100 Jahre deutsche Zahlungsbilanz Ein Rückblick von 1924 bis 2024

Wir nehmen das Jubiläum zum Anlass, im Jahr 2024 öfter einen Blick zurückzuwerfen. An dieser Stelle möchten wir Sie auf eine kleine Reise mitnehmen und Ihnen zeigen, wo die Zahlungsbilanzen von 1924 und 2024 noch sehr ähnlich sind und wo sie sich (deutlich) unterscheiden.

Darüber hinaus wird es einen Monatsberichtsaufsatz geben, der die letzten 100 Jahre der Zahlungsbilanz beleuchtet.

Weiterentwicklung der Konzepte

Die Konzepte der Zahlungsbilanz wurden laufend weiterentwickelt und verfeinert. Dafür wurde 1938 bei dem Völkerbund ein Subkomitee eingerichtet, das aber durch den Ausbruch des 2. Weltkriegs seine Arbeit nicht aufnahm. Es wurde 1945 erneut einberufen und die Mitglieder verschickten bereits im Dezember 1945 einen relativ kurzen Bericht. Obwohl der Bericht kurz ist sollte er die Entwicklung der Zahlungsbilanz für die nächsten 30 Jahre bestimmen. Die Empfehlung den Begriff der Zahlungsbilanz in „International Transaction Account“ umzubenennen wurde (leider?) nicht umgesetzt.

League of Nations - Concepts of the balance of payments

Die ersten internationalen Vorgaben zur Zahlungsbilanz

Der Völkerbund verschickte regelmäßig leere Tabellenrahmen und Erläuterungen an die Länder, um die Ergebnisse der nationalen Zahlungsbilanzen zusammenzutragen. Die Erläuterungen umfassten etwa 12 Seiten und sollen sicherstellen, dass die Ergebnisse der einzelnen Länder möglichst vergleichbar sind. Man kann sie somit als die ersten internationalen Vorgaben zur Zahlungsbilanz betrachten. Vieles erinnert dabei schon sehr an die heutigen konzeptionellen Vorgaben des Internationalen Währungsfonds:

  • Es ist bereits festgelegt, dass Importe mit dem Wert an der Grenze des exportierenden Landes (sogenannte c.i.f.-Bewertung) erfasst werden sollen. Auch die Auswirkungen auf das Transportkonto werden bereits erläutert. Die c.i.f.-Bewertung der Importe wird in der neuen Auflage des Zahlungsbilanzhandbuchs kritisch hinterfragt werden, aber bis auf Weiteres unverändert bleiben.
  • Außerdem werden im Warenhandel schon grundsätzlich notwendige Anpassungen des Außenhandels erläutert, die auch heute noch so durchgeführt werden.
  • Die aufgeführten Dienstleistungen umfassen schon sehr genau die aktuelle Dienstleistungsbilanz mit Ausnahme von IT-Dienstleistungen.
  • Sehr umfangreich wurde die Behandlung von Effekten der Migration auf die Zahlungsbilanz behandelt. Diese Effekte werden seit 2009 grundsätzlich anders behandelt (keine Transaktion).
  • In der Kapitalbilanz wurde in kurz- und langfristigen Transaktionen gedacht. Die heutigen Funktionalkategorien standen nicht im Fokus. Klargestellt wurde aber schon damals, dass bei Rückzahlungen zwischen Zinszahlungen und Tilgung zu unterscheiden ist und dass Wertschwankungen nicht Teil der Zahlungsbilanz sind.

Archiv der Vereinten Nationen in Genf

Request for a statement of the balance of payments Circular letter 220, December 1937

Der Anfang der offiziellen deutschen Zahlungsbilanz

Die deutsche Zahlungsbilanz 1930

Am 15. Juli 1926 wurde eine Arbeitsgruppe in Deutschland beauftragt, eine Zahlungsbilanz im Sinne des Völkerbundes zu stellen. 1930 veröffentlicht die Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse beginnend mit dem Berichtsjahr 1924. Es wird dabei weitgehend das Schema des Völkerbunds verwendet. An einigen Stellen werden die Untergliederungen erweitert, wo es für Deutschland Besonderheiten gibt, ohne dadurch die Vergleichbarkeit mit anderen Ländern zu gefährden. Dies ist ein Vorgehen, das auch heute noch üblich ist.

