch gute Ansätze. Durch die vorgenommenen Änderungen sind die Regeln allerdings nicht bindender geworden, dafür aber wesentlich komplexer.

Es sind nämlich erhebliche Interpretations- und Ermessensspielräume entstanden, so dass inzwischen kaum mehr beurteilt werden kann, ob die Regeln überhaupt eingehalten werden.

Vielleicht erinnert sich noch jemand an die frühere Aussage, das Sanktionsverfahren solle bei einem übermäßigen Defizit künftig "quasi-automatisch" ausgelöst werden. In jüngerer Zeit wurde hingegen fast ausschließlich die "Flexibilität" des neuen Paktes betont. Und vom einst als "Meilenstein" gefeierten Fiskalpakt ist inzwischen kaum noch etwas zu hören.

Für ausgesprochen problematisch halte ich im Hinblick auf die Bindungswirkung der Regeln den Umgang mit den französischen Haushaltsdefiziten.

Frankreich verletzt die 3 %-Grenze seit dem Jahr 2008 und hat die Grenze seit Beginn der Währungsunion in elf von 16 Jahren überschritten. Dabei hat es nicht an Ankündigungen gemangelt, die Defizite abzubauen.

Der Abbau wurde dann aber immer wieder hinausgezögert. Und die Kommission, die für die Umsetzung der Regeln verantwortlich ist, kommt Frankreich immer wieder entgegen. Mittlerweile wurde die Korrekturfrist für den Abbau des übermäßigen Defizits zum dritten Mal verlängert – jetzt auf das Jahr 2017.

Ich kann es vor diesem Hintergrund sehr gut nachvollziehen, wenn sich der Mannheimer Ökonom Clemens Fuest an ein Scherzwort von Mark Twain erinnert fühlt: "Verschiebe nicht auf morgen, was Du auch auf übermorgen verschieben kannst."

Meine Damen und Herren,

bisweilen wird uns Deutschen ein verkrampftes Verhältnis zum Thema Schulden unterstellt. Ausländische Kommentatoren wie der US-Investor George Soros, Nobelpreisträger Paul Krugman oder der ehemalige italienische Ministerpräsident Mario Monti weisen in diesem Zusammenhang auch gerne auf eine Besonderheit der deutschen Sprache hin:

Das Wort "Schuld" hat im Deutschen, wie auch in der niederländischen Sprache, aber anders als in der englischen und französischen Sprache mehrere Bedeutungen – mithin ein weiteres Beispiel für Mehrdeutigkeit.

Es wird sowohl für die finanzielle Verbindlichkeit als auch für die moralische und juristische Schuld verwandt, und die genannten Kommentatoren ziehen daraus den Schluss, dass wir Deutschen Schuldner und Schuldige gleichsetzten.

Ich halte diese These, mit Verlaub, für einen ziemlichen Unsinn.

Es geht hier nicht um moralische Verwerflichkeit, sondern um die Risiken unsolider Staatsfinanzen für den Euro. Eine Währungsunion mit gemeinsamer Geldpolitik und 19 nationalen Fiskalpolitiken kann nur dann eine Stabilitätsunion sein, wenn die Mitgliedstaaten solide haushalten. Das hatten bereits die Gründerväter der Währungsunion erkannt, und die Krise hat es uns nochmal deutlich vor Augen geführt.

Und deswegen halte ich die strikte Umsetzung der Fiskalregeln für elementar. Frankreich als zweitgrößte Volkswirtschaft des Euro-Raums hat hier auch eine wichtige Vorbildrolle zu erfüllen.

4 Ausgespart? Sollte Deutschland weniger sparen?

Beim Thema Vorbildrolle – und damit komme ich zum dritten und letzten Teil meines Vortrags – denken viele auch an Deutschland.

