Stellungnahme anlässlich des Fachgesprächs des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum „Schlussbericht der hochrangigen Expertengruppe für Strukturreformen im EU-Bankensektor (Liikanen-Bericht)“ am 27. Februar 2013.

Zusammenfassende Wertung

Die deutsche Volkswirtschaft zeichnet sich aus durch einen leistungsstarken Mittelstand, der neben den großen Industrieunternehmen wesentlich zur starken Exportausrichtung Deutschlands beiträgt. Im Finanzsektor dominieren traditionell Universalbanken, die den Unternehmen die ganze Palette der benötigten Finanzdienstleistungen, auch für internationales Geschäft, aus einer Hand anbieten. Dieses Modell hat sich in Deutschland über lange Jahre bewährt.

Mit der Finanzkrise ist nun die Systemrelevanz von Banken in den Blick gerückt. Mittlerweile ist – auch international – unstrittig, dass Finanzinstitute nicht too-big-to-fail sein dürfen, sondern dass eine geordnete Insolvenz möglich sein muss, ohne die Stabilität des Finanzsystems zu riskieren. Die Abwicklungsfähigkeit von Banken herzustellen ist daher essenziell, und der Bericht der Liikanen-Expertengruppe ist ein wichtiger Beitrag zu der notwendigen Debatte.

Die Stoßrichtung des Liikanen-Berichts – am Universalbanksystem im Kern festzuhalten, aber die Abwicklungsfähigkeit von Banken zu erhöhen – ist aus unserer Sicht richtig. Kritisch erscheint hingegen, dass die Debatte unter der Bezeichnung „Trennbankensystem“ geführt wird, denn weder der Liikanen-Vorschlag noch die ähnlichen Konzepte – verbunden mit den Namen Volcker und Vickers – zielen auf ein echtes Trennbankensystem ab, wie es die USA in den 30er Jahren mit dem Glass-Steagall-Act eingeführt hatten. Vielmehr geht es um die rechtliche, wirtschaftliche und organisatorische Abtrennung besonders risikointensiver Geschäftsfelder, die nachfolgend als „funktionale Trennung“ bezeichnet wird.

Unserer Ansicht nach beschreibt der Bericht die bestehenden Probleme im europäischen Universalbankensystem zutreffend. Wir teilen die Befunde der Analyse in den drei Grundlagenkapiteln. Die beiden ausführlichen analytischen Kapitel zur Entwicklung des Bankensektors in der EU und zu den unterschiedlichen Geschäftsmodellen bilden eine gute Grundlage für die Diskussion etwaiger struktureller Reformen.

Mit ihren Reformvorschlägen für fünf Bereiche verfolgt die Liikanen-Gruppe richtigerweise einen ganzheitlichen Ansatz, der explizit auf der bestehenden bzw. zukünftig geltenden Regulierung aufbaut. Der zentrale Vorschlag einer verpflichtenden Separierung des Handelsgeschäfts kann ein weiterer, sinnvoller Baustein der Reformagenda sein, die in der Summe das Finanzsystem stabiler machen soll. Die Expertengruppe strebt dabei zu Recht kein striktes Trennbankensystem an, sondern will das Universalbankensystem im Prinzip erhalten, indem Handelseinheit und Einlageneinheit – rechtlich und wirtschaftlich getrennt – unter einer gemeinsamen Holding operieren können.

Grundsätzlich stehen wir dem Separierungsvorschlag der Liikanen-Gruppe aufgeschlossen gegenüber. Eine funktionale Trennung kann helfen, das in Einlagenkreditinstituten betriebene klassische Bankgeschäft einschließlich des Zahlungsverkehrsgeschäfts vor Risiken zu schützen, die sich aus dem spekulativen Eigenhandel ergeben.

Der Separierungsvorschlag hat indes auch Nachteile und bringt eigene Schwierigkeiten mit sich. So müssen die abzutrennenden Geschäfte einschließlich der Ausnahmeregelungen eindeutig definiert werden, um eine Umgehung zu verhindern. Die Schwierigkeiten bei der regulatorischen Umsetzung der amerikanischen Volcker Rule sind hier ein warnendes Beispiel. Die Liikanen-Gruppe hat zwei Varianten der funktionalen Trennung („Avenues“) erörtert. Wir halten beide Wege für gangbar, wobei die geringere Eingriffsintensität der „Avenue 1“ gegen die bessere Berechenbarkeit der „Avenue 2“ politisch abzuwägen ist.

