Begrüßungsworte Symposium "The Future of Digitalisation and Finance" anlässlich der Verabschiedung von Prof. Dr. Claudia Buch und Prof. Dr. Joachim Wuermeling aus dem Vorstand der Deutschen Bundesbank

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Begrüßung

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 

liebe Claudia, lieber Joachim,

mit Freude begrüße ich Sie alle zu diesem Symposium. Es ist ein Farewell-Symposium. Als Deutsche Bundesbank wollen wir uns bei Euch verabschieden, liebe Claudia und lieber Joachim. Und wir möchten Euch herzlich für Eure Leistungen für die Bundesbank danken, nun auch öffentlich. Denn persönlich haben wir dies bereits getan, als Ihr Ende letzten Jahres aus der Bundesbank ausgeschieden seid.

Für die Verabschiedung habt Ihr Euch eine inhaltliche Veranstaltung gewünscht, ein Symposium zur Zukunft der Digitalisierung und der Finanzwirtschaft, ein Themenfeld, das für Euch beide in den vergangenen Jahren von großer Bedeutung war. 

2 Digitalisierung

Dass wir in Deutschland einen Schub bei der Digitalisierung benötigen, wird zunehmend breiter erkannt. Die Wachstumsschwäche in Deutschland wirft die Frage auf, wie die Produktivität gesteigert werden kann. Eine Antwort sollte die Digitalisierung sein. Mehr digitale Kompetenzen und mehr Investitionen in die Digitalisierung könnten dazu beitragen, die Produktivität hierzulande deutlich zu steigern.

Das zeigt ein Blick auf die Vergangenheit. Die Digitalsektoren haben das gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum in Deutschland erheblich vorangetrieben – und das trotz ihrer vergleichsweise geringen Größe.[1] In einem Monatsberichtsaufsatz vom vergangenen Jahr zeigt die Bundesbank, dass dieser Produktivitätsschub nicht nur durch digitale Investitionsgüter verursacht wurde. Auch digitale Vorleistungen, die über Produktionsverflechtungen in zahlreiche Güter eingehen, spielten hier eine zentrale Rolle.[2] Wenn es um das digitale Potenzial geht, sollte also die gesamte Wertschöpfungskette angeschaut werden.

Der Produktivitätsschub der Digitalsektoren hat jedoch in vielen Industrieländern nachgelassen. Auch in Deutschland war er zu Beginn des Jahrhunderts merklich höher. Hinweise auf Handlungsbedarf ergeben sich auch aus den Auswertungen der Europäischen Kommission. So liegt in Deutschland der Bevölkerungsanteil mit grundlegenden digitalen Kompetenzen deutlich unter dem EU-Schnitt.[3] Zudem ist Deutschland im europäischen Vergleich besonders weit vom EU-Ziel einer flächendeckenden Glasfaserversorgung entfernt.[4] Insofern kann es nicht überraschen, dass derzeit 95 Prozent der befragten Führungsspitzen aus Politik und Wirtschaft der Meinung sind, dass Deutschland bei der Digitalisierung hinterherhinke.[5] Hier könnte die deutsche Skepsis gegenüber der Digitalisierung eine Rolle spielen. Ein Jahr zuvor dachte bei der gleichen Befragung nur eine Minderheit der Befragten beim Begriff Digitalisierung an „künftigen Wohlstand“ – nur 29 Prozent.[6]

Ich frage mich, ob wir uns das Leben schwermachen, wenn wir das Glas halb leer und nicht halb voll sehen. Ich persönlich sehe das Glas lieber halb voll. Mein Rat lautet, das Potenzial der Digitalisierung zu erkennen – als Chance für mehr Produktivität und Wohlstand. Denn Künstliche Intelligenz, Cloud Computing und Robotik versprechen neue Impulse für die Produktivität.[7] Wenn unser Bildungssystem einen Fokus auf das Erlernen digitaler Kompetenzen setzt, ist das ein wichtiger Schritt, um die Früchte der Digitalisierung zu ernten. Das betrifft auch die Weiterbildung von Beschäftigten im Rahmen eines lebenslangen Lernens. Dies verbessert die Chancen für das Produktivitätswachstum – und auch die Chancen jeder einzelnen Person am Arbeitsmarkt. Und schließlich sind auch spezifische Führungsqualitäten notwendig, um Produktivitätsgewinne aus der Digitalisierung zu erzielen. Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Management von US-amerikanischen Unternehmen hier besser ist als das von europäischen Unternehmen.[8]

Lassen Sie mich abschließend ergänzen, dass auch die Zentralbanken Digitalisierung auf ihrem Gebiet vorantreiben. Für das Eurosystem ist der digitale Euro das herausragende Beispiel. Er kann dazu beitragen, die Tür zu weiteren Produktivitätsgewinnen in der Finanzwirtschaft zu öffnen. Ich bin gespannt auf die Diskussion hierzu im zweiten Panel.

