„Die Inflation ist ein gieriges Biest“ Interview mit Der Spiegel

Das Gespräch führte Tim Bartz.

Herr Nagel, sind Sie Marathonläufer?

Nein, ich spiele sehr gern Tennis. Wieso fragen Sie?

Weil Sie sagen, im Kampf gegen die Inflation könne die „letzte Meile“ die schwierigste werden – jene Schlussphase also, bis die zwei Prozent Inflationsrate erreicht sind, die die Europäische Zentralbank (EZB) anpeilt.

Ich finde, das Bild passt ganz gut. Wir sehen, dass das Ziel allmählich in Sichtweite kommt: Die Inflation sinkt. Aber wir wissen auch, dass es noch nicht erreicht ist und die Inflation schnell wieder ansteigen kann. Wie auf der letzten Meile geht es jetzt darum, die Zähne zusammenzubeißen und nicht nachzulassen.

Wirtschaft und Verbraucher lechzen nach einer Zinssenkung, der Druck auf die EZB ist groß. Der Leitzins liegt mit 4,5 Prozent inzwischen deutlich über der Inflation im Euroraum von 2,9 Prozent.

Die sinkende Teuerung zeigt: Unsere Geldpolitik wirkt. Aber die Inflation ist nicht besiegt. Dass sie jetzt so deutlich abnimmt, hat auch mit niedrigeren Energiepreisen und Basiseffekten zu tun.

Das müssen Sie erklären.

Bei der Inflationsrate betrachten wir die Teuerung gegenüber dem Vorjahresmonat. Im Oktober 2022 waren die Preise sehr hoch. Der Abstand zu diesem Niveau war daher im Oktober 2023 vergleichsweise klein. Dieser rechnerische Effekt wird bald verpuffen. Die Inflationsrate könnte daher in den nächsten Monaten wieder ein Stück steigen.

Die Bundesregierung will die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme wieder auf 19 Prozent anheben. Ein Fehler, der die Inflation treibt?

Die deutsche Inflationsrate wird dadurch nur geringfügig steigen. Und ich bin immer dafür, dass Krisenmaßnahmen beendet werden, sobald sich die Lage beruhigt.

Welche anderen Risiken gibt es für ein erneutes Ansteigen der Inflation?

Vor allem die Energiepreise, vor dem Hintergrund des Krieges in Nahost. Zudem ist der Preisdruck bei Waren und Dienstleistungen generell noch hoch. Auch die Löhne und Gewinne könnten stärker als erwartet steigen. Wir müssen die Daten abwarten, die uns zur nächsten Sitzung des EZB-Rats im Dezember vorliegen.

Dass die EZB spontan nach Datenlage entscheidet, ist schwer zu glauben. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagt bereits voraus, dass die Leitzinsen für die nächsten Quartale so hoch bleiben werden wie jetzt. Wie passt das zusammen?

Damit hält sie unrealistische Erwartungen im Zaum. Die Zinsen müssen lange genug hoch bleiben, damit die Inflationsrate wieder auf zwei Prozent sinkt. Darauf arbeiten wir im EZB-Rat hin.

... in jenem Gremium also, in dem auch Sie als Präsident der Bundesbank sitzen. Halten Sie Lagardes Vorsicht für berechtigt?

Unsere letzte Prognose zeigt nun mal, dass die Inflation erst im Laufe des Jahres 2025 wieder nahe zwei Prozent liegen dürfte.

Investoren und viele Ökonomen erwarten die erste Zinssenkung für den Sommer 2024. Liegen die alle falsch?

Nicht jede Wette geht auf. Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung ist groß. Momentan können wir noch nicht sicher sein, ob wir überhaupt schon den Zinsgipfel erreicht haben. Da ist es zu früh, über niedrigere Zinsen zu spekulieren.

Unternehmen bieten ihren Beschäftigten inzwischen Lohnerhöhungen im zweistelligen Bereich an. Stecken wir in einer Lohn-Preis-Spirale?