Fraglich ist zudem, ob die Stabilitätsgewinne durch die funktionale Trennung so hoch sind, wie die Liikanen-Gruppe annimmt. Da dem Kunden weiterhin ein Finanzkonzern gegenüber stünde, das Universalbankensystem aus Kundensicht also erhalten bliebe, bestehen trotz rechtlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Separierung Reputationsrisiken, die im Falle einer Schieflage der Handelseinheit eine Übertragung der Probleme auf das Einlagenkreditinstitut erwarten lassen. Die Trennung der Geschäftsbereiche könnte somit zwar das Ansteckungsrisiko innerhalb des ursprünglichen Instituts verringern. Die Bedeutung marktlicher Ansteckungskanäle könnte im Gegenzug aber zunehmen, wenn die Handelseinheit eine strukturell instabilere Refinanzierung ausschließlich über den Kapitalmarkt herstellen muss. Hinzu kommt die Gefahr, dass Geschäftstätigkeiten in das Schattenbankensystem abwandern.

Insgesamt muss man sich bewusst sein, dass eine funktionale Trennung nur ein Element in einem ganzen Maßnahmenbündel sein kann, das zur Sicherung der Finanzstabilität notwendig ist. Entscheidend sind eine angemessene Kapital- und Liquiditätsausstattung sowie ein glaubwürdiges Abwicklungsregime, das eine Haftung auch für Gläubiger einschließt und letztlich ein unfreiwilliges Ausscheiden aus dem Markt zu einem realistischen Szenario und damit einer glaubwürdigen Drohung macht. Falls die Sanierungs- und Abwicklungsplanungen von Banken im Großen und Ganzen nicht überzeugen sollten, sich eine milde Variante also als nicht zielführend erweisen sollte, stünde mit einer für alle Banken obligatorischen funktionalen Trennung eine Alternative bereit. Ergänzende Maßnahmen auf dem Gebiet der Corporate Governance sollten das Reformpaket abrunden.

Bevor jedoch strukturpolitische Schritte unternommen werden, sollte eine Kosten/Nutzen-Abwägung der Vorschläge vorgenommen werden. Dazu wäre zunächst einmal das Volumen des zur Separierung ins Auge gefassten Geschäfts zu erheben; insbesondere für den Umfang des Market Makings liegen derzeit keine Daten vor. Ein abschließendes Urteil würde dann außerdem die Spezifizierung weiterer Details der funktionalen Trennung voraussetzen.

Der „Proposal“ der Liikanen-Gruppe im Einzelnen

Auf der Grundlage ihrer Analyse zum EU Bankensektor und vor dem Hintergrund der laufenden Reformen kommt die Liikanen-Gruppe zu dem Schluss, dass weitere Reformen für den EU-Bankensektor notwendig seien. Die bisherigen Vorhaben reichten nicht aus, um die spezifischen Probleme im EU-Bankensektor einzudämmen. Dabei identifiziert die Liikanen-Gruppe folgende Bereiche als weiterhin problematisch: die gruppeninterne Quersubventionierung insbesondere des Handelsgeschäfts, die hohe Fremdkapitalfinanzierung und entsprechend geringe Verlustabsorptionsfähigkeit der Institute, die Komplexität der Bankkonzerne, ihre Verflechtung mit anderen Marktteilnehmern und die daraus resultierende begrenzte Abwicklungsfähigkeit, Wettbewerbsverzerrungen infolge erwarteter öffentlicher Stützung in Schieflagen sowie das Fehlen eines institutionellen Fundaments für den Finanzbinnenmarkt der EU. Die Reform der Eigenkapitalvorschriften greife in Bezug auf Immobilienkredite und die Handelsaktivitäten zu kurz und das entstehende Abwicklungsregime bedürfe ergänzender Maßnahmen.

Mit ihren auf diesem Befund gründenden Reformvorschlägen verfolgt die Liikanen-Gruppe drei Ziele: (1) die Wahrscheinlichkeit einer Schieflage zu reduzieren, (2) die Abwicklungsfähigkeit der Institute zu erhöhen und (3) die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme des Steuerzahlers bei der Insolvenz von Kreditinstituten zu reduzieren. Diese Ziele unterstützen wir uneingeschränkt.

1.    Separierung des Handelsgeschäfts

Ziele der Separierung sind die Reduzierung der Verflechtung und Komplexität, die Herstellung von Transparenz für Marktteilnehmer und Aufsicht sowie die Erleichterung der Abwicklung im Krisenfall. Handels- und Einlageneinheit können unter dem Dach einer Holding weiterhin innerhalb der gleichen Bankengruppe agieren. Damit hält die Liikanen-Gruppe ausdrücklich am Universalbanksystem fest. Gleichwohl setzt die Trennung in separate rechtliche und wirtschaftliche Einheiten bewusst Grenzen für Risiko- und Kapitaltransfers.

