Panta Rhei – Zahlungsverkehr im digitalen Wandel Payments Konferenz im Rahmen der 19. Euro Finance Week

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

"Panta Rhei" – alles fließt.

Die griechischen Denker und viele Philosophen nach ihnen stellten Betrachtungen über das stetige Werden und Vergehen an, das unser Dasein prägt. Ganz sicher hatten die alten Griechen nicht den Zahlungsverkehr im Visier. Aber das Bild vom stetigen Werden und Vergehen passt doch ganz gut als Beschreibung für die aktuelle Situation im Zahlungsverkehr. Denn dort sind die Dinge besonders stark im Fluss, viele Dinge werden und viele werden vergehen.

2 Neue Anbieter

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht über neue, smarte Payment Apps vielfach von "hippen" FinTechs in den Medien berichtet wird. Meist mit recht euphorischem Einschlag. Es geht darum, das Bezahlen an der Kasse zu "revolutionieren" – angesichts des großen Wortes setze ich den Begriff in Anführungszeichen – und Zahlungen zwischen Privatpersonen, also von Person zu Person oder P2P, zu vereinfachen.

Allen diesen "Neuerungen" ist eines gemeinsam: Ein toller neuer Name, aber die bisherige Technik dahinter bleibt.

Das zugrundeliegende Zahlungsinstrument ist am Ende immer eine Kartenzahlung, Überweisung oder Lastschrift. Die Neuen nutzen also die Infrastruktur der Banken und werden deshalb häufig auch als "Drittanbieter" bezeichnet. Ihre Produkte erweitern die bekannten Zahlungsinstrumente durch bessere Zugangskanäle für verschiedene Zahlungssituationen. Zuletzt ist die Anzahl dieser Drittanbieter geradezu explodiert. Oft handelt es sich um sogenannte FinTechs, Finanz­technologie­unternehmen. Doch auch große Handelskonzerne, Telekommunikationsanbieter und die GAFAs – also die Internet-Giganten Google, Apple, Facebook und Amazon versuchen, in diesem Feld mitzuspielen.

FinTechs machen sich die Möglichkeiten der Digitalisierung konsequent zunutze, um neue Finanzangebote zu erstellen. Sie greifen häufig einzelne Segmente der Wertschöpfungskette heraus, gestalten sie kreativer, indem sie etwa soziale Netzwerk-Ideen einbeziehen oder kombinieren Leistungen verschiedener Banken bzw. anderer FinTechs zu einem Portal oder gar "Marktplatz" in einer App. Ihr Innovationspotenzial wird auch am Finanzplatz Frankfurt geschätzt. Zahlreiche Initiativen – wie zuletzt die Einrichtung des Tech Quartiers im Hochhaus Pollux – sollen Ansiedlung und Wachstum von FinTechs unterstützen.

Zusätzliche Anstrengungen können das Klima für Veränderungen weiter verbessern. So wünschen sich viele Gründer den Abbau regulatorischer und bürokratischer Hindernisse, um ihr Geschäft ausbauen zu können. Auch günstigere Steuerregelungen und Unterstützung bei der Kapitalbeschaffung sind ihnen wichtige Anliegen.[1]

FinTechs haben es geschafft, neue Ideen in den Zahlungsmarkt zu bringen. Selbst wenn sich viele davon vermutlich nicht eigenständig durchsetzen werden, sind sie ein Gewinn für Verbraucher und Händler. Denn sie bringen Inspiration, Innovation und Ideen in den Markt. Damit wird der Wettbewerb deutlich erhöht. Inzwischen arbeiten deutsche Banken auf vielen Feldern mit FinTechs zusammen. Solche Kooperationen können für beide Seiten nützlich sein: FinTechs erreichen über den Bankpartner eine große Zahl potenzieller Kunden, Banken wiederum schaffen es dadurch ohne lange Entwicklungszeiten innovative Dienstleistungen anzubieten. Solange das im Sinne der Kunden erfolgt und sie ihre Zahlungen damit effizienter, sicherer und komfortabler ausführen können, begrüßen wir als Bundesbank diese Entwicklung.

Für die etablierten Player geht es in der aktuellen Situation darum, ihren Marktanteil in einem angesichts der Niedrigzinsphase wichtiger werdenden und weiter ertragsbringenden Bereich zu verteidigen. Und die Bedrohung kommt nicht unbedingt nur aus dem nationalen Markt. Vielmehr sind gerade auch im digitalen Zahlungsverkehr besonders finanzstarke, global agierende Anbieter mit großer Nutzerbasis aktiv.

