Bundesbank: Maastricht-Kriterien bald wieder erfüllt

Im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise erreichten Schuldenstand und Schuldenquote in Deutschland ihre bisherigen Höchststände. Angesichts der sehr günstigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Haushaltslage rechnen die Bundesbank-Ökonominnen und Ökonomen damit, dass Deutschland die Maastricht-Schuldenstandsgrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) spätestens 2019 wieder erfüllen wird (zu den Maastricht-Kriterien siehe Kasten). Um die seit der Finanzkrise gewachsenen europäischen Ansprüche an Umfang und Qualität der Daten besser erfüllen zu können, sprechen sich die Bundesbank-Fachleute in ihrem aktuellen Monatsbericht für ein gesamtstaatlich stärker harmonisiertes und integriertes Rechnungswesen aus.

Starker Schuldenanstieg durch deutsche Wiedervereinigung

[EMBEDDED] Zum Maastricht-Schuldenstand liegen für Deutschland Ergebnisse ab dem Jahr 1991 vor (siehe Grafik). Damals betrug die gesamtdeutsche Maastricht-Verschuldung nach Angaben der Bundesbank 618 Milliarden Euro, die Schuldenquote 39 Prozent. Insbesondere die finanziellen Lasten im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung trieben die Verschuldung bis 1999 auf 1.239 Milliarden Euro und die Schuldenquote auf 60 Prozent.

Nicht zuletzt durch umfangreiche Erlöse aus UMTS-Versteigerungen ging laut den Autorinnen und Autoren die Schuldenquote bis 2001 auf 58 Prozent zurück. Danach beschleunigten bis Mitte der 2000er Jahre durchweg hohe Defizite den Schuldenzuwachs und führten ab dem Jahr 2003 zu einer deutlichen Überschreitung der 60 Prozent-Grenze. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts verlangsamten sich die absoluten Schuldenzuwächse zunächst bei einer deutlich verbesserten gesamtwirtschaftlichen Lage und rückläufigen Defiziten.

2010: Mit 81 Prozent bislang höchste Schuldenquote

Die Folgen der Finanz- und Staatschuldenkrise und die dabei ergriffenen staatlichen Stützungsmaßnahmen für den Finanzmarkt sowie die Hilfskredite an Euro-Staaten prägten laut aktuellem Bericht ab dem Jahr 2008 die Schuldenentwicklung. Der umfangreichste Schuldenanstieg war nach Angaben der Ökonominnen und Ökonomen der Übernahme von Risikoaktiva der Hypo Real Estate durch die staatliche Bad Bank FMS Wertmanagement geschuldet. Sie trug 189 Milliarden Euro zum Maastricht-Schuldenstand des Jahres 2010 bei, dies entsprach 7 ½ Prozent des BIP. In diesem Zuge erreichte die Schuldenquote mit 81 Prozent ihren bis heute höchsten Stand. Der Schuldenstand lag bei 2.088 Milliarden Euro. Davon entfielen nach Angaben der Bundesbank 306 Milliarden Euro (12 Prozent des BIP) auf die Stützung von Finanzinstituten.

In den Folgejahren setzten dann die Veräußerung der im Zuge der Krise erworbenen Finanzaktiva und die Rückzahlung von gewährten Eigenkapitalhilfen ein. Zwar habe dies laut den Autorinnen und Autoren für sich betrachtet zu einem Schuldenabbau geführt. Gleichzeitig gewährte Deutschland jedoch im Zuge der Staatsschuldenkrise Hilfskredite an einige Euro-Länder. Insgesamt seien die Schulden dadurch per saldo weiter angestiegen, heißt es im Bericht: "Im Jahr 2012 verzeichnete der absolute Schuldenstand mit 2.202 Milliarden Euro seinen bisherigen Höchststand." Die Schuldenquote lag bei 80 Prozent. "Zugleich erreichten auch die hierin enthaltenen Belastungen aus der Finanz- und Staatsschuldenkrise mit insgesamt 360 Milliarden Euro ihren Maximalwert." Davon habe sich allerdings nur ein geringer Teil in den Defiziten niedergeschlagen. In ihrem Bericht legen die Fachleute ausführlich dar, woraus die Unterschiede zwischen Defizit und der Änderung des Schuldenstands resultieren.

Referenzwert von 60 Prozent bald wieder erreicht

Ab 2013 ging der Schuldenstand in der Grundtendenz auch absolut zurück. Hierzu trug die sehr günstige Haushaltsentwicklung mit Überschüssen bei. Dank des starken BIP-Wachstums war die Schuldenquote sogar noch deutlicher rückläufig. Zum Ende des Jahres 2017 belief sich der Schuldenstand laut Bundesbank auf 2.093 Milliarden Euro, dies entsprach einer Quote von 64,1 Prozent des BIP. Darin schlugen die Effekte aus der Finanz- und Staatsschuldenkrise noch mit 282 Milliarden Euro beziehungsweise 8 ½ Prozent des BIP zu Buche.

Die Fachleute erwarten, dass die Maastricht-Schuldenquote in den nächsten Jahren angesichts der günstigen Aussichten und der strengen nationalen Schuldenbremse weiter deutlich abnehmen wird. Spätestens 2019 werde sie unter den Referenzwert von 60 Prozent fallen, wobei auch die Bad Banks weiterhin Fortschritte bei ihrem Portfolioabbau verzeichnen dürften.

Gestiegene Ansprüche erfordern bessere Datengrundlage

Ungeachtet der günstigen Schuldenentwicklung sehen sich die Statistikerinnen und Statistiker seit einiger Zeit vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Insbesondere nachdem es in Griechenland zu folgenreichen statistischen Fehlmeldungen gekommen war, seien die statistischen Meldepflichten, die Anforderungen an das zugrunde liegende staatliche Rechnungswesen und die Überwachung durch die EU-Statistikbehörde Eurostat deutlich ausgeweitet worden, schreiben die Autorinnen und Autoren.

Insgesamt sei die dem Maastricht-Schuldenstand zugrunde liegende Haushalts- und Finanzstatistik in Deutschland zwar gut etabliert und bilde die in der öffentlichen Verwaltung traditionell vorherrschende kamerale Systematik weitgehend verlässlich ab. Die auf europäischer Ebene geforderten Daten könnten allerdings nicht immer ohne weiteres aus den vorhandenen Systemen entnommen werden. Zudem müssen laut Bundesbank die geforderten Angaben aus sehr unterschiedlichen Rechnungssystemen zusammentragen werden, wobei mitunter Wahlrechte zwischen kaufmännisch orientierten und kameralen Buchführungssystem bestehen. Teilweise greifen die Statistikerinnen und Statistiker zusätzlich auf indirekte Datenquellen zurück, die primär anderen Zielsetzungen dienten und potenziell nicht konsistent mit den Hauptrechenwerken seien. Insgesamt gesehen seien die eingegangenen europäischen Verpflichtungen in Deutschland nicht ausreichend von Anpassungen in den staatlichen Rechnungswesen begleitet worden, stellen die Expertinnen und Experten fest. Aus ihrer Sicht wäre es naheliegend, "ein gesamtstaatlich stärker harmonisiertes Rechnungswesen, das Einnahmen- und Ausgabenströme mit Bilanzbeständen in integrierter Weise abbildet" anzustreben. Zumindest müssten aber die bestehenden Rechnungslegungssysteme so angepasst werden, dass der europäische und internationale Datenbedarf erfüllt werden könne.