Eigenhandel, Aktiv- oder Derivategeschäfte aus dem Market Making, Kredite, Kreditzusagen und unbesicherte Kreditexposures an Hedgefonds und Zweckgesellschaften sowie Private-Equity-Gesellschaften sollen konzernintern in separate rechtliche Einheiten verlagert werden. Diese abgetrennten Einheiten könnten innerhalb derselben Bankengruppe verbleiben, müssten sich jedoch selbstständig refinanzieren. Eine konzerninterne Refinanzierung wäre nur zu Marktbedingungen und unter Beachtung sämtlicher regulatorischer Vorschriften (Großkredit, Eigenkapitalquote usw.) zulässig. Insofern müssten geltende konzernrechtliche Regelungen ausdrücklich ausgeschaltet werden. Im Endeffekt würde somit eine rechtliche und weitgehende wirtschaftliche Trennung erreicht.

Die Handelseinheit dürfte grundsätzlich alle Bankgeschäfte ausüben. Ausnahmen wären die Entgegennahme von geschützten Einlagen sowie das Anbieten von Zahlungsverkehrsdienstleistungen gegenüber Retail-Kunden. Der Zugang zu den Refinanzierungsfazilitäten der Zentralbanken würde von der Regelung der jeweiligen Jurisdiktion abhängen. Die separate Handelseinheit soll über die risikogewichteten Kapitalanforderungen hinaus einen zusätzlichen Kapitalpuffer vorhalten.

Der Einlageneinheit soll das „klassische Investmentbanking“ – die Beratung bei Fusionen und Übernahmen sowie die Begleitung von Börsengängen – möglich sein. Erlaubt wäre auch kundengetriebenes, d.h. explizit vom Kunden veranlasstes, nicht aber nur „kundenbezogenes“ oder aus dem Kreditgeschäft resultierendes Kapitalmarktgeschäft. Als Beispiele werden einfache („plain vanilla“) Verbriefungen und Derivategeschäfte zur Absicherung angeführt. Unklar ist, wie die geforderte organisatorische Trennung innerhalb der Bankholding aussehen soll, inwieweit z.B. ein gemeinsamer Vorstand oder eine gemeinsame IT für die unterschiedlichen Einheiten weiterhin möglich wären.

Die Bestimmung des Institutskreises, der seine Geschäftssparten trennen muss, soll in einem zweistufigen Verfahren erfolgen: In einem ersten – quantitativen – Schritt würden diejenigen Institute identifiziert, bei welchen die Vermögenswerte der Bilanzpositionen Available for Sale („afs“) und Held for Trading („hft“) mehr als 15%-25% der gesamten Bilanzsumme ausmachen oder 100 Mrd. € übersteigen. In diesem Fall würde eine Abtrennung in Erwägung gezogen. Daran schlösse sich auf von der EU-Kommission zu erarbeitenden Grundsätzen – Definition von Schwellenwerten und relevanten Aktiva – der zweite – qualitative – Schritt an, bei dem auf Basis der ggfs. abzutrennenden Risiken über das Erfordernis einer Trennung entschieden würde.

Die von der Liikanen-Gruppe vorgeschlagene rechtliche Trennung stellt wohl einen weniger starken Eingriff in die Geschäftsmodelle dar als die Volcker Rule (völliges Verbot des Eigenhandels) bzw. der Vorschlag der Vickers-Kommission (pauschales Ring-Fencing des Einlagengeschäfts ohne Schwellenwerte). Insb. die Geschäfte, die der Einlagenbank erlaubt wären, sind deutlich weiter gefasst als etwa im Vickers-Vorschlag und umfassen unter anderem auch Hedging für Nichtbanken (z.B. Devisen- oder Zinsswapgeschäfte) und Underwriting. Damit könnten die Geschäftskunden aus dem Kreis der exportorientierten und von großen Mittelständlern geprägten deutschen Unternehmenslandschaft weiterhin Bankdienstleistungen „aus einer Hand“, nämlich der eines Konzerns, erhalten und Einlageninstitute weiterhin eine gewisse Diversifizierung ihrer Erträge realisieren.

Da mit diesem Trennvorschlag neben dem Eigenhandel und Market Making wohl nur die hochriskanten Geschäfte in die Handelseinheit ausgelagert werden würden, stellt sich die Frage nach der Tragfähigkeit deren Geschäftsmodells. Soweit diese Form des Handels bisher nur aufgrund einer angenommenen Staatsgarantie und des Zugangs zum Sicherheitsnetz profitabel ist, könnte infolge einer Separierung die Marktdisziplin eine Aufgabe dieser Aktivitäten erzwingen.

