Das Geheimnis der Alchemisten Papiergeld – eine chinesische Innovation

China
Ming-Dynastie (1368–1644)
1 Kuan, nach 1375
Emittent: Kaiser T’ai Tsu
Maße: 34,2 x 22,3 cm
Papier: Maulbeerbaumrindenfasern
Druck: Buchdruck
Zahlungsversprechen: "Für den Umlauf gültiges Papiergeld der großen Ming-Dynastie befohlen, das in gleicher Weise wie das Kupfergeld für den Umlauf gültig ist."
Straftext: "Wer falsches Geld herstellt, wird mit dem Tode bestraft. Wer Fälscher anzeigt oder den Behörden überliefert, erhält 250 Taels Silber als Belohnung und außerdem das Vermögen des Verbrechers."

Als der venezianische Kaufmann Marco Polo im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts am Hofe des mongolischen Großkhans die Herstellung von Geld aus Papier beobachtete, erschien es ihm fast wie Zauberei: "In der Stadt Kambalu liegt die Münzstätte des Großkhans, von dem man wirklich sagen kann, dass er das Geheimnis der Alchimisten kennt, denn er versteht die Kunst, Geld zu machen". Geld, das in Europa wie in China traditionell aus begrenzt verfügbaren Metallen hergestellt wurde, bestand plötzlich aus einem nachwachsenden Rohstoff: Papier aus der Rinde des Maulbeerbaums. Hier der Metallwert als Wertgarantie, dort das mit Farbe gedruckte Zahlungsversprechen. Die natürliche Begrenzung der umlauffähigen Metallgeldmenge wurde durch das beliebige Bedrucken von Papier scheinbar wie von Zauberhand aufgehoben.

Marco Polo berichtet in seinem Reisebericht über das chinesische Reich, das seit 1260 unter mongolischer Herrschaft stand, besser bekannt als Yuan-Dynastie. Doch weder ist der mongolische Herrscher Kubilai Khan der Erfinder des Papiergeldes, noch ist das Papiergeld ein alchimistisches Wunder am mongolischen Hof, denn es hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine dreieinhalb Jahrhunderte alte Geschichte in den chinesischen Reichen. Seine Anfänge liegen nach gängiger Auffassung um das Jahr 1024, als die Idee des "fliegenden Geldes" - Quittungen für hinterlegtes Metallgeld - von staatlicher Seite aufgegriffen und umgewandelt wurde. Die Quittungen waren von nun an nicht mehr an eine Person gebunden und wurden zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt. Aufgrund der Vergänglichkeit des Papiers ist die Überlieferung dieser ersten Geldscheine sehr schlecht.

Die ersten sicher erhaltenen Banknoten stammen aus einem Fund während des Boxeraufstandes (1899-1901). Unter dem Sockel einer umgestürzten Buddhastatue fanden Soldaten mehrere 1-Kuan-Scheine aus der Zeit der Ming-Dynastie. Die großen, zerbrechlichen Scheine zeigen neben ornamentalen Verzierungen zahlreiche Legitimationssprüche und -stempel.

Der Legitimationssatz unseres Scheins verrät seine Herkunft: Da Ming tongxing baochao ("umlaufender Schein der Großen Ming [-Dynastie]") steht oben auf dem Schein. Es handelt sich also nicht um Scheine aus der von Marco Polo beschriebenen Yuan-Dynastie, sondern um ein Exemplar aus der nachfolgenden Dynastie.

Die Stabilität der Yuan-Dynastie wurde Mitte des 14. Jahrhunderts zunehmend durch chinesische Rebellen verschiedener Gruppierungen bedroht. Der ehemalige Mönch Zhū Yuánzhāng stürzte als Anführer einer Splittergruppe der Roten Turbane die mongolische Dynastie, festigte seine Macht und gründete 1368 die Ming-Dynastie. Als Kaiser nannte er sich T’ai Tsu, seine Regierung stand unter dem Schlagwort "Hong-Wu" - Zeit des großen Krieges. Er führte die Münzordnung unverändert fort und gab 1375 Papiergeldscheine im Stil der Yuan-Dynastie aus.

Das Papiergeld von Kubilai Khan galt als stabile Währung, aber die exzessive Papiergeldproduktion seiner Nachfolger hatte inflationäre Auswirkungen. Dem neuen Ming-Kaiser T’ai Tsu gelang es nicht, Ordnung in das Geldwesen zu bringen. Um die Annahme von Papiergeld zu erzwingen, versuchte er, die weitaus beliebteren Silber-Tael- und Kupfer-Käsch-Münzen zu verbieten - mit wenig Erfolg.

Der Wert der Scheine ist mehrfach angegeben: Die Aufschrift über dem Bildfeld bezeichnet unseren Schein als 1 Kuan. Dieser Wert ist auch bildlich dargestellt: zehn Münzschnüre, nicht mit zehn, sondern mit je neun Münzen. Es ist bekannt, dass 1375 ein Kuan-Schein 1000 Käsch-Münzen wert war, 1398 entsprach 1 Kuan aber nur noch 71 Münzen. Auch beim ersten staatlichen Papiergeld von 1024 gab es einen Wechselkurs zwischen Papier und Münze: Der Wert eines Papierkuan entsprach dem von 770 Münzen. Ob dieser Wertverlust in der Abbildung berücksichtigt wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Weitere Ming-Scheine gab es zu 100, 200, 300, 400 und 500 Käsch.