3 Claudia Buch

Das erste Panel ist der digitalen Finanzwirtschaft im weiteren Sinn gewidmet. Im Kern geht es um das Zusammenspiel von Risiko und Resilienz und wie sich die Digitalisierung auf diesen Trade-off auswirkt. Claudia Buch wird gleich in dieses Panel einführen. Aber zuvor möchte ich einen kurzen Überblick über ihr Wirken für die Bundesbank geben – auch wenn sie es nicht allzu sehr schätzen sollte, Gegenstand einer Laudatio zu sein.

Claudia Buch kam 2014 als Vizepräsidentin zur Bundesbank. Da lag bereits eine beeindruckende wissenschaftliche Karriere hinter ihr. Sie war eine anerkannte Professorin für Volkswirtschaftslehre in Tübingen, später Präsidentin des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle und Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Ein Thema zog sich wie ein roter Faden durch ihre Arbeit: die Wertschätzung evidenzbasierter Politik. Entsprechend setzte Claudia Buch ihre Prioritäten, als sie im Bundesbank-Vorstand für die Finanzstabilität verantwortlich war. Sie wirkte darauf hin, Bedingungen für eine bessere Politikevaluation zu schaffen.[9] Zudem setzte sie sich für europäische Zusammenarbeit und für die Einführung von Best-Practice-Ansätzen ein.[10]

Evidenzbasierte Politikgestaltung geht nicht ohne qualitativ hochwertige Daten. Indem Daten ausgewertet und analysiert werden, können Entscheidungen objektiver werden – und damit besser. Dies ist ein Aspekt in Claudia Buchs Forderung, big data für die makroprudenzielle Politik zu nutzen.[11] Auch in ihrer Zeit in der Bundesbank war dies Claudia Buchs erklärtes Ziel: eine solide Grundlage zu schaffen, um datengetriebene Arbeit optimal zu gestalten. Dazu gehörte, granulare Daten für Forschungszwecke bereitzustellen. Ein wichtiger Meilenstein hierfür war die Errichtung des Forschungsdaten- und Servicezentrums der Bundesbank. Seit seiner Gründung bietet es qualitativ hochwertige Dienstleistungen und ermöglicht den Zugang zu den Mikrodaten der Bundesbank. Darüber hinaus berät es interne und externe Nutzerinnen und Nutzer zu Datenauswahl, Dateninhalten und Analyseoptionen. Und es gewährleistet, dass die Anforderungen an Vertraulichkeit und Datenschutz eingehalten werden. Dazu gehörte aber auch, den Zentralbereich Statistik in seiner Struktur erfolgreich neu aufzustellen. Er orientiert sich nun an den zentralen Prozessen für eine effiziente Produktion, Analyse und Bereitstellung von Daten.

Ein weiterer Schwerpunkt von Claudia Buchs Arbeit waren Innovationen im Finanzsektor und deren mögliche Auswirkungen. Dabei ging es für sie schon früh um Fragen wie: Was bedeuten neue FinTech-Unternehmen für den Wettbewerb im Finanzsektor? Wie wirkt sich dies auf die Finanzstabilität aus? Und entstehen dadurch neue Aufgaben für die Regulierung? Ich bin gespannt auf die Diskussion hierzu im anschließenden Panel. 

Dir aber, Claudia, danke ich nun herzlich für Deine zahlreichen, großartigen und wichtigen Beiträge, die Du als Vizepräsidentin der Bundesbank geleistet hast, auch im Namen des gesamten Vorstands. Du hast dazu beigetragen, das Finanzsystem stabiler und die Bundesbank zukunftsfähiger zu machen. Für die vor Dir liegende, wahrhaftig europäische Arbeit wünsche ich Dir alles Gute.

4 Joachim Wuermeling

Lieber Joachim Wuermeling, für einen großen Teil Deines Lebens war "Europa" der rote Faden. Du hast Dich schon immer für die europäische Idee eingesetzt: für ein geeintes und demokratisches Europa, das Frieden und Wohlstand fördert. Dies gilt für Deine akademische Laufbahn in Deutschland, Frankreich und Italien. Und es gilt auch für Dein Berufsleben. Du hattest verschiedene politische Ämter inne, in denen Du Dich für ein prosperierendes Europa eingesetzt hast, nicht zuletzt während der sechs Jahre, als Du Mitglied des Europäischen Parlaments warst.

Mit diesem Erfahrungshintergrund bist Du Ende 2016 in den Vorstand der Bundesbank eingetreten. Von Deinen Zuständigkeiten möchte ich die großen Zentralbereiche IT und Bankenaufsicht nennen. Hier warst Du der richtige Mann zur richtigen Zeit – aus zwei Gründen. Zum einen kanntest Du bei Deinem Eintritt in die Bundesbank den Finanzsektor bereits von innen – aufgrund Deiner Führungspositionen beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft und beim Verband der Sparda-Banken. Und zweitens hast Du ein Faible für Innovationen. Manche Menschen haben eher Angst vor Innovationen und Veränderungen. Joachim Wuermeling scheinen sie besonders zu gefallen.