Bei der Einhaltung der Fiskalregeln ist Deutschland derzeit – anders als in den Jahren 2002 bis 2005 – sicher vorbildlich. Der Staatshaushalt ist strukturell im Überschuss und die Schuldenquote ist zwar noch hoch, sinkt aber zügig. Und so übernimmt Deutschland für den Euro-Raum gewissermaßen die Rolle des Vertrauensankers, wenn es um die öffentlichen Finanzen geht.

Manche Kommentatoren definieren Deutschlands Verantwortung für den Euro-Raum indes anders. Deutschland sei ein Land "mit fiskalischem Spielraum", den es zugunsten des gesamten Währungsraums zu nutzen gelte, zumal sich der deutsche Staat quasi zum Nulltarif verschulden könne. Deutschland investiere zu wenig und exportiere zu viel.

Der IWF schreibt zum Beispiel in seinem neuesten Weltwirtschaftsausblick mit Blick auf den Euro-Raum: "Länder mit finanziellem Spielraum, insbesondere Deutschland, können mehr tun um das Wachstum anzuregen, und zwar vorrangig durch dringend benötigte öffentliche Investitionen."

Solche Forderungen verkennen aber, dass die Fiskalpolitik im Euro-Raum nicht vergemeinschaftet wurde. In einer Welt weitgehend eigenständiger und eigenverantwortlicher Fiskalpolitiken ergibt es keinen Sinn, von einem Land zu verlangen, Schulden zu machen und Geld auszugeben, nur weil andere davon ein bisschen profitieren.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in guter Verfassung. Deutschland braucht kein Konjunkturprogramm. Zumal der niedrige Ölpreis und die ultralockere Geldpolitik ohnehin ihren Teil dazu beitragen, dass die Wirtschaft hierzulande rund läuft.

Das hilft der mäßigen Wirtschaftsdynamik in den anderen Euro-Staaten im Übrigen besser auf die Sprünge als ein kreditfinanziertes Investitionsprogramm in Deutschland, das nicht nur dem IWF vorschwebt. Zumal der Anteil von Vorleistungen, die bei öffentlichen Infrastrukturinvestitionen aus anderen Euro-Ländern eingeführt werden, sehr gering ist und damit auch die erhofften Ausstrahleffekte gering sein werden.

Stattdessen sollte die solide Finanzpolitik schon allein vor dem Hintergrund der demographischen Belastungen, die auf Deutschland zukommen, fortgesetzt werden. Manchmal erinnert mich die Debatte um die Ausrichtung der Staatsfinanzen und die damit einhergehenden Belastungen für die Zukunft an den Komiker Groucho Marx, der scherzhaft fragte: "Warum soll ich mich um die kommenden Generationen bemühen? Die haben doch noch nie etwas für mich getan."

Mit den deutlich steigenden Steuereinnahmen bestehen auch so ausreichend Spielräume für mehr staatliche Investitionen. Das gilt insbesondere, wenn vorhandene Effizienzreserven konsequent genutzt werden – ich erinnere nur an Negativbeispiele wie den Berliner Flughafen, die Elbphilharmonie oder diverse Regionalflughäfen.

Ich bestreite nicht, dass zusätzliche öffentliche Investitionen an manchen Stellen vermutlich sinnvoll sind. Die These von der verrottenden Infrastruktur in Deutschland teile ich allerdings nicht. Entgegen dem weit verbreiteten Bild vom Land der maroden Straßen und Brücken zeigen internationale Vergleiche, dass Deutschland eine insgesamt gute Verkehrsinfrastruktur hat. Im Global Competitiveness Report des Weltwirtschaftsforums liegt Deutschland hier auf dem siebten Rang von 144 Ländern. 

Was wir brauchen, ist eine klare Vorstellung über den Bedarf. Öffentliche Investitionen sollten in dem Sinne "rentierlich" sein, dass sie künftig ein höheres Wirtschaftswachstum und damit höhere Einkommen ermöglichen. Und nicht jede staatliche Investition fällt per se in diese Kategorie.

