Unser Geld im digitalen Zeitalter Keynote bei der BaFinTech 2025

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Meine Damen und Herren, 

ich weiß nicht, wie Sie Ihren Weg zur BaFinTech gefunden haben – ob mit der Bahn, dem Auto oder dem Flugzeug. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann: Die Chancen stehen gut, dass Ihnen unterwegs eines der vielen Werbeplakate begegnet ist, mit denen derzeit gleich mehrere private Zahlungsanbieter prominent für ihre Produkte werben. Diese Werbekampagnen sind mehr als nur Marketing. Sie sind ein sichtbares Zeichen dafür, dass sich die Welt des Bezahlens tiefgreifend digital verändert.

Wandel im Geldwesen ist an sich nichts Neues: von Muscheln über Münzen und Banknoten bis zum Buchgeld. In der Geschichte des Geldes gab es bereits viele Umbrüche. Aber heute sind die Veränderungen schneller und von einer neuen Qualität. Der Wandel ist zudem nicht nur technologisch getrieben, sondern auch gesellschaftlich – und zunehmend auch geopolitisch. Und er wird von vielen Innovationen und neuen Akteuren begleitet und vorangetrieben: Ich denke hier etwa an die Distributed Ledger Technologie (DLT), an Stablecoins oder an BigTechs, die den Markt zunehmend beherrschen. 

All das stellt uns als Zentralbanken vor eine grundlegende Frage: Welche Rolle haben wir in einer Welt, die zunehmend von digitalen Innovationen und neuen Akteuren geprägt ist?

2 Status quo: Bezahlen wird digitaler

Werfen wir zunächst einen nüchternen Blick auf das, was ist: Aktuell bleibt Bargeld laut unserer Studie zum Zahlungsverhalten das meistgenutzte Zahlungsmittel in Deutschland.[1] Noch werden rund 50 % der Transaktionen an der Ladenkasse bar beglichen. Doch der Trend ist eindeutig: Digitale Zahlungen nehmen stark zu. Smartphone-Zahlungen wachsen besonders stark – zwischen 2021 und 2023 haben sie sich gar verdreifacht. Auch Echtzeitüberweisungen und neue digitale Bezahlplattformen werden immer wichtiger.

Dabei verändert sich nicht nur, wie wir bezahlen. Auch unsere Erwartungen an Geld verändern sich: Es soll bequem sein, sofort verfügbar, grenzüberschreitend einsetzbar – und dabei sicher und möglichst unsichtbar im Hintergrund funktionieren. Gleichzeitig wachsen auch die Bedenken: Viele Menschen wollen nicht gläsern sein. Sie sorgen sich um Datensouveränität und fragen sich, wem sie ihr Geld eigentlich anvertrauen. Und in geopolitisch turbulenten Zeiten rückt zusätzlich die Sicherheit kritischer Infrastrukturen in den Fokus – denn Abhängigkeiten machen verletzlich. Und Cyberattacken werden häufiger und aggressiver.

Es ist dieses Spannungsfeld – zwischen Innovationsdruck und Sicherheitsbedürfnis, zwischen Tempo und Besonnenheit – in dem der Ordnungsrahmen für den digitalen Zahlungsverkehr neu verhandelt wird. Und genau hier kommen die Zentralbanken ins Spiel. Sie müssen Orientierung geben.

3 Die Rolle des digitalen Zentralbankgeldes – Stabilität und Vertrauen im digitalen Zeitalter

Meine Damen und Herren, 

die Privatwirtschaft bringt viele Innovationen. Sie haben unser Leben bequemer, einfacher und digitaler gemacht. Wofür brauchen wir in einer digitalen Welt also noch die Zentralbanken? Zunächst einmal gilt es, das Kleingedruckte zu lesen. 

Denn Komfort geht häufig damit einher, dass wir unsere Daten weitergeben und uns von anderen Ländern abhängig machen. Und der private Markt hat auch nicht auf alles eine Antwort. Ich denke hier an zentrale Herausforderungen: Wie etwa kann der Fragmentierung des europäischen Zahlungsverkehrs entgegengewirkt werden? Oder wie kann es gelingen, dass DLT-basierte Interbankengeschäfte in sicherem Zentralbankgeld abgewickelt werden? Um nur zwei Beispiele zu nennen. 

