Stellungnahme zum Entwurf eines Hochfrequenzhandelsgesetz Schriftliche Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 16. Januar 2013 zum Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel (Hochfrequenzhandelsgesetz)

1. Allgemeine Einschätzung

Der computergestützte Hochfrequenzhandel (HFH) kann die Effizienz von Finanzmärkten erhöhen, z. B. in Form erhöhter Liquidität, geringerer Preisspannen und verbesserter Preise. Gleichzeitig birgt er das Risiko von Fehlleistungen von Computersystemen, die zu einer Fehlallokation von Kapital oder zu Marktstörungen führen können. Wir begrüßen daher die Zielsetzung des Gesetzentwurfs, den aus dem HFH resultierenden Risiken, die sich aus der übermäßigen Belastung der Handelssysteme, der Verletzung der Marktintegrität durch manipulative Strategien sowie der Instabilität der Finanzmärkte durch überhöhte Volatilität ergeben, entgegenzuwirken.

Derzeit haben Regulierer und Aufseher keine ausreichenden Informationen darüber, wer HFH betreibt, wo HFH-Firmen angesiedelt sind und welchen Anteil der HFH am Gesamthandel ausmacht. Daher begrüßen wir ausdrücklich die vorgesehene Erhöhung der Transparenz in Form von erweiterten Auskunftsrechten der Börsenaufsichtsbehörden sowie die Kennzeichnung der durch Algorithmen erzeugten Aufträge und die Kenntlichmachung der hierfür jeweils verwendeten Algorithmen. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass HFHFirmen jederzeit für Aufsichtsbehörden erreichbar und zeitnah auskunftsfähig sein müssen, um auf aufsichtliche Maßnahmen und Rückfragen hinsichtlich ihrer Handelsaktivitäten angemessen reagieren zu können. Eine eindeutige Zuordnung ist sowohl im Hinblick auf die aufsichtliche Anforderung von Informationen zu bestimmten Vorgängen, zur Verfolgung des Verdachts der Marktmanipulation sowie zum gezielten Ausschluss eines Hochfrequenzhändlers vom Handel unabdingbar.

Fehlerhafte Algorithmen können in sehr kurzer Zeit zu Marktstörungen und großen Verlusten für den die Algorithmen einsetzenden Händler führen. Daher muss sichergestellt werden, dass Algorithmen vor Inbetriebnahme firmenseitig ausreichend getestet werden. Daneben die Einführung eines sog. Kill Switch, d. h. eines Mechanismus erwogen werden, mit dem fehlerhafte und marktschädliche Algorithmen schnell ausgeschaltet werden können.

Wir begrüßen ausdrücklich den Verzicht auf die Einführung einer Mindesthaltedauer für Orders. Der zuerst handelnde Akteur könnte seine Order für die Mindesthaltedauer nicht zurückziehen, wenn sich der Markt in eine für ihn ungünstige Richtung entwickelt. Dieses wirtschaftliche Risiko müsste kompensiert werden, etwa indem die Preisspannen erhöht werden, was zu schlechteren Preisen für alle Marktteilnehmer führen könnte. Auch die Bereitschaft zur (Erst-)Abgabe von Angeboten würde ungünstig beeinflusst. Dies könnte insbesondere in volatilen Phasen zu einem substanziellen Rückgang an Liquidität führen.
Sofern beabsichtigt würde, die Geschwindigkeit als eine maßgebliche Komponente des Wettbewerbs im Wertpapierhandel zu eliminieren, könnte statt einer Mindesthaltedauer für Orders eine Änderung des Marktmodells erwogen werden. So spielt bei Auktionsmodellen der Preis eine bedeutendere Rolle bei der Auftragsausführung, während im derzeit üblichen Modell des fortlaufenden Handels der relative Geschwindigkeitsvorteil von großer Bedeutung ist.

Generell regen wir an, dass Marktmacher (Spezialisten/Skontroführer), soweit sie ihre vertraglichen Pflichten als Marktmacher erfüllen, von bestimmten HFH-spezifischen Regulierungen (z. B. Begrenzung des Order-Transaktions-Verhältnisses) ausgenommen werden, um ihre erwünschte und notwendige Tätigkeit als Liquiditätssteller nicht zu beeinträchtigen.

Der Gesetzentwurf greift zwar der gegenwärtig in Überarbeitung befindlichen europäischen Finanzmarktrichtlinie MiFID vor, die u. a. den algorithmischen Handel sowie den HFH adressiert, stimmt jedoch in seinen Kernelementen mit dem voraussichtlichen Inhalt der europäischen Regulierung des HFH überein. Insgesamt halten wir den Diskussionsentwurf für weitgehend gelungen, sehen an einigen Stellen jedoch Änderungs-, Klärungs- und Ergänzungsbedarf.

2. Anmerkungen zu einzelnen Bestimmungen
2.1. Änderung des Börsengesetzes

§ 17 Abs. 4: Gesetzlich vorgeschriebene separate Entgelte für die übermäßige Nutzung der Börsensysteme halten wir für zu weitreichend. Ausreichend sind u. E. die bestehenden rechtlichen Verpflichtungen der Börsenträger, die technische Funktionsfähigkeit der Börsen- und Abwicklungssysteme sicherzustellen.