Was Sie ansprechen, sind oft Nachholeffekte, die durch die hohe Inflation entstanden sind. Schließlich sind die Löhne real – also nach Abzug der Inflation – sehr stark gesunken, allein 2022 um mehr als 4 Prozent. Es ist nachvollziehbar, dass diese Reallohnverluste wettgemacht werden sollen. Eine sich selbst verstärkende Spirale sehe ich aber derzeit nicht. Wichtig ist, die Inflationserwartungen verankert zu halten. Denn wenn alle überzeugt sind, dass die Preise stabil bleiben, wäre das am besten für die Tarifpartner.

Nach dem Lehrbuch muss die Zentralbank die Zinsen anheben, sobald die Wirtschaft heiß läuft und deshalb die Preise steigen. Bloß: In Europa läuft nichts heiß. Der Inflationsdruck entsteht vor allem durch die Energiemärkte. Was bringen Zinserhöhungen dann überhaupt?

Eine Menge. Die Energiemärkte spielen für die Inflation eine wichtige Rolle, aber derzeit bremsen sie sogar. Mittlerweile hat sich der Preisdruck bei anderen Waren und bei Dienstleistungen festgesetzt. Wir sehen ja, dass die Zinserhöhungen dazu beitragen, die Inflation zu senken. Denn sie dämpfen die Nachfrage, weil sie Kredite teurer und Sparen attraktiver machen. Typischerweise kommt der Effekt auf die Nachfrage vor dem Effekt auf die Preise. 2024 werden die Zinserhöhungen noch stärker die Inflation drücken, da bin ich zuversichtlich.

Dann könnten Sie nächstes Jahr ja doch die Leitzinsen senken.

Um die hohe Inflation zu besiegen, müssen die Zinsen erst einmal hoch bleiben. Aber ich glaube, dass wir 2024 die aktuelle Wachstumsdelle überwunden haben, sofern der Nahostkonflikt nicht eskaliert. Eine harte Landung oder Rezession mit Durchschlag auf den Arbeitsmarkt sehe ich nicht.

Die EZB hat die Inflation erst völlig unterschätzt und dann hektisch wie nie die Zinsen erhöht. Was macht Sie sicher, nicht abermals falschzuliegen?

Unsere Modelle haben ihre Grenzen bei historischen Strukturbrüchen, wie wir sie in den vergangenen Jahren erlebt haben. Die Prognosemodelle, auch unsere, passten nicht gut für diese außergewöhnliche Situation. Aber wir haben dazugelernt.

Haben Sie jetzt wenigstens bessere Modelle?

Wir entwickeln unsere Modelle laufend weiter. Bei großer Unsicherheit wie in der Pandemie hilft uns auch, unterschiedliche Szenarien durchzurechnen. Wir gleichen die verschiedenen Ergebnisse ab und erweitern unsere Modellpalette, zunehmend auch um künstliche Intelligenz. Ein wichtiger Faktor bleibt aber die Expertise unserer Fachleute.

Vor allem EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hat die Inflation anfangs verschlafen. Wieso darf er weitermachen?

Wir alle im EZB-Rat mussten die Lage nach Beginn des russischen Angriffskriegs neu geldpolitisch analysieren. Für mich ist entscheidend, dass wir dazulernen. Und wer hätte uns Anfang 2022 zugetraut, die Zinsen so rasch und so deutlich anzuheben?

Die Inflation verschärft die soziale Spaltung. Insbesondere ärmere Menschen leiden, weil sie im Vergleich einen größeren Teil ihres Einkommens für Konsum ausgeben. Außerdem haben sie meist keine Ersparnisse und profitieren nicht von steigenden Vermögenspreisen. Das spricht für mehr Hilfe vom Staat, was wiederum die Inflation anheizen würde. Ein Teufelskreislauf?

Nicht, wenn die Hilfe zielgerichtet ist. Und was etwa die Hauptlast bei den Energiepreisen angeht: Die sind wieder gesunken, das entlastet die Menschen. Davon abgesehen finde ich, dass es Anreize geben muss, sparsam mit Energie umzugehen. Das gilt für alle.

Nicht für energieintensive Unternehmen. Denen will der Staat üppige Entlastungen bei der Stromsteuer gönnen. Wo bleiben Geringverdiener?