Insgesamt stehen wir dem Separierungsvorschlag der Liikanen-Gruppe aufgeschlossen gegenüber. Eine funktionale Trennung kann helfen, das in Einlagenkreditinstituten betriebene klassische Bankgeschäft einschließlich des Zahlungsverkehrsgeschäfts vor Risiken zu schützen, die sich aus dem spekulativen Eigenhandel und aus sehr riskantem Kreditgeschäft ergeben. Da sich reine Trennbankensysteme in der Krise keineswegs als überlegen herausgestellt haben, ist es unserer Ansicht nach gleichwohl sinnvoll, am Kern des bewährten Universalbankmodells festzuhalten. Dies beinhaltet, dass Einlagenkreditinstitute kundengetriebene Transaktionen und Absicherungsgeschäfte anbieten dürfen sollten. Größen- und Verbundvorteile der Universalbank könnten insoweit erhalten bleiben. Sind diese Bereiche im Rahmen einer Holding juristisch klar vom Eigenhandel und den damit verbundenen Risiken in einer Handelseinheit getrennt, dürften sie leichter zu steuern und im Insolvenzfall leichter und zu geringeren Kosten für den Steuerzahler abzuwickeln sein. So wäre die Einlagensicherung eindeutig auf den Teil der Holding, in dem die Einlagen liegen, beschränkt. Dies sollte Moral Hazard, der nicht zuletzt von der Einlagensicherung begünstigt wird, reduzieren und die Marktdisziplin stärken, da ein unfreiwilliges Ausscheiden aus dem Markt zu einer glaubwürdigeren Bedrohung wird. Die vorgeschlagenen Schwellenwerte für die obligatorische Trennung können dazu beitragen, dass im traditionellen Bankgeschäft tätige kleine und mittlere Institute nicht durch den Verlust der in diesem Segment nachweisbaren Größen- und Verbundvorteile benachteiligt werden. Negative Effekte auf die Finanzintermediation (volkswirtschaftliche Perspektive) und die Ertragsstärke (betriebswirtschaftliche Perspektive) sollten sich damit in Grenzen halten.

Der Separierungsvorschlag hat aber auch Nachteile und bringt eigene Schwierigkeiten mit sich. So müssen die abzutrennenden Geschäfte einschließlich der Ausnahmeregelungen eindeutig definiert werden, um eine Umgehung zu verhindern. Die Schwierigkeiten bei der regulatorischen Umsetzung der amerikanischen Volcker Rule sind hier ein warnendes Beispiel. Die von der Liikanen-Gruppe vorgesehene Auslagerung des Eigenhandels und des gesamten Market Makings dürfte gleichwohl mit geringeren Abgrenzungsproblemen einhergehen als die Volcker Rule.

Die Handelseinheit muss ausreichend kapitalisiert sein und sich aus eigener Kraft am Markt refinanzieren können. Dabei ist aufgrund der nicht mehr direkt möglichen Finanzierung aus gesicherten Einlagen, der Annahme einer nicht mehr vorhandenen impliziten Staatsgarantie und der verbesserten Abwicklungsfähigkeit mit höheren Refinanzierungskosten zu rechnen. Volkswirtschaftlich ist diese Umverteilung vom Steuerzahler zurück auf die Kreditwirtschaft vorteilhaft, wenn damit die dahinter stehendende Internalisierung von Risiken eine verursachungsgerechtere Bepreisung erreicht, was die Allokationseffizienz erhöht und Fehlanreize reduziert.

Die Liikanen-Gruppe hat zwei Varianten der funktionalen Trennung erörtert: „Avenue 1“ besteht in einem zusätzlichen Kapitalpuffer für die Handelsaktivitäten und einer von der Bewertung der vorzulegenden Sanierungs- und Abwicklungsplanung abhängigen bedingten Abtrennung des Handelsgeschäfts. Bei der letztlich vorgezogenen „Avenue 2“ wird der Kapitalpuffer für das Handelsgeschäft von einer obligatorischen funktionalen Abtrennung des Handelsgeschäfts begleitet. Wir halten beide Wege für gangbar, wobei die geringere Eingriffsintensität der „Avenue 1“ gegen die bessere Berechenbarkeit der „Avenue 2“ abzuwägen ist.