Die aktuellen Standards versuchen die Vergleichbarkeit sicherzustellen, in dem Erweiterungen der „Kernzahlungsbilanz“ bereits als mögliche zusätzliche Bestandteile enthalten sind. Bei der Behandlung von Banknoten ging Deutschland damals aber einen eigenen Weg, da die Arbeitsgruppe die Natur von Banknoten näher bei einem Kredit als beim (Währungs-)Gold sah. Eine Interpretation, die sich später auch international durchgesetzt hat. Heute werden Banknoten und kurzfristige Kredite in der Zahlungsbilanz gemeinsam ausgewiesen (Position: Währung und Einlagen). 

Die deutsche Zahlungsbilanz 1930

„Memorandum on Balance of Payments and foreign trade balances”

Bezugnehmend auf die Resolution von 1922 versendete der Völkerbund leere Tabellenrahmen einschließlich Ausfüllanweisungen an die Länder, mit der Bitte, diesen ausgefüllt zurückzuschicken. 

Wir sehen diese Ausfüllanweisungen als die erste internationale Empfehlung für die Erstellung der Zahlungsbilanz an, auch wenn anfangs wohl nur sehr wenige Länder diesen Ausfüllanweisungen folgten, sondern die Ergebnisse nach ihren nationalen Konzepten sendeten. Die Lieferungen wurden vom Völkerbund so gut es ging in die gewünschten Konzepte umgerechnet. 

1924 wurde der erste Bericht mit den Ergebnissen von 13 Ländern veröffentlicht. Deutschland ist in diesen Berichten erstmals 1926 mit Ergebnissen ab 1924 vertreten.

Archiv der Vereinten Nationen in Genf

MEMORANDUM ON BALANCES OF PAYMENTS AND FOREIGN TRADE BALANCES

Example response DE 1933

Resolution des Völkerbunds

Der Begriff „Zahlungsbilanz“ wurde bereits im 14. Jahrhundert verwendet, die erste Verwendung in der heutigen Bedeutung geht vermutlich auf Sir James Steuart im Jahre 1767 zurück.

Die ersten Versuche, Zahlungsbilanzen zu erstellen, wurden im 19. Jahrhundert in Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika unternommen.

Nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich die Wirtschaftsordnung grundlegend und es kam zu starken wirtschaftlichen Verwerfungen zwischen den Ländern. Aus diesem Grund hat der Völkerbund in seiner 3. Versammlung am 28. September 1922 unter anderem die Sammlung und Veröffentlichung von nationalen Zahlungsbilanzen in Auftrag gegeben.

„Sie hofft, dass die Untersuchungen von verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit der Stabilisierung von Währungen und besonders des Handelsbilanzsaldos und der Zahlungsbilanz verschiedener Länder, was ein grundlegendes Element des Problems darstellt, aktiv vorangetrieben wird, so dass es zur Veröffentlichung von Berichten kommt, die diese Frage beleuchten, die von dringender Wichtigkeit ist.“

Resolution der 3. Vollversammlung, 1922 
Völkerbund

Dies kann als Startschuss für die systematische internationale Entwicklung der Konzepte und Methoden der Zahlungsbilanzen angesehen werden.

Archiv der Vereinten Nationen in Genf

United Nations Archives at Geneva Resolutions of the Third Assembly, 1922

Die erste deutsche Zahlungsbilanz

100 Jahre Zahlungsbilanz

Für das Jahr 1924 wurde die erste umfangreiche Zahlungsbilanz für Deutschland aufgestellt. Die hohen Reparationszahlungen, die Deutschland nach dem Ende des Ersten Weltkriegs leisten musste, haben zu Verwerfungen im internationalen wirtschaftlichen Austausch geführt. Dies machte es notwendig, den internationalen wirtschaftlichen Austausch auch jenseits des Warenhandels zu beleuchten.