Unser Auftrag als Zentralbank ist es, die hohe Inflation zu bekämpfen. Das hilft gerade auch denen, die mit wenig Geld zurechtkommen müssen. Denn die Inflation trifft sie am härtesten.

Wo spüren Sie persönlich, dass alles immer teurer wird?

Beim wöchentlichen Einkaufen natürlich. Ihre Leserinnen und Leser werden sagen: Der Nagel hat gut reden bei seiner Einkommensklasse. Und es stimmt: Andere können das nicht so leicht wegstecken.

Gehen Sie im Supermarkt auf Schnäppchenjagd?

Klar mach ich das. Ich schaue genau hin, allein schon bei Lebensmitteln, weil ich gern koche. Und da sehe ich auch, dass manches gerade wieder billiger wird. Eier waren jetzt oft 30 Cent pro Zehnerpackung günstiger, Butter ist ebenfalls billiger geworden.

Was halten Sie von der Theorie der „Gierflation“, wonach Unternehmer die Preise übertrieben anheben, um Gewinne abzuschöpfen?

Die Inflation selbst ist ein gieriges Biest. Sie frisst sich in die Wirtschaft rein, zehrt Einkommen und Erspartes auf. Was die Unternehmen angeht: Die Gewinnmargen sind insgesamt deutlich gestiegen. Die Entwicklung war in den Branchen aber sehr unterschiedlich. Sicher hat manch einer beim Preis gerade zu Beginn der Teuerung noch was aufgeschlagen. Aber vor allem bei Lebensmitteln funktioniert der Wettbewerb gut. Der Preiskampf der Discounter zeigt das.

Wird eigentlich Ihr Gehalt an die Inflation angepasst?

Mein Gehalt wird nicht an die Inflation angepasst. Es orientiert sich daran, wie sich die Bezüge der Bundesbeamtinnen und -beamten ändern.

Künftig arbeiten Sie eigentlich doppelt, drei von sechs Vorstandsposten bei der Bundesbank werden Anfang 2024 vakant sein. Bund und Länder kommen mit der Nachbesetzung nicht voran. Wie sehr nervt das?

Die Bundesbank ist voll handlungsfähig. Aber wir haben viele wichtige Aufgaben, da sollten offene Stellen zügig besetzt werden. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Politik über die Vorstandspositionen bald entscheidet.

Deutschland sei nicht Europas kranker Mann, haben Sie gesagt. Was macht Sie so sicher?

Vor allem im angelsächsischen Raum höre ich oft, Deutschland stehe kurz vor dem Abgrund. Meine Sicht ist da eine deutlich andere. Die deutsche Wirtschaft hat die Energiekrise besser verkraftet als befürchtet. Jetzt geht es darum, die längerfristigen Herausforderungen anzugehen, insbesondere die grüne Transformation der Wirtschaft und die Digitalisierung. Die deutschen Unternehmen haben neue Bedingungen und Härten stets gut gemeistert. Wir sind nicht Europas kranker Mann. Aber wir müssen aufpassen, dass wir es nicht werden.

Bei Steuern, Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital, Infrastruktur hat sich unsere Ausgangslage deutlich verschlechtert. Bleibt Deutschland unter seinem Niveau?

Es gibt große Aufgaben: nicht nur die Transformation und Digitalisierung, sondern auch den demografischen Wandel und Fachkräftemangel. So ist der Arbeitsmarkt teilweise ausgetrocknet. Aber die deutsche Wirtschaft hat immer wieder bewiesen, wie gut sie sich anpassen kann. Und die Politik hat alle Möglichkeiten, Deutschlands Rahmenbedingungen besser zu machen. Zum Beispiel sollte der Arbeitsmarkt flexibler und offener werden. Da ist einiges zu tun.

Was meinen Sie konkret?

Etwa, indem wir ein Deutschlandtempo bei der Integration ausländischer Fachkräfte einlegen.

Warum?

Schon in wenigen Jahren dürfte die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte sinken. Das belastet unsere Wachstumsperspektiven. Wir benötigen in Deutschland genügend Fachkräfte, um unseren Wohlstand zu sichern.