Vor diesem Hintergrund ist zumindest in wesentlichen Teilen eine gemeinsame Strategie der etablierten Systeme sinnvoll und vermutlich auch notwendig. Denn ansonsten ist für ihre innovativen Produkte in der Netzwerkwirtschaft Zahlungsverkehr eine kritische Masse nicht zu erreichen.

3 Neue Services

Wie gesagt, es vergeht kaum eine Woche, ohne Neuigkeiten über innovative Bezahlservices. Und in der Tat bewegt sich auch im deutschen Zahlungsverkehr einiges.

So gibt es inzwischen eine Reihe von Anwendungen für P2P-Zahlungen. Der "Geldbote" beispielsweise ist in die Banking-App von Sparkassen und Genossenschaftsbanken integriert. Andere Banken arbeiten an ähnlichen Lösungen oder bieten diese bereits in ihrer App an. Allerdings denke ich, dass für den großen Durchbruch die Interoperabilität der verschiedenen Anwendungen eine große Rolle spielt. Zudem erfolgt die Buchung der Zahlungen noch nicht in Echtzeit. Ist diese Hürde überwunden, wäre mit ein wenig Phantasie auch eine Nutzung im Unternehmenssektor denkbar.

Ein anderes Beispiel ist das kontaktlose Bezahlen für Einkäufe im Laden. Dort könnte das Mobiltelefon inzwischen die Geldbörse ersetzen – vorausgesetzt, der Händler akzeptiert die gewählte Zahlungsvariante. In diesem Bereich werden gerade viele verschiedene Verfahren erprobt. Vielversprechend scheinen vor allem Ansätze, die auf der NFC-Technologie (Near Field Communication) basieren. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass hier Bequemlichkeit und Schnelligkeit Zahler und Händler überzeugen können.

Die technischen Voraussetzungen sind im Wesentlichen erfüllt. Bis zum Jahr 2018 sollen alle Terminals im Handel NFC-fähig sein, das heißt, sie können kontaktlose Zahlungen annehmen – sowohl von physischen Karten, als auch von Smartphones. Nach den Plänen der Deutschen Kreditwirtschaft sollen bis zum Jahr 2020 alle girocards kontaktlos funktionieren. Um girocard-Zahlungen annehmen zu können, sind bis dahin allerdings noch Anpassungen an den Terminals notwendig, denn die NFC-Fähigkeit für Kreditkarten ist als Standard nicht ganz ausreichend.

Dem Vernehmen nach arbeiten Genossenschaftsbanken auch daran, die girocard ins Smartphone zu bringen, um damit ebenfalls kontaktloses Bezahlen zu ermöglichen. Wie bei Zahlungen mit der girocard selbst, müssten kleinere Beträge nicht einmal mehr autorisiert werden, was die Geschwindigkeit an der Kasse deutlich erhöhen könnte.

4 Neue Systeme

Doch um das Potenzial der mobilen Anwendungen voll nutzen zu können, braucht es eine geeignete Infrastruktur. Zahlt man zum Beispiel mit dem Mobiltelefon an der Kasse, erhält zwar der Händler sofort eine Zahlungsbestätigung und Zahlungsgarantie. Aber der gezahlte Betrag ist noch nicht auf seinem Konto, er kann also noch nicht über das Geld verfügen. An dieser Stelle helfen neue Systeme, wie sie etwa das Eurosystem mit Instant Payments plant.

Vorteile davon ließen sich sicher nicht nur im P2P (Person-to-Person) und für den Zahlungsempfänger im Handel erzielen, sondern auch im B2B-Bereich. So profitiert etwa ein Zulieferer durchaus, wenn das Geld für seine Ware sofort auf seinem Konto gutgeschrieben wird. Zulieferer könnten so Liquiditätsreserven besser ausschöpfen und das "Just-in-time"-Prinzip würde in der gesamten Wertschöpfungskette verankert.

In jedem Fall würden sich Zahlungen reibungsloser in den Kauf- bzw. Lieferprozess einfügen. Über ein Instant Payment System könnten sie wesentlich schneller von A nach B fließen. Der Spruch "Alles fließt" bekommt da auf einmal eine ganz neue Bedeutung. Für den Empfänger wären sie zudem sofort verfügbar. In Verbindung mit Apps sowohl für Zahlungssituationen im geschäftlichen Umfeld, als auch für private Zwecke – sei es P2P, im Laden oder im Onlinehandel –, könnte das digitale Bezahlen einen echten Schub erhalten. Und eine solche Infrastruktur würde etablierten wie neuen Anbietern sicher ganz neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen.