Die Bundesbank und das Eurosystem wollen und können hier einen Beitrag leisten – und das digitale Finanzmarktökosystem der Zukunft aktiv mitgestalten. Ein wichtiger Baustein auf diesem Weg ist digitales Zentralbankgeld, kurz CBDC, in seinen beiden Ausgestaltungsformen Retail und Wholesale. Über beide Varianten wird hier und heute noch ausführlich diskutiert werden.

Schauen wir zunächst auf die Retail-Variante – den digitalen Euro für jedermann. Sie können ihn sich als einen „digitalen Zwilling des Bargelds“ vorstellen. Der digitale Euro wäre die erste Form digitalen Zentralbankgeldes in Europa – sicher, europaweit verfügbar und in verschiedenen Zahlungssituationen einsetzbar. Er würde von regulierten Finanzinstituten bereitgestellt, in bestehende Infrastrukturen eingebettet und bewusst auf die Zahlungsfunktion begrenzt werden. Der digitale Euro würde die steigende Beliebtheit von digitalen Zahlungen mit den Vorteilen von Zentralbankgeld verbinden. Er würde zudem die Bedeutung des Euro und des Euroraums gegenüber konkurrierenden Währungen und neuen Geldformen stärken, indem er die Ankerfunktion von Zentralbankgeld sicherstellt. 

Gleichzeitig würde er die Effizienz des europäischen Zahlungsmarktes erhöhen. Die derzeitige Fragmentierung widerspricht der Idee eines gemeinsamen Marktes. Der digitale Euro wäre eine gesamteuropäische Zahlungslösung, die private Initiativen bisher noch nicht realisieren konnten. Doch wir wollen hier kein Gegeneinander. Der digitale Euro soll nicht nur über die eigene App des Eurosystems, sondern auch über paneuropäische Zahlungslösungen oder die Apps regulierter Finanzinstitute zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern kommen. Eine enge Zusammenarbeit und eine konzertierte Kraftanstrengung sind notwendig, damit der digitale Euro Realität werden kann. 

Ein Punkt ist mir noch wichtig: Resilienz. Geplant ist, dass der digitale Euro auch als Offline-Variante funktioniert. Damit wäre nicht nur ein höheres Maß an Datenschutz verbunden. Verbraucherinnen und Verbraucher könnten zudem auch im Krisenfall, wenn zum Beispiel das Internet großflächig gestört ist, zunächst weiterhin bezahlen. 

Für den Finanzmarkt ist die zweite Variante des digitalen Zentralbankgeldes besonders interessant: Wholesale-CBDC. Auch daran arbeiten wir im Eurosystem und in der Bundesbank mit Hochdruck. Wholesale-CBDC eröffnet neue technologische Möglichkeiten, indem es Technologien wie die Distributed Ledger Technology (DLT) mit den etablierten Zahlungssystemen des Eurosystems verbindet.

Die Bundesbank hat hierfür mit der „Trigger-Lösung“ international beachtete Pionierarbeit geleistet. Nun wollen wir im Eurosystem auf diesen Arbeiten aufbauen und die DLT-basierte Transaktionsabwicklung entschieden vorantreiben. 

Vergangenen Dienstag hat die Europäische Zentralbank (EZB) hierfür einen zweigleisigen Ansatz vorgestellt.[2] Bis Ende 2026 soll unter dem Projektnamen „Pontes“ – also „Brücken“ – zunächst eine kurzfristige und pragmatische Lösung bereitgestellt werden, die eine Anbindung von DLT-Systemen an die TARGET-Services ermöglicht. 

Unter dem Namen „Appia“ – benannt nach einer der wichtigsten Verkehrsadern des Römischen Reiches – soll zusätzlich eine langfristige und global kompatible Lösung entwickelt werden. Bei beiden Projekten setzen wir auch auf die Expertise des Marktes. Ein entsprechender Interessenaufruf wird demnächst veröffentlicht.

4 Geopolitische Abhängigkeiten und die Bedeutung von Souveränität

Meine Damen und Herren, 

lassen Sie mich an der Stelle noch einmal grundsätzlicher werden und auf einen ganz entscheidenden Punkt eingehen: strategische Autonomie.