Fraglich ist indes, ob die Stabilitätsgewinne durch die funktionale Trennung so hoch sind, wie die Liikanen-Gruppe annimmt: Selbst wenn die Trennung in Handelsbereich und Depositenbank problemlos möglich sein sollte, müsste sich erst herausstellen, ob ein solches System im Vergleich zur einem klassischen Universalbanksystem tatsächlich weniger krisenanfällig für systemische Risiken ist oder ob nicht andere Ansteckungskanäle (z.B. über den Interbankenmarkt, über Derivate für Absicherungszwecke etc.) so bedeutend sind oder so an Bedeutung gewinnen werden, dass im Hinblick auf das systemische Risiko keine signifikanten Nutzenzuwächse entstehen. Da dem Kunden weiterhin ein Finanzkonzern entgegentreten würde, das Universalbankensystem aus Kundensicht also erhalten bliebe, bestehen trotz rechtlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Separierung Reputationsrisiken, die im Falle einer Schieflage der Handelseinheit eine Übertragung der Probleme auf das Einlagenkreditinstitut erwarten lassen. Zudem dürfte durch die Abkopplung einzelner Geschäftsbereiche von der Refinanzierung über Depositen die Kapitalmarktabhängigkeit der riskanteren Geschäftssparte zunehmen. Die Trennung der Geschäftsbereiche könnte somit zwar das Ansteckungsrisiko innerhalb des ursprünglichen Instituts verringern. Die Bedeutung marktlicher Ansteckungskanäle, die in der Finanzkrise weitaus entscheidender waren als die Verflechtung innerhalb eines Bankkonzerns, könnte aber weiter zunehmen. Hinzu kommt, die Gefahr, dass Geschäftstätigkeiten in das Schattenbankensystem abwandern und hierüber neue bedeutende systemische Kanäle im bisher unregulierten Bereich entstehen.

Insgesamt muss man sich bewusst sein, dass eine funktionale Trennung nur ein Element in einem ganzen Maßnahmenbündel sein kann, das zur Sicherung der Finanzstabilität notwendig ist. Entscheidend sind eine angemessene Kapital- und Liquiditätsausstattung sowie ein glaubwürdiges Abwicklungsregime, das ein unfreiwilliges Ausscheiden aus dem Markt zu einem realistischen Szenario und damit einer glaubwürdigen Drohung macht.

2.    Abspaltung weiterer Geschäftsbereiche zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit

Die Liikanen-Gruppe hält glaubwürdige und effektive Sanierungs- und Abwicklungspläne für essenziell. Diese könnten eine noch weitergehende Separierung erfordern, um im Krisenfall das Retailgeschäft isolieren, Handelspositionen abwickeln und IT- und Zahlungsverkehrssysteme aufrechterhalten zu können. Der Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken und Wertpapierfirmen (BRR) sieht entsprechende Befugnisse für die Abwicklungsbehörde vor. Die European Banking Authority (EBA) solle nach dem Liikanen-Report Standards für die Bewertung der Sanierungs- und Abwicklungspläne und die Abschätzung der Abwicklungsfähigkeit von Kreditinstituten festlegen.

Alternativ zu dem im Liikanen-Bericht vorgesehenen zweistufigen Vorgehen (1. Stufe: zwingende Trennung; 2. Stufe: Anordnungskompetenzen der Abwicklungsbehörde) könnte zur Erreichung einer Abwicklungsfähigkeit von Instituten gemäß BRR die alleinige Betrachtung des Einzelfalls sowie entsprechende Anordnungskompetenzen der Abwicklungsbehörde zum Abbau bzw. zur Beseitigung von Hindernissen für die Abwicklungsfähigkeit in Betracht gezogen werden. Diese diskretionäre Vorgehensweise (s.o. „Avenue 1“) könnte dem Effizienzverlust durch eine One-size-fits-all-Regelung sowie der möglichen Fehleranfälligkeit bei der Festlegung der konkreten Parameter der allgemeineren Lösung vorbeugen; sie setzt allerdings Eingriffsbereitschaft auf Seiten der Aufsichtsbehörden voraus. Rechtssicherheit und Transparenz können auch im Rahmen der behördlichen Tätigkeit bei entsprechend ausgestalteter Rechtsgrundlage gewährleistet werden. Insofern könnte die im EU-Richtlinienvorschlag vorgesehene, individuelle Vorgehensweise als milderes Mittel zu werten sein, da institutsspezifische Maßnahmen in Betracht kommen, die auch das laufende Geschäft besser berücksichtigen könnten. Darüber hinaus bietet das hierzu im Richtlinienentwurf vorgesehene Verfahren den Unternehmen die Möglichkeit, individuelle Lösungen anzubieten.

Unter der Maßgabe, dass die vorgesehenen Eingriffsrechte tatsächlich in vollem Umfang und transparent gesetzlich im deutschen Recht verankert werden können, könnte eine Abtrennung kritischer Geschäftsfelder nach Einzelfallentscheidung – dann möglicherweise in Verbindung mit höheren Kapitalaufschlägen – eine hinreichende Abwicklungsfähigkeit herstellen. Die Maßnahmen zum Abbau bzw. zur Beseitigung von Hindernissen der Abwicklungsfähigkeit sind zum Teil sehr tiefgreifend, zumal sie ohne aktuelle Krisensituation vorbereitend zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit angeordnet würden. Es ist dabei zu bedenken, dass die Eingriffsmaßnahmen – insbesondere in die Geschäftstätigkeit und Strukturen der Unternehmen – mit dem Grundgesetz vereinbar sein müssen und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegen.