Meine Damen und Herren, ein "Dorn im Auge" sind vielen auch die hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands.

Ben Bernanke, mein früherer Amtskollege von der amerikanischen Notenbank, der neuerdings unter die Blogger gegangen ist, schreibt zum Beispiel: "Die Tatsache, dass Deutschland so viel mehr verkauft als kauft, zieht Nachfrage von seinen Nachbarn (und vom Rest der Welt) ab, was die Wirtschaftsleistung und Beschäftigung außerhalb Deutschlands verringert."

Richtig ist: Ein Leistungsbilanzüberschuss bringt zum Ausdruck, dass ein Land mehr exportiert als importiert. Gleichzeitig bedeutet er, dass das Land mehr spart als investiert. Das heißt wiederum, dass – umgekehrt – ein anderes Land mehr investieren als sparen kann.

Insbesondere wenn diese Länder unterschiedliche demografische Entwicklungen oder einen unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstand haben, kann das auch eine gute Sache sein. Wenn der deutsche Sparüberschuss in rentierliche Investitionen im Ausland fließt, entstehen dort Wachstumsmöglichkeiten und Arbeitsplätze – und davon profitieren alle, auch die Anleger.

Problematisch wird es aber dann, wenn der Leistungsbilanzsaldo eine strukturelle wirtschaftliche Fehlentwicklung widerspiegelt, wie es vor der Krise in vielen Ländern des Euro-Raums der Fall war.

Hier sind dauerhafte Leistungsbilanzdefizite allerdings gefährlicher als Überschüsse, weil sie anhaltende Kapitalimporte erfordern. Wenn der Zufluss an Kapital ins Stocken gerät, wie wir es in den Krisenländern erlebt haben, ergeben sich gerade in einer Währungsunion massive Probleme. Anders als früher kann ein betroffenes Land nicht mehr die heimische Währung abwerten und so seine Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen.

Insofern ist es gut, dass die Krisenländer es geschafft haben, ihre Leistungsbilanzdefizite auf anderem Wege weitgehend abzubauen. Spiegelbildlich sind auch die deutschen Überschüsse gegenüber dem Rest der Währungsunion und vor allem gegenüber den Krisenländern deutlich gesunken.

Dass der deutsche Leistungsbilanzüberschuss in den vergangenen Jahren nochmals gestiegen ist, – mit 7½ % des BIP lag er im letzten Jahr auf einem neuen Rekordstand – ist damit zu erklären, dass der Überschuss gegenüber dem Rest der Welt gewachsen ist. Dazu haben vor allem die billiger gewordenen Ölimporte beigetragen.

Natürlich besitzt Deutschland auch eine ausgeprägte Exportstärke. Schließlich sind deutsche Unternehmen hervorragend auf den Weltmärkten positioniert. Diese Exportstärke steht einer wirtschaftlichen Erholung des Euro-Raums insgesamt aber nicht im Wege, zumal in deutschen Exporten zu knapp einem Zehntel importierte Vorleistungen aus dem Euro-Raum enthalten sind.

Im Übrigen sind die deutschen Exporterfolge das Ergebnis von Marktprozessen und nicht von staatlichen Eingriffen, Fehlanreizen oder Marktverzerrungen. 

Auch Ben Bernanke betont in seinem Blogeintrag zur deutschen Exportstärke, dass Deutschland gute Produkte herstelle, die im Ausland eben nachgefragt werden. Und dabei sollte man nicht nur an Mercedes, BMW, SAP oder Siemens denken. Deutschland ist auch das Land der "hidden champions", der kleinen und mittleren Unternehmen, die im Schatten der Öffentlichkeit zu Weltmarktführern in ihrem Segment aufgestiegen sind. Auch im Ruhrgebiet gibt es eine ganze Reihe davon.