Angesichts der Aufgaben bei der Energiewende, Rüstung, Zuwanderung, Wohnungsbau oder Digitalisierung: Sind Sie dafür, die Schuldenbremse abzuschaffen?

Ganz klar: nein. Haushaltsregeln sind wichtig, um die Staatsschulden zu begrenzen. Die Schuldenbremse hat dazu beigetragen, dass unsere Staatsfinanzen solide sind. Und das ist eine wesentliche Basis für das Wirtschaftswachstum und letztlich auch für stabile Preise.

Also begrüßen Sie das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das der Regierung untersagt, das zur Bekämpfung der Coronakrise gedachte Geld für den Klimaschutz zu nutzen?

Ich begrüße, dass das Urteil die Bindungswirkung der Schuldenbremse deutlich stärkt. Sie kann nun solide Staatsfinanzen wieder besser absichern. Die zahlreichen Sondervermögen haben die Transparenz und die Schuldenbremse geschwächt. Dabei ist das Urteil keine Entscheidung gegen bestimmte Maßnahmen.

Kann das überhaupt gehen: Alle Schattenhaushalte im Umfang von 300 Milliarden Euro in den normalen Etat zu integrieren, zugleich in Wohnungsbau, Digitalisierung, Klimawende, Aufrüstung zu investieren und die Schuldenbremse einzuhalten, ohne die Inflation anzuheizen?

Es ist letztlich Aufgabe der Politik, für die wichtigen Ausgaben die Gegenfinanzierung sicherzustellen. Selbst Reformen der Schuldenbremse sind nicht ausgeschlossen. Wir in der Bundesbank haben dazu Vorschläge gemacht. Bei niedrigen Schuldenquoten könnte man den Kreditrahmen moderat ausweiten und auch Investitionen besser schützen. Für eine Reform muss man das Grundgesetz ändern. Wenn die Schuldenbremse als zu restriktiv angesehen wird, wäre dies jedenfalls der richtige Weg.

Wie groß ist Ihre Sorge vor einer neuen Schuldenkrise in Europa? Italiens Schuldenkosten, ablesbar an den Staatsanleiherenditen, sind mit 4,5 Prozent durchschnittlich so hoch wie lange nicht mehr. Das Vertrauen in das Land sinkt offenbar.

Ich kommentiere prinzipiell nicht einzelne Euroländer. Klar ist, dass der Euroraum auf gesunde Staatsfinanzen angewiesen ist. Sonst kämpfen wir bei der Preisstabilität gegen Windmühlen. Die EZB muss dafür sorgen, dass ihre geldpolitischen Maßnahmen wirken. Aber die Finanzpolitik ist gefragt, wenn ein Land unsolide wirtschaftet und die Kapitalmärkte darauf reagieren, sodass die Anleiherenditen hochspringen.

Kann der Euro politisch instrumentalisiert werden? Extreme Parteien in vielen Ländern stellen den europäischen Zusammenhalt infrage.

Vielleicht sollten die mal auf die Fakten schauen und die Inflationsraten des Euro mit denen der D-Mark vergleichen. In den vergangenen 24 Jahren betrug die Inflationsrate im Schnitt knapp zwei Prozent im Euroraum. In den zwanzig Jahren davor waren es in Deutschland mit der D-Mark hingegen knapp drei Prozent. Legenden helfen nicht weiter. Sicher war das Umfeld früher ein anderes. Aber wir können stolz darauf sein, was die Währungsunion in den vergangenen Jahrzehnten geleistet hat. Und das trotz globaler Finanzkrise und Pandemie.

Viele Menschen verstehen nicht, wie Geldpolitik funktioniert und alles miteinander zusammenhängt. Populistische Parteien nutzen das aus. Ärgert Sie das?

Wir müssen mit guten Argumenten und Fakten Kontrapunkte setzen zu teilweise gefährlichen Botschaften. Es ist nicht leicht, da bin ich Realist. In der Vergangenheit haben wir uns zu oft damit begnügt, mit den Märkten zu kommunizieren – häufig im Fachjargon. Wir wollen uns verständlicher ausdrücken und auf die Menschen zugehen. Das ist eine große Herausforderung.