3.    Erweiterte Anwendung des Bail-in als Abwicklungsinstrument

Banken sollen nach den Vorschlägen der Liikanen-Gruppe einen ausreichenden Mindestbetrag bail-in-fähiger Verbindlichkeiten vorhalten. Diese Verbindlichkeiten sollen eindeutig definiert sein, so dass ihre Rangfolge in der Gläubigerhierarchie klar ist und sie marktfähig sind. Ein vorzuhaltender Mindestbetrag bail-in-fähiger Verbindlichkeiten soll auch durch Eigenkapital erfüllt werden können. Insoweit decken sich die Vorstellungen der Liikanen-Gruppe mit den Regelungen der BRR.

Anders als die BRR, die einen weiten Anwendungsbereich des Bail-in Instruments mit einzelnen ausgenommenen Kategorien von Verbindlichkeiten vorsieht, befürwortet die Liikanen-Gruppe – wie grundsätzlich auch EBA und EZB – die Einführung einer speziellen Kategorie bail-in-fähiger Verbindlichkeiten. Dabei hebt die Expertengruppe richtigerweise die Bedeutung einer klaren Definition der bail-in-fähigen Verbindlichkeiten hervor. Auch das dort vorgeschlagene Phasing-in wäre in diesem Fall wohl erforderlich. Aus Sicht der Finanzstabilität spricht vieles für einen möglichst breiten Kreis an bail-in-fähigen Verbindlichkeiten. Dies würde Umgehungsanreize eliminieren und die fiskalische Wirkung in Krisensituationen verbessern. Je breiter die Basis wäre, d.h. je weniger umfangreich die Ausnahmetatbestände, desto größer wären zudem die Rechtssicherheit und Vorhersagbarkeit des Instruments – Kriterien die der Liikanen-Bericht selbst als besonders wichtig benennt. Wie in dieser Ausgestaltungsform des Bail-in mit den Einlagensicherungssystemen umzugehen wäre, müsste auch vor dem Hintergrund der noch andauernden EU-Verhandlungen näher untersucht werden, bevor hierzu fundierte Aussagen möglich sind.

Das Argument der Liikanen-Gruppe, dass in bail-in-fähige Verbindlichkeiten investierte Anleger einen Anreiz zu einem intensiveren Monitoring haben und risikoreiche Anlagestrategien durch eine Erhöhung der Risikoprämie kompensieren werden, ist plausibel. Dies setzt aber voraus, dass den jeweiligen Anlegern der Risikogehalt ihrer bail-in-fähigen Anlagen bewusst ist. Während dies bei institutionellen Anlegern vorausgesetzt werden kann, muss dieses Bewusstsein bei Retail-Anlegern erst noch geschaffen werden, insbesondere wenn der Kreis der bail-in-fähigen Instrumente breit angelegt ist.

Die Liikanen-Gruppe möchte, dass bail-in-fähige Verbindlichkeiten grundsätzlich nur außerhalb des Bankensektors gehalten werden, um die Vernetzung im Bankensektor zu verringern. Dieser Vorschlag ist aus finanzstabilitätspolitischer Sicht aber problematisch, da die Vernetzung mit anderen Segmenten des Finanzsystems (z.B. Lebensversicherer, Schattenbankensektor) ebenso bedacht werden muss.

Neu ist auch der Vorschlag, bail-in-fähige Verbindlichkeiten in Vergütungssystemen für das Topmanagement einzusetzen. Dieser Vorschlag ist eine interessante Ergänzung des bisherigen Vergütungsinstrumentariums, die nicht nur die Anreize des Managements mit denen der Anteilseigner in Einklang bringen, sondern auch Anreize zu umsichtigem Geschäftsgebaren setzen und sich damit positiv auf die Finanzstabilität auswirken könnte. Gerade bei einer mittel- bis langfristigen Laufzeit (5 bis 10 Jahre) würde zudem einer Fokussierung der Vergütungs- und Anreizsysteme auf die kurze Frist entgegen gewirkt.  

4.    Überprüfung der Eigenkapitalanforderungen für Positionen des Handelsbuchs und Hypothekenkredite

Mit Recht weist der Bericht darauf hin, dass interne Modell-Ansätze dem Risiko unterliegen, fehlspezifiziert zu sein. Als Möglichkeit, diesem Risiko zu begegnen, verweisen die Autoren auf den Fundamental Review des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht. Basis des Fundamental Review war u.a. eine Schwachstellenanalyse der bestehenden Marktrisikoregelungen. Als ein wesentlicher Bereich wurde im Fundamental Review die bessere Berücksichtigung von Marktliquiditätsaspekten in den zukünftigen Regelungen identifiziert. Ferner ist zu beachten, dass in Europa die Regelungen zu Basel 2.5, die bereits wesentliche in der Finanzmarktkrise identifizierten Probleme überwinden und zu einer Erhöhung der Kapitalanforderungen für die Marktrisiken handelsaktiver Institute um ca. 300-400% (Basis QIS) führen, seit 31.12.2011 für die Institute gültig sind.

