Stellungnahme der Deutschen Bundesbank zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2006“, Haushaltsbegleitgesetz 2006 – HBeglG 2006, Bundestagsdrucksache 16/752 Öffentliche Anhörung am 4. Mai 2006

Deutschland überschreitet seit dem Jahr 2002 die im EG-Vertrag festgelegte Obergrenze für das gesamtstaatliche Defizit von 3 % des Bruttoinlandsprodukts. Ende 2005 erreichte die Bruttoverschuldung des Staates mit gut 1,5 Billionen € oder 67,7 % des Bruttoinlandsprodukts einen neuen Höchststand. Der Referenzwert von 60 % wird deutlich überschritten. Die Kreditaufnahme des Bundes und etlicher Länder liegt strukturell oberhalb der regulären nationalen Obergrenzen. Die Einhaltung der europäischen, aber auch der nationalen Regeln erfordert von der deutschen Finanzpolitik einen strikten Konsolidierungskurs. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist zugleich dringend erforderlich, um zukünftigen Generationen, die auf Grund der demographischen Entwicklung ohnehin wachsende Lasten zu tragen haben, nicht zusätzlich hohe Staatsschulden aufzubürden. Nur so lassen sich auf Dauer ein wachstums- und beschäftigungsförderliches Umfeld schaffen und Haushaltsspielräume zurückgewinnen. Finanzpolitische Disziplin gehört zu den wichtigen Rahmenbedingungen einer stabilitätsorientierten Geldpolitik.

Die Maßnahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 sind Bestandteil der Konsolidierungsstrategie der Bundesregierung. Diese zielt darauf, die Verfassungsmäßigkeit des Bundeshaushalts zu gewährleisten und das gesamtstaatliche Defizit in Einklang mit den Erfordernissen der europäischen Haushaltsregeln deutlich und nachhaltig zurückzuführen. Sie umfasst neben ausgabenseitigen Maßnahmen und einer Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen, denen allerdings auch die Schaffung neuer Sondertatbestände gegenübersteht, vor allem Mehreinnahmen durch Steuersatzanhebungen bei der Umsatz- und der Versicherungsteuer.

Für die Haushalte der Gebietskörperschaften wird auf Grund der Umsatz- und der Versicherungsteuererhöhung mit Mehreinnahmen von rund 21 Mrd € im Jahr 2007 und 24 ½ Mrd € im darauf folgenden, ersten Jahr der vollen Wirksamkeit gerechnet. Etwa ein Drittel des erwarteten Mehraufkommens soll als Bundeszuschuss an die Bundesagentur für Arbeit überwiesen werden und dort - neben eigenen Einsparungen - dazu beitragen, den Beitragssatz zu Beginn des Jahres 2007 von 6,5 % auf 4,5 % zu senken. Dieser zusätzlichen Belastung des Bundeshaushalts soll durch eine Änderung des Verteilungsschlüssels des Umsatzsteueraufkommens zu Gunsten des Bundes Rechnung getragen werden. Nach Abzug der Ausgaben für den Bundeszuschuss würde die Finanzlage der Gebietskörperschaften um 14 ½ Mrd € im Jahr 2007 beziehungsweise knapp 17 Mrd € im Jahr 2008 verbessert. Gegenzurechnen sind freilich nicht zuletzt Mehraufwendungen für umsatzsteuerbelastete Ausgaben der Gebietskörperschaften.

Im Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 liegt der Schwerpunkt der Konsolidierung auf Steuersatzerhöhungen. Hinzu kommt, dass - ohne weitere Maßnahmen - in der gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr höhere Beitragssätze erforderlich wären, vor allem um die geplanten Kürzungen des Bundeszuschusses auszugleichen. Abgabenerhöhnungen sind allerdings mit Ausweichreaktionen – auch in die Schattenwirtschaft - verbunden und den längerfristigen Wachstums- und Beschäftigungsbedingungen nicht förderlich. Grundsätzlich wäre daher eine verstärkte Konsolidierung auf der Ausgabenseite wünschenswert. Auch wäre eine konsequentere Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen einer Steuersatzerhöhung vorzuziehen. Konsolidierungsstrategien, die auf Steuererhöhungen abstellen, sind weniger Erfolg versprechend als ausgabenseitige Ansätze. Unter den gegebenen Umständen wird es vor allem darauf ankommen, einen sparsamen Ausgabenkurs der öffentlichen Hand weiter zu verfolgen und insbesondere nicht der Versuchung zu erliegen, die zusätzlichen Einnahmen statt zur dringend gebotenen Konsolidierung für neue Ausgaben zu verwenden.

Mit der Umfinanzierung von Sozialbeiträgen durch indirekte Steuern ist für sich genommen noch keine Verringerung des Abgabenkeils insgesamt verbunden. Positive Beschäftigungseffekte sind daher vorsichtig einzuschätzen. Darüber hinaus kann eine bloße Umschichtung in der Struktur der Abgaben grundlegende Reformen in den Systemen der sozialen Sicherung nicht ersetzen.

Die geplante Anhebung des Regelsatzes für die Umsatzsteuer und die Versicherungsteuer um jeweils drei Prozentpunkte zum 1. Januar 2007 hätte bei vollständiger Überwälzung einen Teuerungseffekt in Deutschland von etwa 1 ½ Prozentpunkten zur Folge. Auch wenn mögliche preisdämpfende Wirkungen auf Grund der beabsichtigten Senkung der Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt werden und eine vollständige Überwälzung der Steuererhöhung zunächst kaum zu erwarten ist, könnte die Teuerungsrate für sich genommen um gut 1 Prozentpunkt höher ausfallen. Bezogen auf den Euro-Raum, dessen Preisentwicklung bereits in den letzten Jahren stark von Anhebungen indirekter Steuern und administrierter Preise nach oben gedrückt worden ist, wäre der Preiseffekt mit etwa 0,3 Prozentpunkten zu veranschlagen. Damit erhöht sich das Risiko, dass die Inflationsrate im Euro-Raum auch im kommenden Jahr über der mittelfristigen Preisnorm der EZB liegen wird.

Hinsichtlich der realwirtschaftlichen Effekte ist darauf hinzuweisen, dass mit dem skizzierten Kaufkraftverlust zugleich das reale verfügbare Einkommen der privaten Haushalte gedämpft wird. Soweit eine Überwälzung der höheren Umsatzsteuerbelastung nur partiell gelingt, würde ein Teil des Einkommensverlustes über eine Verschlechterung der Ertragslage primär von den Unternehmen mit Absatzschwerpunkt im Inland getragen. Die Umsatzsteuererhöhung erschwert durch ihre unterschiedlichen Wirkungen auf die Inlandsnachfrage und die Exportwirtschaft die Überwindung der gespaltenen Konjunktur. Auf Grund der Steuererhöhung ist zudem mit Vorzieheffekten bei dauerhaften Konsumgütern im laufenden Jahr und entsprechenden Einbußen im Jahr 2007 zu rechnen. Längerfristig sind positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte dann zu erwarten, wenn auf dem Weg zu soliden öffentlichen Haushalten die Ausgabenseite im Rahmen einer umfassenden Reformstrategie entscheidend berücksichtigt wird.