Der europäische Zahlungsverkehr ist heute in hohem Maße abhängig von internationalen Anbietern, insbesondere großen US-amerikanischen Kreditkartenunternehmen. Diese Systeme funktionieren gut – solange keine politischen Konflikte entstehen. Doch was, wenn geopolitische Spannungen zunehmen? Was, wenn wirtschaftliche Interessen auseinandergehen?

Zahlungen sind nicht nur eine technische Frage. Sie betreffen auch unsere Souveränität. „Wer zahlt womit und über wen?“ Diese Frage entscheidet im Ernstfall nicht nur über Komfort, sondern auch über Kontrolle. Ich möchte Ihnen hierfür ein eindrückliches Beispiel geben: Nach den Enthüllungen von Wikileaks im Jahr 2010 wurden Spenden an die Organisation über US-Zahlungsdienste blockiert – obwohl es keinerlei europäische Rechtsgrundlage für ein solches Vorgehen gab.[3] Die Entscheidung fiel auf der anderen Seite des Atlantiks. Der Zugang zu Zahlungsinfrastruktur wurde zu einer Frage politischer Opportunität. Ein Warnsignal. 

Der digitale Euro würde hier Abhilfe schaffen und die strategische Autonomie Europas im Zahlungsverkehr stärken, indem er eine europäische Alternative zu außereuropäischen Kartensystemen und BigTechs böte. Das hat unlängst auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – besser bekannt als „Rat der Wirtschaftsweisen“ – hervorgehoben.[4] In seinem aktuellen Jahresgutachten betont er, dass ein digitaler Euro dabei helfen könnte, den Zahlungsverkehr unabhängiger von außereuropäischen Anbietern zu machen.

Digitale Souveränität heißt deshalb: Europa braucht eine eigene, offene und vertrauenswürdige Infrastruktur im Zahlungsverkehr. Der digitale Euro kann hier zum strategischen Anker werden. Das ist keine Abschottung. Es ist ein notwendiger Schritt zu mehr Unabhängigkeit – und damit zu mehr Sicherheit in einer zunehmend unsicheren Welt. 

5 Schluss

Meine Damen und Herren,

ich komme zum Schluss. Wir stehen vor entscheidenden Weichenstellungen. Es geht nicht nur darum, Zentralbankgeld um digitale Alternativen zu ergänzen. Es geht um die Frage, wie Europa seine wirtschaftliche Souveränität im digitalen Zeitalter sichern kann.

Umso mehr freut es mich, dass auch die Politik verstanden hat, wie dringend das Thema ist und wir inzwischen spürbaren Rückhalt erfahren. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung werden explizit beide Varianten des digitalen Zentralbankgeldes unterstützt.[5] Der digitale Euro ist kein Selbstzweck, sondern ein strategisches Werkzeug, um unser Währungssystem krisenfest, innovativ und unabhängig zu gestalten. Er verbindet die Stärken des Zentralbankgeldes mit den Anforderungen einer zunehmend vernetzten Welt.

In dieser Welt ist Platz für beides: 

  • die eingangs erwähnten, stark beworbenen Lösungen privater Anbieter 

  • und für ein Zentralbankgeld, das mit einem zeitgemäßen Update ausgestattet ist – für das ich hier nicht weniger stark werbe.

Wenn wir diese Chance nutzen, gestalten wir nicht nur die Zukunft des Geldes. Wir gestalten ein Stück europäische Handlungsfähigkeit im 21. Jahrhundert.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Fußnoten:

  1. Vgl. Deutsche Bundesbank (2024), Zahlungsverhalten in Deutschland 2023, S. 5.
  2. Vgl. https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2025/html/ecb.pr250701~f4a98dd9dc.de.html.
  3. Vgl. https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/wikileaks-geht-das-geld-aus-spender-sollen-carte-bleu-nutzen-a-845237.html.
  4. Vgl. Sachverständigenrat (2024) , Versäumnisse angehen, entschlossen modernisieren – Jahresgutachten, S. 192.
  5. Vgl. Bundesregierung (2025), Verantwortung für Deutschland – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, S. 49.