Die EZB hat jahrelang Anleihen europäischer Staaten aufgekauft. Sie hat damit den Staaten das Schuldenmachen erleichtert. Nun ist die EZB-Bilanz enorm aufgebläht, sie muss die Anleihen wieder loswerden. Wie schwierig wird das?

Vor der Pandemie war die Inflation jahrelang zu niedrig. Die Anleihekäufe sollten dem entgegenwirken und nicht das Schuldenmachen erleichtern. Jetzt geht es in die andere Richtung: Wir führen den Bestand an Anleihen schrittweise zurück. Und was die Bilanz angeht: Unsere Bilanzsumme ist binnen 12 Monaten um 1.700 Milliarden Euro gesunken. Aber wir können noch mehr machen.

EZB-Chefökonom Lane scheint vernarrt in den Gedanken zu sein, die Krisenpolitik fortzusetzen. Er will, dass die Zentralbank weiter viele Staatsanleihen hält und die Geschäftsbanken mit Liquidität stützt. Wie finden Sie das?

Wichtig ist doch: Wir sind uns im EZB-Rat einig, dass eine straffe Geldpolitik notwendig ist. Und heute nehmen wir wahr, dass sie ihre beabsichtigte Wirkung entfaltet. Die Inflation geht zurück. Wie künftig unser geldpolitischer Werkzeugkasten und unsere Bilanz konkret aussehen werden, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Grundsätzlich hätte ich eine Präferenz für deutlich kleinere Bilanzsummen der Zentralbanken. Diese gäben uns bei Bedarf mehr geldpolitischen Spielraum.

Die Bundesbank muss Geschäftsbanken momentan vier Prozent Zinsen auf deren überschüssige Reserven zahlen, ein gutes Geschäft für die Institute und dazu noch risikofrei. Zugleich hält die Bundesbank 900 Milliarden Euro in deutschen Staatsanleihen, die kaum Zinsen abwerfen. Kurzum: Ihnen drohen gigantische Verluste. Vor welcher Schlagzeile haben Sie mehr Angst: „Bundesbank pleite? Oder: „Staat muss Bundesbank mit frischem Eigenkapital retten“?

Vor keiner. Die Bilanz der Bundesbank ist solide. Wir haben beträchtliche Vermögenswerte. Und die finanziellen Belastungen werden vorübergehen, sodass die Bundesbank später auch wieder Gewinne erzielt und damit Verluste ausgleichen kann. Deshalb sehe ich diese Szenarien nicht. Das müssen und können wir gut erklären, so wie wir es in den Siebzigerjahren gemacht haben. Wir können damit umgehen.

Wie denn?

Damals haben wir unsere Verluste vorgetragen und diese Vorträge dann in späteren Jahren mit Gewinnen verrechnet. Klar ist, dass wir längere Zeit keinen Gewinn an den Finanzminister ausschütten können. Das weiß er aber längst.

Sie könnten sich mehr Geld von den Geschäftsbanken holen. Die müssen bisher nur ein Prozent ihrer Kundeneinlagen bei der Bundesbank als sogenannte Mindestreserve hinterlegen, ohne dass sie dafür Zinsen bekommen. Für die anderen Einlagen kassieren sie reichlich. Im Gespräch ist jetzt, die Mindestreserve, die nicht verzinst wird, zu erhöhen – über ein Prozent hinaus. Für die Bundesbankzahlen wäre das gut, aber die Bankenwelt wehrt sich. Zu Recht?

Es geht mir hier nicht um unsere Gewinn- und Verlustrechnung. Das ist ein geldpolitisches Instrument. Die unverzinste Mindestreserve unterstützt den straffen geldpolitischen Kurs des Eurosystems, der die Kreditvergabe dämpft und so zu Preisstabilität beiträgt.

Die Institute laufen aber Sturm, weil sie um risikofreie Gewinne fürchten. Gehen Sie diesen Kampf ein?

Das ist kein Kampf. Das ist verantwortungsvolle Geldpolitik. Und die ist schließlich auch im Interesse der Banken.

 

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