Zur inhaltlichen Ausgestaltung des Vorschlags eines risikounabhängigen Kapitalpuffers für Positionen des Handelsbuchs findet sich allerdings nur folgender Satz: „The size of the additional capital buffer could increase in proportion to the level of deposit funding.“ (S. 95). Die Kalibrierung und Implementierung eines derartigen Puffers ist mit erheblichen Problemen behaftet. Im Fundamental Review hat man versucht, Liquiditätsaspekte in unterschiedlicher Weise in die zukünftigen Kapitalregelungen einzubeziehen. Diese Überlegungen haben sich in Bezug auf eine Berücksichtigung des Funding-Mix jedoch zu keinen Vorschlägen konkretisiert, und man konzentrierte sich insbesondere auf Marktliquiditätsaspekte der Handelsaktiva. Im Übrigen schlägt die Liikanen-Gruppe richtigerweise vor, die Ergebnisse der grundlegenden Überprüfung der Handelsbuchregelungen abzuwarten.

Der Report weist weiterhin auf mögliche Schwachstellen der Großkreditvorschriften hin. Sowohl für Forderungen zwischen Instituten als auch für Forderungen innerhalb einer Gruppe bestehen derzeit Ausnahmeregelungen. Diese Ausnahmen sollten, wie im Report gefordert, darauf geprüft werden, ob die wechselseitigen Abhängigkeiten von Instituten hinreichend beschränkt werden.

Die richtige Forderung nach Konsistenz und Adäquanz der Risikoeinschätzung mittels interner Risikosysteme sollte gerade nicht, wie im Report vorgeschlagen, durch stärkere Harmonisierung der Behandlung von Risiken umgesetzt werden. Erforderlich ist vielmehr eine konsequente und EU-weit einheitliche Durchsetzung der bestehenden qualitativen Anforderungen, insbesondere zur Belegbarkeit von Risikoprognosen durch empirische Daten. Eine Harmonisierung von internen Ratingsystemen trotz realer, empirisch belegbarer Unterschiede der individuellen Risikosituation der Institute setzt falsche Anreize, auf eine kontinuierliche Verbesserung der Risikomessung auch für die interne Risikosteuerung zu verzichten. Das birgt sogar die Gefahr systemischer Risiken, wenn alle Institute letztlich dasselbe harmonisierte Risikomodell verwenden und sich später zeigt, dass dieses Modell bestimmte Risiken unterschätzt. Ein Zurück zu derart standardisierten Risikomessansätzen wäre aus bankaufsichtlicher Sicht ein Rückschritt.

Die Forderung nach hinreichenden Eigenkapitelanforderungen für Realkredite, die auch gegen substantielle Stressbedingungen in Realkreditmärkten schützen, ist mit Blick auf die Erfahrungen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten unbedingt zu unterstützen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Wirksamkeit der höheren Eigenkapitalanforderungen unter Basel III. Deshalb ist es auch wichtig, dass künftig die Capital Requirements Regulation die Möglichkeit eröffnet, für einzelne Realkreditmärkte höhere Risikogewichte festzusetzen, sollten die empirischen Daten zeigen, dass dies für den betreffenden Markt erforderlich ist. Diese richtige, empirisch fundierte Unterscheidung der Gegebenheiten in den jeweiligen Märkten muss aber auch und gerade im IRB-Ansatz bei Verwendung interner Modelle für Verluste aus Immobiliensicherheiten erhalten bleiben.

Die Idee der Einführung eines robusten Floors, wie im Report vorgeschlagen, kann Modellunsicherheiten bzw. Arbitragemöglichkeiten auffangen. Andererseits sollte berücksichtigt werden, dass die Nutzung von internen Modellen zur Eigenmittelberechnung ein fester Bestandteil der internationalen Bankenregulierung ist. Hier gibt es zahlreiche Mechanismen, um die Qualität der Modelle zu gewährleisten. Ferner wird Basel III dazu führen, dass die (modellbasierten) Eigenmittelanforderungen an handelsintensive Geschäfte deutlich steigen werden. Außerdem produziert eine derartige pauschale Untergrenze eine neues Problem: Sind für ein Institut in einem bestimmten Markt die tatsächlichen Verlustrisiken höher als für den Floor unterstellt, vermag dieser nichts zu bewirken. Dagegen bestraft ein pauschaler Floor Institute, deren individuelle Risikosteuerung, sowohl hinsichtlich der Realkreditvergabe als auch der Verwertung von Immobiliensicherheiten, für niedrigere Verlustrisiken sorgt. Das kann Fehlanreize für Institute schaffen, auf eine Verbesserung der Risikosteuerung zu verzichten. Hinzu kommen theoretische und praktische Probleme bei der quantitativen Bestimmung des Floors, die nicht einfach zu lösen sind. Ein Floor kann deshalb lediglich ein Startpunkt sein, um über die Validität der Modellergebnisse nachzudenken und ggf. weitere alternative Lösungswege zu eruieren.