Während der Coronavirus-Pandemie hat er insofern den Winston Churchill zugeschriebenen Rat in die Praxis umgesetzt: Never let a good crisis go to waste.“ Womit ich wohlgemerkt keinesfalls sagen will, dass die Pandemie irgendwie "gut" war. Aufsicht remote zu gestalten, Banken vom Schreibtisch der Aufseher aus zu überwachen, das hat überraschend gut funktioniert. Und Joachim Wuermeling wollte diesen von der Pandemie erzwungenen Digitalisierungsschub nachhaltig verankern. Folglich trieb er eine digitale Agenda für die Bankenaufsicht in Deutschland voran.[12] Eine digitale Agenda, die deutlich verbessern würde …

  • erstens, wie Banken Daten an Aufsichtsbehörden liefern,
  • zweitens, wie andere Informationen als die klassischen Meldedaten von der Aufsicht genutzt werden könnten,
  • und drittens, wie diese Daten verknüpft und analysiert werden sollten.

Joachim Wuermeling wollte mit der digitalen Agenda darüber hinaus die analytischen Fähigkeiten der Aufseher und den gesamten Aufsichtsprozess verbessern. Die digitale Agenda für die Bankenaufsicht wurde gemeinsam von der BaFin und der Bundesbank realisiert – nicht zuletzt dank Joachim Wuermelings Engagements für Zusammenarbeit und für die Digitalisierung.

Eine digitale Agenda wurde aber auch für die Bundesbank gebraucht. Joachim Wuermeling war auch hier ein starker Antreiber. Gemeinsam mit Jens Weidmann leitete er den ersten Ausschuss innerhalb der Bundesbank, der die digitale Transformation der gesamten Organisation gestalten und beschleunigen sollte. Und Joachim Wuermeling zeigte sich auch hier als zuverlässiger Motor. Das InnoWerk entstand: Unser interner Dienstleister, der die Beschäftigten hin zu weiteren Innovationen mit geeigneten Methoden unterstützt. Joachim Wuermeling initiierte zudem verschiedene Maßnahmen, um die Beschäftigten auch kulturell auf den Weg des Wandels mitzunehmen. Er trieb verschiedene Partnerschaften mit innovativen Finanzökosystemen voran. Und im vergangenen Jahr waren wir beide an der Eröffnung des Eurosystem Innovation Hub der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Frankfurt und Paris beteiligt.

Zugleich hat Joachim Wuermeling schon früh in Reden Chancen und Risiken von Blockchain und digitalen Währungen thematisiert.[13] Dieses Feld ist nun auch sein Fokus am ESMT in Berlin. Lieber Joachim, im Namen des Vorstands wünsche ich Dir gutes Gelingen bei Deinen neuen Aufgaben. Ich bin gespannt auf Deine Beiträge in diesem wichtigen Bereich. Und für Deine ausgezeichnete Arbeit als Vorstandsmitglied der Bundesbank danke ich Dir – auch im Namen des gesamten Vorstands – sehr herzlich. 

Fussnoten:

  1. Deutsche Bundesbank (2023), Zur Bedeutung der Digitalisierung für die Entwicklung der Arbeitsproduktivität, Monatsbericht, März 2023.
  2. Deutsche Bundesbank (2023), Zur Bedeutung der Digitalisierung für die Entwicklung der Arbeitsproduktivität, Monatsbericht, März 2023, S. 57ff.
  3. European Commission (2023), 2023 Report on the state of the Digital Decade sowie European Commission (2023), 2030 Digital Decade – Annex Germany.
  4. European Commission (2023), 2023 Report on the state of the Digital Decade sowie European Commission (2023), 2030 Digital Decade – Annex Germany.
  5. European Center for Digital Competitiveness (2024), Digitalreport 2024, S. 12.
  6. European Center for Digital Competitiveness (2023), Digitalreport 2023, S. 28.
  7. Sachverständigenrat (2024), Wachstumsschwäche überwinden, in die Zukunft investieren, S. 128.
  8. Bloom, N., R. Sadun, J. Van Reenen (2012), Americans Do IT Better: US Multinationals and the Productivity Miracle, American Economic Review, Vol. 102(1), S. 167 – 201, S. 169.
  9. Vgl.  Buch, C. (2015), Evaluation und Makroprudenzielle Politik, Rede bei der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik, Münster, 07.09.2015.
  10. See Buch, C., “European Banks in Challenging Times”, Dinner Speech beim Workshop "New Challenges for the Euro", Villa Vigoni, 21.07.2017.
  11. Vgl. Buch, C., “Evidenzbasierte Wirtschaftspolitik, Keynote-Speech anlässlich der 8. Konferenz für Sozial und Wirtschaftsdaten, Berlin, 02.03 2020.
  12. Wuermeling, J., R. Röseler (2020), Ein Update für die Bankenaufsicht: Die digitale Agenda von Bafin und Bundesbank, in: Handelsblatt, 26.12.2020.
  13. Vgl. Auswirkungen virtueller Währungen auf die Finanzmärkte, Rede in Frankfurt am Main am 15.01.2018; Digitalisierung: Für eine Balance von Innovation und Solidität, Rede in Mainz am 24.09.2018.