Abwicklung Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG)

Abwicklungsvoraussetzungen

Damit die Abwicklungsbehörde Abwicklungsmaßnahmen ergreifen kann, müssen die folgenden Abwicklungsvoraussetzungen erfüllt sein:

  • die zuständige Behörde hat festgestellt, dass die Bank ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt (Bestandsgefährdung, sog. failing or likely to fail, FOLTF);
  • die Bestandsgefährdung darf sich nicht ebenso sicher durch andere Maßnahmen als durch die Abwicklung beseitigen lassen, wobei als alternative Maßnahmen in diesem Sinne sowohl solche des privaten Sektors als auch solche der Aufsichtsbehörde (wie zum Beispiel Frühinterventionsmaßnahmen) in Betracht kommen;
  • die Durchführung der Abwicklung muss zur Erreichung eines oder mehrerer Abwicklungsziele erforderlich und verhältnismäßig sein und dieser Zweck darf nicht im selben Umfang durch die Durchführung eines regulären Insolvenzverfahrens erreicht werden können (sog. öffentliches Interesse).

Eine Bestandsgefährdung ist zumindest dann anzunehmen, wenn eine Bank in einem Umfang gegen aufsichtsrechtliche Anforderungen verstößt, welcher die Aufhebung der Erlaubnis des Instituts rechtfertigen würde. Aber auch bei einer bestehenden oder drohenden Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit einer Bank kann eine Bestandsgefährdung angenommen werden, grundsätzlich ebenfalls, wenn eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln benötigt wird.  

Abwicklungsinstrumente

Bei Vorliegen der oben genannten Abwicklungsvoraussetzungen stehen der Abwicklungsbehörde vier verschiedene Abwicklungsinstrumente zur Verfügung:

  • die Unternehmensveräußerung,
  • die Übertragung auf ein Brückeninstitut,
  • die Ausgliederung von Vermögenswerten und
  • die Beteiligung der Anteilsinhaber und Gläubiger (sog. Bail-in).

Das letztgenannte Abwicklungsinstrument gibt der Abwicklungsbehörde die Befugnis, Verbindlichkeiten der Bank ganz oder teilweise herabzuschreiben oder in hartes Kernkapital des Instituts umzuwandeln. Hiervon sind allerdings einige Verbindlichkeiten ausgenommen, insbesondere gedeckte Einlagen bis 100.000 Euro und besicherte Verbindlichkeiten.

Durch das Instrument des Bail-in soll sichergestellt werden, dass bei Scheitern einer Bank in der Regel zunächst deren Anteilsinhaber und Gläubiger die Risiken und damit Verluste tragen müssen, und erst danach ein von der gesamten Bankenindustrie finanzierter Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) herangezogen werden darf.

Anforderungen an Kapital und Verbindlichkeiten für den Abwicklungsfall (TLAC, MREL)

Um sicherzustellen, dass eine Bank über ausreichend Kapital und Verbindlichkeiten verfügt um ein wirksames und glaubhaftes Bail-in durchführen zu können, wurden auf globaler und europäischer Ebene diesbezügliche Mindestanforderungen entwickelt. Diese umfassen neben den regulatorischen Eigenmitteln auch bestimmte Verbindlichkeiten („eligible liabilities“).

  • TLAC: Auf globaler Ebene einigten sich die G20 im November 2015 auf den Total Loss-Absorbing Capacity (TLAC) Standard, der ein Mindestvolumen an bestimmtem TLAC- fähigen Instrumenten festlegt. Der vom Financial Stability Board (FSB) veröffentlichte Standard gilt nur für global systemrelevante Banken (G-SRI), also weltweit etwa 30 Institute. Der Die TLAC-Anforderung wurde durch das “EU-Bankenpaket“ in EU Recht umgesetzt und muss von den Banken seit 2019 bzw. vollständig ab 2022 erfüllt werden.
  • MREL: Das in der EU parallel zur Entwicklung des TLAC Standards eingeführte Konzept der Minimum Requirements for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) verfolgt das gleiche Ziel. Durch die MREL-Anforderung soll sichergestellt werden, dass Banken über ein Mindestmaß an bestimmtem MREL-fähigen Instrumenten verfügen, welche in einem Abwicklungsfall ein möglichst wirksames und glaubhaftes Bail-in gewährleisten. Die MREL-Anforderung ist von der zuständigen Abwicklungsbehörde individuell für jede einzelne Bank festzulegen, hängt von der Abwicklungsstrategie ab, und soll der Heterogenität der europäischen Bankenlandschaft Rechnung tragen.

Mit dem im Juni 2019 in Kraft getretenen „EU-Bankenpaket“ wurden nicht nur die TLAC-Vorgaben als gesetzlich definierte Mindesthöhe der MREL-Anforderung in EU Rechtintegriert, sondern auch die bestehenden MREL-Regelungen fortentwickelt.

Demzufolge gibt es für G-SRI sowie bestimmte andere große Banken (sog. Top Tier Banken) nun eine „MREL-Anforderung in Höhe einer gesetzlich definierten Mindesthöhe“, die von der Abwicklungsbehörde bei der individuellen MREL-Festsetzung für die jeweiligen Institute nicht unterschritten werden darf. Auch an die Qualität der MREL-Instrumente werden künftig Anforderungen gestellt. G-SRI und Top Tier Banken müssen ihre MREL-Anforderung in gesetzlich definierter Mindesthöhe grundsätzlich mit nachrangigen (subordinated) MREL-Instrumenten erfüllen. Bei allen anderen Banken entscheidet die Abwicklungsbehörde, ob und in welchem Umfang (bis zu einer gewissen Obergrenze) die MREL-Anforderung mit nachrangigen Instrumenten erfüllt werden muss. Gleiches gilt bei G-SRI und Top Tier Banken für den über die gesetzlich definierte Mindesthöhe hinausgehenden, institutsspezifischen Teil der MREL-Anforderung.

Für die Mehrheit der kleinen Banken, von denen es insbesondere in Deutschland sehr viele gibt, ist davon auszugehen, dass sie über ein reguläres Insolvenzverfahren liquidiert werden können, da sie mit Blick auf den Finanzmarkt keine kritischen Funktionen aufweisen, die es im Falle einer Abwicklung aufrechtzuerhalten gilt. In diesen Fällen kann die Abwicklungsbehörde die MREL-Anforderung, die sich aus einem Verlustabsorptionsbetrag (entspricht den Mindesteigenkapitalanforderungen) und einem Rekapitalisierungsbetrag zusammensetzt, in der Höhe auf den Verlustabsorptionsbetrag beschränken. Diese Banken müssen dann keine über ihre Mindesteigenkapitalanforderungen hinausgehenden Eigenmittel oder MREL-Verbindlichkeiten vorhalten, um ihre MREL-Anforderung zu erfüllen.