5.    Verbesserung der Steuerung und Kontrolle von Banken

Die Liikanen-Gruppe sieht Bedarf für Reformen im Bereich der Corporate Governance. Ihre Vorschläge zur Unternehmensführung sind überwiegend nicht neu, greifen zum Teil aber neue Aspekte und Weiterentwicklungen auf. Die vorgeschlagenen Reformen sollen das Management und die Aufsichtsgremien in die Lage versetzen, komplexe Bankkonzerne besser zu steuern. Insbesondere an die Qualifikation der Verwaltungs- und Aufsichtsräte stellt die Banken- und Versicherungsaufsicht bereits jetzt höhere Anforderungen als vor der Finanzkrise.

Die Liikanen-Gruppe schlägt zudem vor, die Stellung des Risikomanagements innerhalb der Bank zu stärken und die Kontrollmechanismen, auch durch stärkere Einbeziehung des Aufsichtsorgans in die Kontrollprozesse, zu verbessern. Hierzu fordert sie die konsequente Umsetzung aller Regelungen der Eigenkapitalrichtlinien CRD III und IV durch die Mitgliedstaaten, ferner eine deutlich stärkere Detaillierung von Durchführungsbestimmungen zu den allgemein gehaltenen Richtlinienvorgaben. Eine konsequente Umsetzung der CRD in nationales Aufsichtsrecht – wie sie in Deutschland praktiziert wird – befürworten wir ausdrücklich. Grundsätzlich erscheint es auch folgerichtig, für allgemeine Vorgaben der Richtlinie einen Rahmen zur Umsetzung abzustecken (z.B. über Durchführungsbestimmungen), um allen Mitgliedstaaten ein gemeinsames Verständnis über die Stoßrichtung solcher Vorgaben zu vermitteln.

Die Vorschläge für eine Reform der Vergütungssysteme bewegen sich überwiegend im Rahmen der Vorschläge, die derzeit bei den Verhandlungen zur CRD IV diskutiert werden. Sowohl der Vorschlag, die Auswirkung eines maximalen Verhältnisses von variabler zu fixer Vergütung zu untersuchen, als auch eine Obergrenze für Gesamtbonuszahlungen eines Instituts erscheint sinnvoll. Wenn ein solches Maximalverhältnis nicht gruppenweit – also auch außerhalb Europas – gelten würde, könnten Beschäftigungsverhältnisse mit hohen variablen Anteilen an der Gesamtvergütung in einen weniger regulierten Drittstaat verlagert werden. Um die erforderliche Disziplinierung zu erreichen, sollten ggf. zugelassene Ausnahmen mit dem Erfordernis eines Eigentümerbeschlusses (z.B. Hauptversammlungsbeschluss) und einer erhöhten Publizität einhergehen.

Die vorgeschlagenen Verbesserungen der Offenlegung von Risiken enthalten zwar keine neuen Aspekte, sind aber durchweg vernünftig und finden daher unsere Zustimmung. Differenzierter stellen sich aus unserer Sicht die geforderten Sanktionsmöglichkeiten der Aufsicht in Form eines lebenslangen Berufsverbots für Führungskräfte sowie der Rücknahme der Vergütung dar. Ein lebenslanges Berufsverbot kann verfassungsrechtlich nur Bestand haben, wenn es nicht dauerhaft wirkt, sondern regelmäßig überprüft wird, ob es wegen Änderung der tatsächlichen Umstände nicht wieder aufzuheben ist. Grundsätzlich besteht nach der gängigen Verwaltungspraxis der BaFin derzeit keine abstrakte Wirkung einer ausgesprochenen Tätigkeitsuntersagung über das konkrete Institut hinaus. Bei dem vorgeschlagenen Claw-back von Vergütungen handelt es sich inhaltlich um ein Malussystem, bei dem eine noch nicht ausgezahlte Vergütung abgeschmolzen werden kann. Ein solches Malus-System ist zweckmäßig und findet sich schon jetzt in den Anforderungen der CRD III und wurde bereits in deutsches Recht überführt.