Wo stehen wir damit heute? Die Spielregeln im Eurosystem für Instant Payments unter den Banken sind geklärt. Der European Payments Council wird das Regelwerk für Echtzeitzahlungen auf Basis von SEPA-Überweisungen bis Ende November finalisieren. Noch nicht ganz klar ist die europaweite Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Clearinghäusern. Zur Unterstützung der geldlichen Abwicklung von Instant Payments untersucht das Eurosystem derzeit, ob man einen speziellen Settlement-Service anbieten sollte, der rund um die Uhr in Betrieb ist. Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung mit den Marktteilnehmern. Aber noch ist nichts entschieden. Wir werden vermutlich im 2. Quartal 2017 einen Schritt weiter sein. So hat die EZB eine Voruntersuchung zusammen mit einigen Clearinghäusern und Banken begonnen, in der die Möglichkeiten für Instant Settlement diskutiert werden sollen. Der dann entwickelte Vorschlag soll danach noch einmal mit allen Marktteilnehmern konsultiert werden.

Wenn es um neue Systeme geht, so ist zurzeit offen, inwieweit dabei auf lange Sicht die Blockchain- oder auch Distributed Ledger- genannte Technologie helfen kann. Vor ungefähr einem Jahr, befand sich der Blockchain-Hype auf dem Höhepunkt der öffentlichen Diskussion. Inzwischen verstehen wir besser, was Blockchain ist: ein Transaktionsregister, ein ledger, das innerhalb eines Netzwerks dezentral, d.h. distributed, geführt wird. Eine Blockchain ist, einfach gesprochen, eine chronologisch sortierte Kette von Blöcken aus miteinander verknüpften Transaktionen. Das können Übertragungen von Informationen, Rechten oder Werten sein.

Die Blockchain enthält alle bereits getätigten Transaktionen, also die vollständige Transaktionshistorie. Die Daten selbst werden mithilfe kryptografischer Verfahren verschlüsselt. Die Technik erlaubt also die sichere Übertragung von Werten, ohne dass es einer Bestätigung durch eine zentrale Institution bedarf. Die Abstimmung zwischen den Beteiligten wird mit der Blockchain automatisch vollzogen.

Doch die Frage stellt sich nun umgekehrt: Wofür können wir diese neue Technologie ernsthaft brauchen? Fest steht, dass sich so unternehmensübergreifende Abstimmungsprozesse vereinfachen lassen. Die Blockchain verspricht Kostenersparnisse im Back-Office, schlankere Prozessketten, eine schnelle Abwicklung, höhere Transparenz und damit auch geringere Risiken. Darüber hinaus wird eine vorprogrammierbare, also automatisierte Vertragserfüllung in Form von sogenannten Smart Contracts möglich. Allerdings ist es noch zu früh zu beurteilen, inwieweit sich die hochfliegenden Erwartungen erfüllen. Im Moment ist es noch nicht an der Zeit, die Blockchain-Technologie als die Basistechnologie zu nennen, mit der bald Zahlungen abgewickelt werden. 70 Millionen Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen pro Tag allein in Deutschland schafft keine Blockchain abzuwickeln – bis jetzt zumindest.

5 Fazit

Meine Damen und Herren, eines ist deutlich geworden: der Wandel im europäischen Zahlungsverkehr beschleunigt sich. Zahlungsströme werden künftig noch schneller fließen können – Verbraucher und Unternehmer können davon profitieren. Es werden neue Anbieter für Dienstleistungen rund um das Bezahlen auf den Markt treten und es werden neue Anwendungen und Technologien entstehen, die den Zahlungsverkehr weiter verändern können. Möglicherweise können wir bald das gute alte Portemonnaie zuhause lassen. Ein Smartphone mit einer stabilen Zahlungs-App könnte in naher Zukunft völlig ausreichen. Doch dieses wird sicher nicht von heute auf morgen geschehen. Wir sollten aber darauf achten, bei der digitalen Transformation die Bürger nicht zu vergessen. Denn nicht jeder hat heute ein Smartphone und bei vielen ist sicherlich noch Überzeugungsarbeit zu leisten, um das Vertrauen in die Sicherheit dieser Verfahren zu stärken.

Wir aber alle wissen: Der digitale Fluss wird weiter fließen.

Die Marktakteure sollten eine aktive Rolle einnehmen – "Panta Rhei": alles fließt.

Es wird Neues entstehen. Und wer glaubt, sich in dieser schnelllebigen und wettbewerbsintensiven Zeit den notwendigen Veränderungen entziehen zu können, läuft Gefahr zu vergehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Fußnote:

  1. KPMG, Deutscher Startup Monitor 2016, Oktober 2016