Auf Dauer ist es natürlich nicht sinnvoll, dass wir mehr produzieren als konsumieren. Aufgrund des absehbaren demografischen Wandels ist es aktuell aber sehr wohl sinnvoll, Ersparnisse im Ausland zu bilden. Mit fortschreitender Alterung werden wir dann entsprechend mehr konsumieren, das heißt dem jetzigen Sparen folgt künftig ein Entsparen.

Die 1990er Jahre mit ihren wiedervereinigungsbedingten wirtschaftlichen Belastungen haben übrigens gezeigt, wie schnell die Leistungsbilanz ins Defizit drehen kann. 

Wegen der Alterung sind Leistungsbilanzüberschüsse für Deutschland derzeit also durchaus angemessen. Dies sagt allerdings nichts über die "richtige Höhe" des deutschen Leistungsbilanzüberschusses, und perspektivisch erwarte ich erwarte hier angesichts der regulären Marktprozesse eine Rückbildung.

Klar ist aber zumindest, dass ein Abbau durch eine gezielte wirtschaftspolitisch angestrebte Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen oder schuldenfinanzierte fiskalische Strohfeuer nicht die richtige Antwort ist.

Empfehlungen an Deutschland zur Senkung des hohen Leistungsbilanzsaldo setzen teils aber auch darauf, das wirtschaftliche Wachstum auf eine breitere Basis zu stellen, die langfristigen Wachstumsperspektiven zu verbessern und durch ein investitionsfreundliches Klima mehr Anreize für privatwirtschaftliche Aktivität im Inland zu setzen.

Das, meine Damen und Herren, ist in jedem Fall sinnvoll; hier besteht auch Handlungsbedarf. Allerdings wäre das ein Thema für eine eigene Rede, zumal einige wirtschaftspolitische Entscheidungen der Großen Koalition in dieser Hinsicht nicht gerade vorbildlich waren. Im Gegenteil: Vergangene, sinnvolle Reformen wurden sogar zurückgedreht.

5 Schluss

Hier und heute möchte ich zum Schluss kommen. In der anschließenden Diskussion haben Sie ja noch die Gelegenheit Fragen zu stellen.

Vielleicht fragen Sie sich ja auch, warum es Bundesbank und nicht Bundesstuhl oder Bundestisch heißt. Die Frage ist ja durchaus nicht uninteressant.

Das Wort "Bank" ist, wie so viele Begriffe im Bankenwesen, dem Italienischen entlehnt. "Banco" bezeichnete ursprünglich den von Geldwechslern für ihre Geschäfte genutzten Tisch. Mit den Geschäften von mittelalterlichen Geldwechslern hat das heutige Bankgeschäft freilich nur noch wenig zu tun.

Ich möchte meinen Vortrag aber nicht mit einer Begriffserklärung beenden, sondern zum Abschluss noch einmal betonen, was aus Sicht der Bundesbank zu beachten ist, um die Krise im Euro-Raum dauerhaft zu überwinden:

  1. Eine Währungsunion souveräner Staaten funktioniert nur über Regeln. Die Regeln müssen klar sein und von allen befolgt werden.

  2. Solange die Mitgliedstaaten der Währungsunion nicht bereit sind, Souveränitätsrechte an die gemeinschaftliche Ebene abzugeben, muss der Grundsatz der nationalen Eigenverantwortung gelten. Und das heißt, dass die Mitgliedstaaten für die Folgen ihrer Politik selbst geradestehen. Kontrolle und Haftung müssen zueinander passen. In letzter Konsequenz verlangt das die Möglichkeit einer staatlichen Insolvenz, ohne dass das Finanzsystem kollabiert.

  3. Die Geldpolitik darf nicht überfordert werden. Andernfalls ist ihre Fähigkeit die Preisstabilität zu sichern auf Dauer gefährdet. Mit den Mitteln der Geldpolitik lässt sich die Krise nicht bewältigen. Die Verantwortung dafür liegt letztlich bei den gewählten Politikern.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.