§ 24 Abs. 2a: Da der HFH zu einer erhöhten Volatilität beitragen und dadurch Marktverwerfungen verstärken kann, begrüßen wir die Verpflichtung von Börsen, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um auch bei erheblichen Preisschwankungen eine ordnungsgemäße Ermittlung des Börsenpreises sicherzustellen. Gem. § 24 Abs. 2a BörsG-E sind eine kurzfristige Änderung des Marktmodells sowie kurzzeitige Volatilitätsunterbrechungen geeignete Maßnahmen. Wir empfehlen, Handelsunterbrechungen nur als ultima ratio anzuwenden, da die Einstellung des Handels Risiken für die Marktteilnehmer beinhalten kann, z. B. weil offene Positionen nicht geschlossen werden können. Eine vorübergehende Umstellung des Marktmodells auf einen Auktionsmechanismus wäre mit weniger Risiken verbunden, könnte den Handel verlangsamen und so Marktverwerfungen entgegenwirken.

§ 26a: Die Einführung eines angemessenen Verhältnisses von Auftragseingaben, -änderungen und -löschungen zu tatsächlich ausgeführten Geschäften (Order-Transaktions-Verhältnis) ist zu begrüßen. Dies ist ein möglicher Ansatz zur Reduzierung unerwünschter (manipulativer) Handelsstrategien, die durch ein hohes Ordervolumen gekennzeichnet sein können.
§ 26a BörsG-E sollte allerdings nicht nur Handelsteilnehmer i. S. d. BörsG erfassen, sondern insbesondere auch künftig unmittelbar durch die BaFin zuzulassende Hochfrequenzhändler. Bei der Ausgestaltung des Order-Transaktions-Verhältnisses sind negative Begleiteffekte zu berücksichtigen, wie z. B. ein Rückgang der Liquidität im Markt. Außerdem ist zu bedenken, dass die Order-Transaktions-Verhältnisse künstlich optimiert werden könnten, z. B. indem Händler gezielt aggressive Ein-Stück-Trades ausführen, um die Anzahl der abgeschlossenen Transaktionen künstlich zu erhöhen. Als Ergänzung zu diesem Konzept sollte daher neben der Anzahl auch das Volumen der Orders bzw. Transaktionen bei der Berechnung des zulässigen Verhältnisses berücksichtigt werden.

2.2. Änderung des Kreditwesengesetzes

Die vorgesehene Einstufung des HFH als Finanzdienstleistung würde Hochfrequenzhändler der Solvenzaufsicht als „Eigenhändler“ gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4d KWG-E unterstellen. Dies halten wir aus gesetzessystematischen Gründen für nicht passend, da ein Hochfrequenzhändler für sich alleine oder sein Unternehmen handelt und gerade nicht „für andere“. Motivation für seine Aktivitäten ist die eigene/persönliche Gewinnmaximierung. Auftraggeber oder Dritte, die wie bei anderen erlaubnispflichtigen wertpapierbezogenen Finanzdienstleistungen eines Schutzes oder einer Absicherung (z. B. durch Mitgliedschaft in der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen) bedürfen, existieren nicht. Dem Hochfrequenzhändler mangelt es deshalb für eine Einstufung als Finanzdienstleistungsinstitut in aller Regel an dem wesentlichen Merkmal „für andere“. Der Einschub „auch ohne Dienstleistung für andere“ in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4d KWG stellt somit einen Bruch mit der Systematik des § 1 Abs. 1a KWG dar.
Die Zielsetzung des Hochfrequenzhandelsgesetzes liegt hingegen im Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes, so dass das WpHG als der geeignete Regelungsort für eine Erlaubnispflicht für Hochfrequenzhändler erscheint.

2.3. Änderung des Wertpapierhandelsgesetzes

Wir begrüßen die Erweiterung der Definition von Wertpapierdienstleistungen um den HFH sowie den Vorschlag, Hochfrequenzhändler unter die unmittelbare Aufsicht der BaFin zu stellen.
Aus gesetzessystematischen Gründen sollte die Einführung einer Erlaubnispflicht in Anlehnung an das seinerzeitige Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung1 in einem eigenen Abschnitt in das WpHG neu eingefügt werden. Denn der Katalog der Wertpapierdienstleistungsunternehmen knüpft bislang an die Institutseigenschaft an, die - wie wir oben ausgeführt haben - dem HFH nicht aufgrund des KWG zugeschrieben werden sollte. Dieser Ansatz hätte zudem den Vorteil, dass die WpHG-Aufsicht über Hochfrequenzhändler unabhängig von KWG-spezifischen solvenzaufsichtlichen Anforderungen ausgestaltet werden könnte.

Wir befürworten die analoge Anwendung der Vorschriften für Börsen auf multilaterale Handelssysteme, da auch auf diesen alternativen Handelsplätzen HFH stattfindet. Um faire Wettbewerbsbedingungen zu erreichen und weitere Handelsplatzkategorien entsprechend zu regulieren, sollten die Vorschriften später auch auf die zukünftige Handelsplatzkategorie „Organised Trading Facility“ (OTF) ausgeweitet werden.

Zu den geplanten Vorschriften der §§ 31f Abs. 7 bis 9 WpHG-E verweisen wir auf unsere zu den entsprechenden Regelungen für Börsen geäußerten Anmerkungen. In § 31f Abs. 9 WpHG-E muss das Wort „Börsenhandel“ durch „Handel im multilateralen Handelssystem“ ersetzt werden.

2.4. Änderung der Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung

Wir begrüßen, dass Marktpraktiken, die irreführende Signale aussenden, künftig umfassender als Marktmanipulation eingestuft werden. Dies dürfte Anreize bieten, dass künftig weniger Kauf- und Verkaufsaufträge von Hochfrequenzhändlern eingestellt werden, denen keine unmittelbare Kauf- bzw. Verkaufsabsicht zugrunde liegt.